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11.12.2020 10:58

3D-Druck auf einem neuen Level

Simon Ratmann Stabsstelle Presse und Kommunikation
Universität Paderborn

    Medizin, Luftfahrt und Automobilbranche sind häufig auf komplexe Kunststoff-Bauteile angewiesen. Mittels additiver Fertigung, auch 3D-Druck genannt, können diese individuell, unkompliziert und in passender Stückzahl hergestellt werden. Ein weit verbreitetes und qualitativ hochwertiges Verfahren ist das sogenannte Lasersintern. Hier bringt ein Laser Polymerpulver zum Schmelzen und baut dann das gewünschte Kunststoff-Bauteil schichtweise auf. Der Haken: Für das Verfahren stehen bislang nur wenige Materialien zur Verfügung. In einem Forschungsprojekt wollen Wissenschaftler der Universität Paderborn daher neue Verfahren zur Herstellung beliebiger Kunststoffmaterialien in Pulverform entwickeln.

    Für das Projekt wurde eine Laborhalle aufwändig umgebaut, mit den benötigten Apparaturen und Maschinen ausgestattet und nun nach rund zweijähriger Planungs- und Bauzeit fertiggestellt. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fördert das auf drei Jahre angelegte Projekt mit einem Projektvolumen von rund 3,8 Millionen Euro.

    „Industrial Manufacturing in North Rine Westphalia“ (iAMnrw-Materials), so der Projekttitel, bündelt die Kompetenzen der Kunststofftechnik Paderborn (KTP) und des Lehrstuhls für Partikelverfahrenstechnik (PVT) sowie des Lehrstuhls für Werkstoffkunde (LWK) für ein weiteres Projekt zur Herstellung von Metallpulvern und ist zentral im Paderborner Institut für Additive Fertigung (PIAF) angesiedelt.

    Hochdruck-Tanks mit Kohlenstoffdioxid und Stickstoff, Filtertechnik-Anlagen, umfangreiche Lüftungssysteme – all das befindet sich in dem zweistöckigen Labor, das für die spezielle Forschungsausrichtung des Projekts umgebaut wurde. Hier sollen künftig nicht nur neue Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen in Pulverform entstehen, sondern auch gänzlich neue Materialien für den Lasersinter-Prozess erschlossen werden. „Aktuell beschränkt sich die Herstellung von Kunststoff-Bauteilen mithilfe additiver Fertigung zu über 90 Prozent auf PA12, eine spezielle Variante von Nylon. Eine Erweiterung des Materialportfolios ist daher dringend erforderlich. Wenn wir neue Materialien entwickeln wollen, müssen diese komplexen Anforderungen gerecht werden. Nur durch neue Materialien können Eigenschaften wie Elastizität, Härte und Temperaturfestigkeit in den späteren Produkten entscheidend verbessert werden. Das würde eine ganze Reihe neuer Anwendungen ermöglichen“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid, Gesamt-Projektleiter und Inhaber des Lehrstuhls für Partikelverfahrenstechnik.

    „Das Hochtechnologie-Labor wurde in enger, konstruktiver Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Detmold, dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb Bielefeld, den beteiligten Wissenschaftlern und dem Dezernat 5 der Universität Paderborn finanziert, geplant und realisiert. Mit dem Bau des Labors wurde die kontinuierliche Erweiterung des Hochtechnologiestandortes Universität Paderborn vorangetrieben und der Region OWL wurden weitere Zukunftsperspektiven in der Hightech-Forschung eröffnet“, unterstreicht Klaus Watermeier, Leiter des Sachgebiets Bauangelegenheiten im Dezernat 5.

    Mithilfe von Stickstoff und CO2 zu neuen Materialien

    Um für unterschiedliche Ausgangsmaterialien das bestmögliche Verfahren wählen zu können, haben sich die Wissenschaftler*innen für zwei unterschiedliche Ansätze entschieden. Mithilfe des ersten Ansatzes wollen sie grobe Materialien durch sogenannte „kryogene Vermahlung“ in Pulverform überführen. Dabei findet eine Zermahlung des Kunststoffes bei starker Unterkühlung mit flüssigem Stickstoff statt. Damit das so erzeugte, kantige Pulver die hohen Anforderungen des Lasersinter-Prozesses erfüllt, muss es anschließend abgerundet werden. Auch dafür nimmt das Projektteam verschiedene Strategien unter die Lupe. Der zweite Ansatz fokussiert sich auf einen neuartigen Sprühprozess. Dabei wird überkritisches CO2 in einem Extruder mit geschmolzenem Polymer vermischt und anschließend in einem Sprühturm verdüst. Auf diese Weise sollen direkt runde Partikel in der gewünschten Größe entstehen. Co-Projektleiter Prof Dr.-Ing. Volker Schöppner, Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung und Vizepräsident für Lehre, Studium und Qualitätsmanagement: „Die Schwierigkeiten liegen einerseits in der schonenden Herstellung einer homogenen Mischung von CO2 und Polymer und andererseits in dem anschließenden Sprühprozess zur Herstellung der Kunststoffpulver mit den gewünschten Eigenschaften. Dies kann nur ist einer engen Zusammenarbeit von Kunststofftechnik und Verfahrenstechnik gelingen.“

    Individuelle Lösungen für Orthopädie, Zahnmedizin und Co.

    Die große Stärke des 3D-Druck-Verfahrens, das in Paderborn weiterentwickelt werden soll, zeigt sich für die Wissenschaftler besonders in seiner Individualisierung. So könnten etwa Hilfsmittel in der Orthopädie oder Zahnmedizin individuell angefertigt werden, ohne bei ihrer Herstellung auf spezielle Werkzeuge zurückgreifen zu müssen. Auch die rund 4.500 Gesichtsschutzschilder, die das Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität zu Beginn der Corona-Pandemie für örtliche Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime angefertigt hatte, zeigten, wie schnell mit dieser Technik auf neue Herausforderungen reagiert werden kann.

    Paderborner Institut für Additive Fertigung bündelt die Forschungskompetenzen

    Für die Universität Paderborn ist das Projekt ein entscheidender Schritt, um den Forschungsbereich Additive Fertigung weiter zu stärken: „Wenn wir mithilfe dieses Projekts nicht mehr auf die am Markt verfügbaren Materialien beschränkt sind, sondern selbst neue Materialien entwickeln können, wird uns das ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Forschung und Weiterentwicklung des Kunststoff-Lasersinterns eröffnen. Damit werden wir im Paderborner Institut für Additive Fertigung dann die Kompetenz für die gesamte Prozesskette vom Material bis zum fertigen Bauteil gebündelt haben“, erklärt Hans-Joachim Schmid. Laut Volker Schöppner würden sich so gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs neue Möglichkeiten ergeben: „Das Projekt erlaubt es auch, unsere Studierenden aus den Studiengängen Maschinenbau und Chemieingenieurwesen in Forschungsprojekte auf modernstem Niveau einzubinden und somit eine bestmögliche Vorbereitung für den Arbeitsmarkt von morgen anzubieten.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid, Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik,
    Fakultät für Maschinenbau, Tel.: 05251 60-2404, E-Mail: hans-joachim.schmid@upb.de


    Weitere Informationen:

    http://www.upb.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Maschinenbau, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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