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20.07.2021 09:58

Was wir aus der Finanzkrise lernen können

Pia Barth Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Menschen, die durch die Finanzkrise 2008/09 arbeitslos wurden, hatten danach mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten zu kämpfen. In einer langjährigen internationalen Studie hat das Team um den Soziologen Prof. Markus Gangl an der Goethe-Universität die gesellschaftlichen Folgen der Krise und das politische Krisenmanagement in mehr als 30 Ländern untersucht. In der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ stellt Gangl einige Ergebnisse vor – und zieht Schlüsse für die Folgen der Corona-Pandemie.

    Armutsrisiko, Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, Scheidungsrisiken, Vertrauensrisiken: Ökonomische Schocks haben beträchtliche Folgen für die Gesellschaft. Wie gehen politische Systeme damit um? Und vor allem: Welche Maßnahmen stellen sich als erfolgreich heraus?

    In einem vom European Research Council (ERC) finanzierten Forschungsprojekt hat das Team von Markus Gangl, Soziologieprofessor an der Goethe-Universität, in mehr als 30 Ländern gesellschaftliche Folgen der Finanzkrise von 2008/09 untersucht und festgestellt: Sie reichen von erhöhtem Armutsrisiko und schlechteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten über Trennungsrisiken, durchkreuzte Familienplanungen und geringere Bildungschancen der nächsten Generation bis hin zum Vertrauensverlust der Menschen in demokratische Prozesse.

    Ein Ergebnis der Studie: Je besser ausgebaut die sozialen Sicherungssysteme, desto geringer ist das Risiko, durch die Arbeitslosigkeit Armut zu erleiden. Länder mit langen Phasen sozialstaatlich engagierter Politik konnten die Folgen der Finanzkrise am besten abfedern; weniger geschützt war die Bevölkerung in den wirtschaftsliberalen angelsächsisch geprägten, aber auch den südeuropäischen Gesellschaften. In Südeuropa hatte die Finanzkrise zu einer jahrelangen Arbeitsmarktkrise geführt.

    In der Corona-Pandemie ist der wirtschaftliche Einbruch mindestens doppelt so schwer ausgefallen wie nach der Finanzkrise von 2008/2009. Dennoch ist es bislang vielen Ländern gelungen, den Arbeitsmarkt davon weitgehend zu entkoppeln. „Der schmerzhafte Lernprozess aus der Finanzkrise hat wohl dazu geführt, dass sich die europäischen Länder in der Pandemie zu einem deutlich entschlosseneren wirtschaftspolitischen Handeln entschieden haben als noch vor zehn Jahren. Und vor allem auch: dass sie gemeinsam in eine substanzielle europäische Sozialpolitik eingestiegen sind“, erklärt Markus Gangl.

    Einen neuralgischen Punkt in der Bewältigung der Pandemie sieht Gangl – auch im Vergleich mit seiner Studie – in der Situation der jungen Generation. Haben doch seine eigenen wie bereits frühere Studien ergeben, dass wirtschaftliche Krisen bei jungen Menschen zu einer „Reduktion des subjektiv empfundenen Möglichkeitsraums“ führen. „Es wird vielleicht die wichtigste gesellschaftspolitische Herausforderung sein“, so Gangl, „die Lebensperspektiven junger Menschen in den Blick zu nehmen und zu stärken.“

    Einen Überblick über die Studienergebnisse vermittelt Gangls Beitrag „Aus Krisen lernen“ in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Forschung Frankfurt der Goethe-Universität; die Ergebnisse im Einzelnen wurden in begutachteten internationalen Fachzeitschriften, unter anderem in American Sociological Review, der weltweit führenden Zeitschrift der Disziplin, veröffentlicht.

    Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
    Alle Beiträge sind online verfügbar unter: www.forschung-frankfurt.de

    Wissenschaftliche Publikationen
    Giustozzi, Carlotta, und Markus Gangl: Unemployment and political trust
    across 24 Western democracies: Evidence on a welfare state paradox, Acta
    Sociologica, 2021, https://doi.org/10.1177/00016993211008501

    Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl. 2021. Marriage and masculinity:
    Male‐breadwinner culture, unemployment, and separation risk in 29 countries.
    American Sociological Review 86 (3): 465-502.
    https://doi.org/10.1177/00031224211012442

    Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl: Regulated earnings security: The
    relationship between employment protection and unemployment scarring
    during the Great Recession, Socio-Economic Review, 2021,
    https://doi.org/10.1093/ser/mwaa049

    Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: Parental unemployment and the
    transition into tertiary education: Can institutions moderate the
    adverse effects?, Social Forces, 2020, Bd. 99, S. 616-647,
    https://doi.org/10.1093/sf/soz155

    Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: The intergenerational effects of
    unemployment: How parental unemployment affects educational transitions
    in Germany, Research in Social Stratification and Mobility, 2019, Bd.
    62, Art. 100410, https://doi.org/10.1016/j.rssm.2019.100410

    Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: Parental unemployment and the
    transition to vocational training in Germany: interaction of household
    and regional sources of disadvantage, European Sociological Review,
    2019, Bd. 35, S. 684-700, https://doi.org/10.1093/esr/jcz027


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Markus Gangl
    Institut für Soziologie
    Goethe-Universität
    mgangl@soz.uni-frankfurt.de
    www.corrode-project.org


    Originalpublikation:

    Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl. 2021. Marriage and masculinity:
    Male‐breadwinner culture, unemployment, and separation risk in 29 countries.
    American Sociological Review 86 (3): 465-502.
    https://doi.org/10.1177/00031224211012442

    und andere: siehe Pressemitteilung


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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