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15.07.2021 13:11

Eine egozentrierte Raumkarte im menschlichen Gehirn

Benjamin Waschow Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Freiburg

    Neurowissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Freiburg entdecken einen neuen Zelltyp im Gehirn und finden Hinweise, wie er an Navigation und Gedächtnis beteiligt ist / Erkenntnisse können bei der Erforschung neurodegenerativer Krankheiten wie Alzheimer helfen / Publikation in Neuron

    Wie navigieren wir in einer Umgebung und erinnern uns später an Orte? Neurowissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Freiburg und der Columbia University, USA, konnten in einer neuen Studie zeigen, dass Nervenzellen Richtungen und Entfernungen relativ zum navigierenden Organismus kodieren. Sie beschreiben einen bisher unbekannten Zelltyp im menschlichen Gehirn, der vermutlich eine Schlüsselrolle bei Navigation und Gedächtnis spielt. Die Erkenntnisse können bei der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer helfen, zu deren häufiger Symptomatik sowohl Gedächtnis- als auch Orientierungsstörungen zählen. Die Studie wurde am 14. Juli 2021 in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht.

    „Die Befunde geben Einblicke in neuronale Mechanismen von Erkrankungen, die das Gedächtnis beeinträchtigen“, sagt Ko-Studienleiter Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Abteilungsleiter Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikum Freiburg.

    Aufzeichnung egozentrierter Richtungszellen

    Um die zellulären Mechanismen zu untersuchen, zeichneten die Neurowissenschaftler*innen im menschlichen Gehirn die Aktivität von mehr als tausend Neuronen auf. Möglich war dieses Vorgehen durch den Einbezug von Patient*innen des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Freiburg, denen für diagnostische Zwecke Elektroden implantiert worden waren. Die Proband*innen lösten Aufgaben am Computer, die ihre Fähigkeit testeten, durch virtuelle Umgebungen zu navigieren und sich räumlich zu erinnern.

    Die Forscher*innen konnten zeigen, dass dabei sogenannte egozentrierte Richtungszellen aktiviert werden. Diese waren besonders häufig im parahippocampalen Kortex zu finden. Frühere Studien hatten gezeigt, dass Patient*innen mit Schäden in dieser Hirnregion Probleme bei der räumlichen Orientierung haben – betroffen könnten die egozentrierten Richtungszellen gewesen sein.

    Nervenzellen werden bei räumlicher Navigation aktiviert

    Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten, dass die Aktivierung der egozentrischen Richtungszellen davon anhängt, ob bestimmte Aspekte der virtuellen Umgebungen vor, hinter, rechts oder links der Patient*innen positioniert waren. Egozentrierte Richtungszellen kodieren also räumliche Informationen in einem Koordinatensystem, das auf die navigierende Person zentriert ist. „Das ist vermutlich wichtig im Alltag, wenn sich Menschen in ihrer Umgebung orientieren und auf geplanten Routen navigieren", sagt Schulze-Bonhage.

    Nervenzellen reaktivieren während des Gedächtnisabrufs

    Die Forscher*innen untersuchten ebenfalls die Aktivität der egozentrierten Speicherzellen während die Patient*innen versuchten, sich an die Standorte von Objekten in der virtuellen Umgebung zu erinnern. „Die Nervenzellen wurden während des erfolgreichen Gedächtnisabrufs reaktiviert. Das deutet darauf hin, dass sie Teil der neuronalen Basis für das menschliche Gedächtnis sind“, erklärt Dr. Lukas Kunz, Erstautor der Studie und Postdoktorand in der Abteilung Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg sowie der Abteilung für Biomedizinische Technik an der Columbia University, USA.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage
    Leiter
    Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum
    Klinik für Neurochirurgie
    Universitätsklinikum Freiburg
    Telefon: 0761 270-45250
    andreas.schulze-bonhage@uniklinik-freiburg.de

    Dr. Lukas Kunz
    Department of Biomedical Engineering
    Columbia University in The City of New York
    USA
    drlukaskunz@gmail.com


    Originalpublikation:

    Original-Titel der Studie: A neural code for egocentric spatial maps in the human medial temporal lobe.
    DOI: 10.1016/j.neuron.2021.06.019
    Link zur Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0896627321004608


    Bilder

    Nervenzellen des Gehirns waren im Experiment unterschiedlich aktiv, wenn bestimmte Orte vor, neben oder hinter den Proband*innen waren.
    Nervenzellen des Gehirns waren im Experiment unterschiedlich aktiv, wenn bestimmte Orte vor, neben o ...

    Universitätsklinikum Freiburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Nervenzellen des Gehirns waren im Experiment unterschiedlich aktiv, wenn bestimmte Orte vor, neben oder hinter den Proband*innen waren.


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