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03.03.2004 14:04

Quellenerschließung in der Hochburg der oppositionellen sächsischen Presse

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Auf Antrag von Prof. Dr. Wolfgang Fach, Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig, und der Leiterin des Stadtarchivs Grimma, Frau Marita Schön, bewilligte die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Projekt zur Erschließung der Quellenbestände zur Grimmaer Verlags- und Pressegeschichte. Als verantwortlicher Bearbeiter konnte ein Fachwissenschaftler, der Historiker Dr. Matthias John, gewonnen werden.

    Grimma spielte in der deutschen und vor allem in der sächsischen Verlags- und Pressegeschichte eine ganz besondere Rolle: Nachdem hier schon sehr früh, nämlich von 1522 bis 1524, eine Buchdruckerei bestand und in der Folgezeit immer wieder versucht wurde, eine solche dauerhaft zu betreiben, konnte das Druckgewerbe in dieser Stadt am Ende des 18. Jahrhunderts fest etabliert werden. Dafür sorgten dann auch bedeutende Verlegerpersönlichkeiten wie Joachim Georg Göschen und die heute nahezu vergessenen Dr. Carl Ferdinand Philippi, Ferdinand Stolle sowie Julius Moritz Gebhardt.

    Göschen gab in Grimma seit 1813 sein berühmt gewordenes Wochenblatt heraus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders in den 30er/40er Jahren, entwickelte sich hier ein sehr breit gefächertes Pressewesen. Bislang konnten neunzehn verschiedene eigenständige und über einen mehr oder minder längeren Zeitraum in Grimma erscheinende Zeitungen bzw. Zeitschriften ermittelt werden. Unter ihnen befanden sich neben dem ''Grimmaischen Wochenblatt'' so bedeutende politische Blätter wie die ''Constitutionelle Staatsbürgerzeitung'', ''Die Ameise'', ''Der Verfassungsfreund'', ''Die Fackel'' und das ''Sächsische Volksblatt''; außerdem wurden hier zahlreiche satirische Zeitschriften wie die ''Osterländischen Blätter'', ''Der Dorfbarbier'' (dieses Blatt erhielt übrigens im Jahre 1853 eine Beilage mit dem heute noch sehr bekannten Titel ''Die Gartenlaube'') und ''John Falstaff'' herausgegeben. Die Satire war vornehmlich in den vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine der wichtigsten Kunstformen, denen sich die Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften bedienten, um indirekte Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland zu üben und so der Zensur eine Verbotshandhabe zu erschweren.

    Grimma war wohl in jener Zeit neben Leipzig und Dresden das sächsische Pressezentrum und sogar die Hochburg der sächsischen oppositionellen Presse. Darüber hinaus erfreuten sich die hier erscheinenden Zeitungen, vor allem jedoch die ''Constitutionelle Staatsbürgerzeitung''- die nach dem Urteil der Leipziger Bücherkommission ''eine gallige-giftige Tendenz gegen die Regierung'' auszeichne - und ''Die Ameise'' einer sehr weiten Verbreitung. Das trat u.a. in den für die damalige Zeit beeindruckenden Auflageziffern zutage: Allein die Auflage der ''Ameise'' soll im Jahre 1839 nach Angaben eines Verlagskatalogs 5.000 Exemplare betragen haben. Somit hätte dieses Blatt seinerzeit eine Auflagenhöhe erreicht, die nicht hinter der der großen Leipziger Zeitungen (darunter die ''Leipziger Zeitung'' als offiziöse Zeitung der sächsischen Regierung) zurückblieb, vielmehr sie noch übertraf.

    Das Projekt zur Erschließung von Quellenbeständen besitzt auf Grund der Hochwasserkatastrophe im August 2002 neben der wissenschaftlichen auch eine politische Dimension: Bekanntlich wurde das Grimmaer Stadtarchiv davon so schwer betroffen, dass vielen Wissenschaftlern quellenmäßig fundierte Forschungsarbeiten zur dortigen Geschichte kaum noch möglich erschienen. Um so wichtiger ist es, dass durch DFG-Förderung eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle finanziert wird, die in mühevoller Erfassungs- und Rekonstruktionsarbeit Archivalien erschließt, auswertet und der Öffentlichkeit zugänglvih macht.Ohne diese Förderung würden tatsächlich sehr wichtige Quellenbestände bzw. deren Inhalte für die Nachwelt unwiderruflich verloren gehen. Es ist vorgesehen, die sehr umfangreichen Arbeitsergebnisse spätestens bis zum Jahre 2005 zu publizieren. Damit werden Forschungen zur Grimmaer Verlags- und Pressegeschichte auch für zukünftige Generationen auf einer breiten Quellenbasis möglich sein. Gleichzeitig tragen die bewilligten Sachmittel mit dazu bei, dass das Archiv, zumindest was die technische Ausstattung anbelangt, bald wieder voll arbeitsfähig ist.


    Weitere Informationen:
    Dr. Matthias John
    Telefon: 0341 3916437


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    regional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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