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29.12.2020 14:00

Biotechnologen messen Kräfte, mit welchen Algenzellen sich an Oberflächen festhalten und bewegen

Dr. Kathrin Kottke Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

    Ein internationales Forscherteam untersuchte, wie sich die Fortbewegung und das Festhalten der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii manipulieren lassen. Dazu veränderten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zuckermodifikationen an Proteinen auf der Zelloberfläche, wodurch sich ebenfalls die sogenannte Adhäsionskraft veränderte. Die Ergebnisse sind in dem Magazin "eLife" erschienen.

    Wie können sich Zellen auf Oberflächen festhalten und fortbewegen? Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Hippler von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster und Prof. Dr. Kaiyao Huang vom Institut für Hydrobiologie (Chinesische Akademie der Wissenschaften, Wuhan, China) nachgegangen. Als Modellorganismus verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Sie manipulierten die Alge, in dem sie die Zuckermodifikationen an Proteinen auf der Zelloberfläche veränderten. Dadurch konnten sie die zelluläre Oberflächenadhäsion – auch als Adhäsionskraft bezeichnet – verändern. Die Ergebnisse sind nun in dem Open Access Wissenschaft-Journal „eLife“ erschienen.

    Hintergrund und Methodik

    Um sich fortzubewegen, besitzt die Grünalge zwei fadenförmige Geißeln auf ihrer Zelloberfläche. Die Grünalge benutzt diese Geißeln eigentlich zum Schwimmen, kann mit ihnen aber auch an Oberflächen binden und an diesen entlang gleiten. Die Wissenschaftler wollten nun herausfinden, wie sich die Fortbewegung und das Festhalten der Alge manipulieren lassen. „Wir fanden heraus, dass an diesem Prozess Proteine auf Zelloberflächen beteiligt sind die durch bestimmte Zucker modifiziert werden. Verändert man nun diese Zuckerketten an den Proteinen kann man so ihre Eigenschaften verändern“, erklärt Michael Hippler vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU. Solche Proteine bezeichnen die Experten dann als N-glykosyliert – bei dieser Modifikation werden Kohlenhydrate an Aminogruppen angehängt. Veränderungen dieser Zuckermodifizierungen durch genetische Manipulation der Algen zeigten, dass sich die Adhäsionskraft der Algen und damit die Anhaftung an Oberflächen verminderte. Gleichzeitig bleibt aber das Gleiten der Zellen auf der Oberfläche unverändert. Die deutlich verminderte Kraft, mit der die Mutanten noch an Oberflächen haften, reicht also unter Laborbedingungen noch aus, um das Gleiten zu ermöglichen.

    Um diese Vorgänge zu untersuchen, schalteten die Wissenschaftler zunächst mithilfe der sogenannten Insertionsmutagenese und CRISPR/Cas9-Methode Gene aus, welche Enzyme kodieren, die für den N-Glykosylierungsprozess relevant sind. „Die Zuckermodifikationen dieser genetisch veränderten Algenstämme wurden dann im nächsten Schritt mit massenspektrometrischen Verfahren analysiert“, erklärt Michael Hippler das Vorgehen. Um das Zellgleiten zu visualisieren, nutzten die Wissenschaftler eine spezielle Methode der Lichtmikroskopie; die interne Totalreflexionsfluoreszenzmikroskopie (TIRF). Dieses Verfahren wird häufig verwendet, um Untersuchungen von Strukturen vorzunehmen, die sich sehr nahe an einer Oberfläche befinden. Dazu wurde ein fluoreszierendes Protein in den Geißeln der Algen exprimiert, um die Geißeln und das Gleiten der Zellen sichtbar zu machen.

    Um zu messen, mit welcher Kraft die einzelnen Zellen an der Oberfläche binden, wurden die Rasterkraftmikroskopie und Miko-Pipetten-Adhäsionsmessungen in Kooperation mit Gruppen an der Universität von Liverpool (UK) und dem Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen eingesetzt. „Wir konnten damit nachweisen, dass Adhäsionskräfte auf der Nanometerskala durch Veränderung von Protein-Zuckermodifizierungen vermindert werden“, erklärt Kaiyao Huang weiter.

    Die beiden Geißeln der Grünalge ähneln beispielsweise den Geißeln von Spermien, aber auch anderen beweglichen Geißeln. Diese werden meistens als Flimmerhärchen bezeichnet, die auch im menschlichen Körper zu finden sind – beispielsweise in den Atemwegen. „Wenn wir unsere Ergebnisse auf menschliche Zellen übertragen, könnten durch Zucker modifizierte Proteine auch die Interaktion von Spermien oder Flimmerhärchen mit Oberflächen jeglicher Art verändern“, erklären die Wissenschaftler Kaiyao Huang und Michael Hippler.

    Forschungsbeteiligung

    Neben Forschern der Universität Münster trugen Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universitäten Wuhan (China) und Liverpool (England) sowie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen zu dieser Arbeit bei.

    Finanzierung

    Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), National Nature Science Foundation of China, Royal Society und Biotechnology and Biological Sciences Research Council (UK).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Michael Hippler
    Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen – IBBP
    Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster
    Tel: +49 251 83-24790
    Mail: mhippler@uni-muenster.de


    Originalpublikation:

    Nannan Xu, Anne Oltmanns, Longsheng Zhao, Antoine Girot, Marzieh Karimi, Lara Hoepfner, Simon Kelterborn, Martin Scholz, Julia Beißel, Peter Hegemann, Oliver Bäumchen, Lu-Ning Liu, Kaiyao Huang, Michael Hippler (2020). Altered N-glycan composition impacts flagella mediated adhesion in Chlamydomonas reinhardtii. eLife. DOI: 10.1101/2020.05.18.102624


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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