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08.04.2004 11:14

Weltweisheit - methodisch geordnet

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Zum 250. Todestag des Philosophen und Mathematikers Christian Wolff (1679-1754)

    Am 9. April vor 250 Jahren, im Jahre 1754, starb Christian Wolff, der bedeutendste deutsche Philosoph der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der in den Jahren 1702 bis 1706 auch an der Universität Leipzig wirkte.

    Christian Wolff wird am 24. Januar 1679 in Breslau geboren, studiert an der Universität Jena Theologie, Mathematik und Philosophie, legt gegen Ende 1702 in Leipzig das Magisterexamen ab und habilitiert mit einer Schrift über die Philosophia practica universalis mathematica methodo conscripta, in der er die praktische Philosophie durch die Anwendung der mathematischen Methode zu reformieren sucht. Von 1703 bis 1706 lehrt Wolff in Leipzig, predigt auch mit einigem Erfolg u.a. in der Nikolaikirche und hält Vorlesungen zur Mathematik, aber auch zur Theologie und Philosophie; daraus sollen seine allerdings viel später erschienenen Schriften wie die deutsche Logik und die deutsche Metaphysik hervorgegangen sein. Vor allen Dingen aber ist seine Leipziger Zeit durch die Beschäftigung mit der Mathematik geprägt; er diskutiert mit Tschirnhaus über die Infinitesimalrechnung, arbeitet an den berühmten Acta eruditorum Otto Menckes mit, der als Professor für Moralphilosophie und Politik nicht nur seine Habilitationsschrift zensiert, sondern seine mathematischen Arbeiten an Leibniz schickt, woraus sich der berühmte Briefwechsel zwischen Leibniz und Wolff ergibt, in dem Wolff sich sowohl in mathematischen als wohl auch in philosophischen Fragen von Leibniz belehren läßt, ohne dadurch seine Eigenständigkeit zu verlieren. Obwohl Wolff über Jahre in Leipzig lehrt, hat er hier - wie viele Privatdozenten heute auch - niemals eine Stelle oder ''würcklich locum in Facultate erhalten''. Denn er ist ''nicht so lange in Leipzig verblieben, bis sich eine Vacanz ereignet'', sondern ist, als die Schweden in Sachsen einfielen und ''aus Leipzig alles flüchtete und die studiosi weggingen'', erst nach Gießen gegangen, um dann Ende 1706 eine Professur zunächst für Mathematik in Halle anzutreten. Dort publiziert er die umfangreiche Reihe seiner philosophischen Schriften, von denen die Vernünftigen Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt als seine deutsche Metaphysik die bedeutendste ist. In Halle stand er nicht nur in Konkurrenz zum ebenfalls von Leipzig nach Halle gegangenen Christian Thomasius, sondern in ideologisch aufgeladener Auseinandersetzung mit Joachim Lange und anderen Vertretern der pietistischen Theologie, die es 1723 erreichten, dass ihn Friedrich Wilhelm I. unter (für den König) beschämenden Umständen seines Lehrstuhls enthob und aus Preußen auswies. Wolff ging ins hessische Marburg und kehrte 1740, von Friedrich II. kurz nach der Thronbesteigung zurückgerufen, im Triumph nach Halle zurück.

    In seinem umfangreichen Werk proklamiert Wolff einen am Vorbild der Mathematik orientierten Begriff der wissenschaftlichen Methode, die verlangt, ''alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzutun''. Dementsprechend entwirft er in seinem sowohl in deutscher als in lateinischer Fassung publizierten Werk ein geschlossenes System der Philosophie als Weltweisheit, in dem die Wissenschaften - von der Logik, Metaphysik und Theologie über die Psychologie und die Physik bis hin zur Ethik, Ökonomie und Politik - methodisch geordnet abgehandelt werden. Seine Bedeutung für die Geistes- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts ist kaum zu überschätzen; in der Mitte des Jahrhunderts sind die meisten Professuren an den deutschen Universitäten - auch in Leipzig - von Wolffianern besetzt, seine Philosophie wird in Frankreich von Voltaire rezipiert, beeinflußt die Encyclopédie von Diderot und d'Alembert und bestimmt die philosophische Diskussion in Nord- und Osteuropa, aber auch in Italien bis tief ins 19. Jahrhundert hinein. In Deutschland allerdings ist das Bild Wolffs durch die beherrschende Stellung der auch wolff-kritischen Philosophie Immanuel Kants für lange Zeit verdunkelt gewesen. Dies hat sich erst geändert, nachdem seit 1965 die - Regale füllende - Neuedition von Wolffs Gesammelten Werken duch Jean Ecole u.a. seine Schriften wieder neu greifbar gemacht hat; seitdem ist die Zahl der Publikationen zu und über Wolff sprunghaft angestiegen und die Forschung zu seiner Philosophie neu belebt worden. Davon wird auch der 1. Internationale Christian-Wolff-Kongreß Zeugnis ablegen, der gegenwärtig unter dem Titel Christian Wolff und die Europäische Aufklärung in Halle stattfindet.

    Jürgen Engfer


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Jürgen Engfer
    Telefon: 0341 97-35833
    E-Mail: engfer@rz.uni-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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