OP-Masken halten Aerosole besser ab als ein starrer Atemschutz ohne EU-Zertifikat – das belegt ein Team aus der Marburger Medizin mit praxisnahen Messungen an verschiedenen Arten von Mund-Nasen-Bedeckungen. Damit Gesichtsmasken vor Schwebteilchen in der Luft schützen, muss zum geeigneten Material auch noch die richtige Passform kommen, weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Marburger Hygieniker Professor Dr. Frank Günther empirisch nach. Sie berichten über ihre Ergebnisse im Forschungsmagazin „PLOS ONE“.
Auch nach den jüngsten Pandemie-Beschlüssen von Bund und Ländern bleibt es dabei: Medizinische Masken als Atemschutz gehören auch weiterhin zu den Maßnahmen, die gegen das Coronavirus und dessen Ausbreitung flächendeckend eingesetzt werden. Ihre Wirksamkeit wird jedoch von manchen angezweifelt. Was bringt eine Mund-Nasen-Bedeckung? Worin unterscheidet sich die Wirksamkeit von selbstgenähten Stoffmasken, OP-Masken und FFP2-Masken? „Wir sind unter realistischen Bedingungen der Frage nachgegangen, wie die Sicherheit des Klinikpersonals gewährleistet werden kann“, erklärt Leitautor Christian Sterr aus Günthers Arbeitsgruppe.
Abstandhalten geht nicht immer, insbesondere bei der Patientenversorgung. Krankenhausbeschäftigte tragen ein großes Risiko, sich mit Krankheiten anzustecken, die über die Luft übertragen werden. Welche Gesichtsbedeckungen bringen eine möglichst große Sicherheit vor einer Infektion? Um das herauszufinden, testete das Forschungsteam 29 Masken verschiedenen Typs, die in fünf Kategorien fallen: Stoffmasken, OP-Masken nach europäischer Norm, nicht-zertifizierte Zellstoffmasken, Atemschutzmasken nach FFP2-Standard sowie Atemschutzmasken mit dem chinesischen Zertifikat KN95.
Günther und seine Arbeitsgruppe testeten an diesen fünf Maskentypen, wie gut sie Partikel aus der Atemluft filtern und wie viel Widerstand sie dem Atmen entgegensetzen. Darüber hinaus überprüfte das Team, wie die Masken in alltagsnaher Verwendung wirken, nämlich wenn sie aufgesetzt werden. Zu diesem Zweck stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittels 3D-Druck eigens ein Kopfmodell her, dessen Maße einem Durchschnittskopf entsprechen. „Die Attrappe erhielt einen Überzug aus Gummi, so dass sich damit der Sitz der Maske auf einer hautähnlichen Oberfläche möglichst gut imitieren lässt“, berichtet Sterr.
Diesen Versuchskopf montierte das Team in einen Plexiglaskasten, in den es Aerosole einleitete. Es enthält Schwebeteilchen, deren Größe bei etwa einem halben Mykrometer liegt. Das ist zwar erheblich größer als ein Virus; „aber da Viren sich in der Luft zusammenlagern, bieten Partikel dieser Größe eine realistische Testsituation“, legt Günther dar.
Das Kopfmodell ist also einem Strom von Teilchen ausgesetzt, die sich in der künstlichen Luftröhre der Attrappe sammeln, sofern eine Maske sie nicht auffängt. Wie groß ist der Anteil dieser Partikel, die den Mund-Nasenschutz durchdringen?
Was die Filterwirkung angeht, schnitten Atemschutzmasken mit FFP2-Zertifikat am besten ab, wie erwartet. Im Test auf dem Kopfmodell filtern sie im Schnitt etwa 65 Prozent der Partikel aus. Das ist zwar weniger als beim reinen Materialtest – hier erreicht dieser Maskentyp etwa 98 Prozent Filterwirkung. Das Ergebnis ist aber besser als das anderer Schutzmasken. Insbesondere die Modelle nach chinesischem Standard KN95 zeigen zwar ähnliche Materialeigenschaften; auf die Attrappe montiert, sinkt die Filterleistung jedoch auf durchschnittlich 41 Prozent.
Bei OP-Masken verhält es sich genau andersherum: Sie schneiden im reinen Materialtest schlechter ab als FFP2- und KN95-Atemschutzmasken aus starrerem Vliesstoff – vor dem Gesicht getragen, wirken sie aber etwa gleich gut und filtern etwa 47 Prozent der Partikel aus.
Außerdem weisen OP-Masken einen anderen großen Vorteil auf, wenn man sie mit einer Atemschutzmaske nach FFP2- oder KN95-Norm vergleicht. Das stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, indem sie maßen, welchen Widerstand die Masken dem Atmen entgegensetzen. Hierbei weisen OP-Gesichtsmasken den niedrigsten Wert aller Modelle auf.
FFP2- und KN95-Atemschutzmasken zeigen einen zwei- bis dreifach höheren Strömungswiderstand. Die größere Belastung beim Atmen könnte dazu führen, dass die Schutzmaßnahmen nicht streng eingehalten werden, befürchten die Autorinnen und Autoren. „Der optimale Effekt besteht in einer Kombination aus hoher Filterleistung und geringem Widerstand des Materials“, fasst Sterr zusammen.
Bei allen Modellen zeigt sich: Die Filterleistung des Materials alleine erlaubt noch keine verlässliche Aussage über die Wirkung im getragenen Zustand. Wenn das Material besonders undurchlässig ist, führt das zu einem höheren Atemwiderstand, unterstützt damit aber auch die Bildung von Lecks, insbesondere in Kombination mit einer locker sitzenden Maske. Zur Beurteilung ist es also sinnvoll, einen realistischen Versuchsaufbau einzusetzen, der den getragenen Zustand möglichst praxisnah nachstellt. Klar ist freilich auch: Stoffmasken schneiden sowohl im reinen Materialtest schlecht ab, als auch unter praxisähnlichen Bedingungen. Außerdem gilt, dass selbstverständlich keine Gesichtsbedeckung die Notwendigkeit außer Kraft setzt, Abstand zu halten, in Innenräumen zu lüften und alle Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, soweit dies möglich ist.
Originalveröffentlichung: Christian M. Sterr & al.: Medical face masks offer self-protection against aerosols: An evaluation using a practical in vitro approach on a dummy head, PLOS ONE 2021, DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0248099
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Frank Günther,
Abteilung für Krankenhaushygiene
Tel.: 06421 58-62336
E-Mail: frank.guenther@staff.uni-marburg.de
Christian Sterr,
Tel.: 06421 58-67113
E-Mail: sterrc@staff.uni-marburg.de
Presseinformation zur Marburger Abteilung für Krankenhaushygiene (2018): http://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2018/marburger-neuberufung-staerkt-krankenhaushygiene
Eine eigens produzierte Kopfattrappe erlaubte es dem Forschungsteam aus der Marburger Krankenhaushyg ...
Foto: Christian Sterr
Das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.
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Eine eigens produzierte Kopfattrappe erlaubte es dem Forschungsteam aus der Marburger Krankenhaushyg ...
Foto: Christian Sterr
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