Verbesserung der Unternehmenskultur und Debiasing-Maßnahmen verhindern Entscheidungsverzerrungen – Betriebswirtschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen publizieren Studienergebnisse im Journal of Accounting & Organizational Change
Dass auch geübte Manager nicht vor Fehlplanungen und falschen Entscheidungen gefeit sind, zeigen zahlreiche Beispiele aus der Praxis – zu den bekanntesten zählen wohl die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Flughafen BER. Oft sind es nicht die fehlenden oder falsch eingesetzten betriebswirtschaftlichen Instrumente, sondern verhaltenswissenschaftliche Ursachen, die diese Entwicklungen erklären. Dazu zählen vor allem Entscheidungsverzerrungen (Biases) wie Selbstüberschätzung, die Überschätzung von Synergieeffekten oder die selektive und voreingenommene Aufnahme von Informationen. Diese Biases können zu Fehlentscheidungen führen und Geld und Arbeitsplätze vernichten. Sie werden so auch zu einem wichtigen Forschungsgebiet der modernen Betriebswirtschaftslehre: Dr. Niklas Kreilkamp, Dr. Maximilian Schmidt und Prof. Dr. Arnt Wöhrmann vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben kürzlich eine entsprechende Studie im „Journal of Accounting & Organizational Change“ publiziert.
„In der Wissenschaft haben wir uns lange damit befasst zu verstehen, warum versierte Manager falsch entscheiden. Aus Sicht des Controllings müssen wir uns aber heute vielmehr fragen: Was können wir dagegen tun?“, sagt Prof. Wöhrmann. Die Wirtschaftswissenschaftler fanden in einer Fragebogenstudie mit 94 Controllerinnen und Controllern und CFOs großer deutscher Unternehmen heraus, dass die Gestaltung der Unternehmenskultur genauso wie der Einsatz von bestimmten Techniken, die unter den Namen Debiasing gefasst werden, wirksam helfen, Entscheidungsverzerrungen zu begegnen.
In Unternehmen, in denen die Beschäftigten persönliche Risiken eingehen können und in denen bei Fehlern nicht zuerst nach Schuldigen gesucht wird, sondern die daraus gezogenen Lehren und Chancen im Vordergrund stehen, treten demnach weniger Biases auf. In der Psychologie spricht man von psychologischer Sicherheit für Mitarbeiter. „Ein respektvoller Umgang untereinander führt auch dazu, dass man sich eigene Fehler eher eingesteht und die Erkenntnis daraus im Idealfall sogar mit den Kolleginnen und Kollegen teilt. Nur so können am Ende alle daraus lernen“, erklärt Dr. Schmidt.
Neben der Verbesserung der Unternehmenskultur gibt es eine Reihe praktischer Instrumente, um Biases zu verhindern. Beispielsweise versetzt sich ein Team in einer sogenannten pre-Mortem-Session gedanklich in die Zukunft und schaut auf ein fiktives gescheitertes Projekt zurück. Das kann dabei helfen, etwaige Fehlentscheidungen vorweg zu nehmen und von vornherein zu verhindern. Aber auch hier spielt die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle, denn die Wirksamkeit dieser Instrumente hängt von dem Maß an psychologischer Sicherheit ab. Schmidt erklärt diesen Zusammenhang: „Auch wenn es explizit im Rahmen einer Debiasing-Maßnahme verlangt wird: Wenn ich als Mitarbeiter Angst um den Job haben muss, sobald ich meine Vorgesetzten auf eine Fehleinschätzung aufmerksam mache, werde ich mir das zweimal überlegen“.
Die Zahl der Unternehmen, die die Gefahr von Biases erkannt haben und Maßnahmen dagegen implementieren, ist in den letzten Jahren zwar gestiegen. Trotzdem ist in dieser Frage nach Einschätzung der Wissenschaftler noch Luft nach oben. Schmidt betont: „Obwohl dem Thema ein hohes Potenzial zugerechnet wird, schöpfen die meisten Unternehmen aus unserer Studie dieses derzeit noch nicht voll aus. Da das Thema Debiasing für viele Unternehmen neu und schwer greifbar ist, bietet sich eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis hier in besonderer Weise an. Insgesamt gehen wir auf Basis unserer Befragung davon aus, dass das Thema Debiasing zukünftig noch stärker an Relevanz gewinnen wird.“
Kontakt
Dr. Maximilian Schmidt
Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Managerial Accounting
Justus-Liebig-Universität Gießen
Licher Straße 62, 35394 Gießen
E-Mail: Maximilian.Schmidt@wirtschaft.uni-giessen.de
Publikation
Niklas Kreilkamp, Maximilian Schmidt, Arnt Wöhrmann (2020): Debiasing as a Powerful Management Accounting Tool? Evidence from German Firms, in: Journal of Accounting & Organizational Change, DOI: https://doi.org/10.1108/JAOC-12-2019-0122
Weitere Beispiele zu Biases und Debiasing-Instrumenten: Niklas Kreilkamp, Maximilian Schmidt, Arnt Wöhrmann (2019): Effizienzsteigerung durch Debiasing: Empfehlungen für die Praxis, in: Controlling 31 (2), S. 57-65, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb02/fb/professuren/bwl/BWL-IV/dateien/Artikel%20...
http://Weitere Informationen
https://www.uni-giessen.de/fb02/managerial-accounting
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).