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21.01.2022 11:24

UNESCO-Welterbestätte Pestenacker: Erklärung für den Bau der jungsteinzeitlichen Siedlung geliefert

Susann Huster Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Ein Forscherteam hat eine mögliche Erklärung für den Bau der jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlung Pestenacker gefunden. Die Siedlung ist Teil des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Erhöhte Niederschlagswerte und verringerte Temperaturen führten vor etwa 5.500 Jahren paradoxerweise zur einer lokalen Trockenlegung des ehemals vermoorten Tales und ermöglichten somit der jungsteinzeitlichen Altheimer Kultur, diesen Raum bei Pestenacker zu besiedeln.

    Mithilfe besonderer Messmethoden gelang dem Team unter Leitung von Anne Köhler und Prof. Dr. Christoph Zielhofer, physische Geographen der Universität Leipzig, der Archäologin Dr. Stefanie Berg vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Geophysikerin Dr. Ulrike Werban, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, ein Blick in den oberflächennahen Untergrund des ehemals vermoorten Tals.

    Die Feuchtbodensiedlung im oberbayerischen Pestenacker ist Teil des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Die hervorragenden Konservierungsbedingungen durch den hohen Grundwasserspiegel ermöglichten eine bis heute anhaltende Erhaltung der Reste der ehemaligen Siedlung im Untergrund. Während über den Aufbau einzelner steinzeitlicher Häuser schon vieles bekannt war, fehlten bisher Kenntnisse über den Grund der Besiedlung des Moores durch die jungsteinzeitlichen Menschen.

    Beeindruckender Einblick in die Strukturen und den Aufbau der Sedimente

    Die geophysikalischen Untersuchungen vor Ort führten die Wissenschaftler:innen mit schonenden Erkundungstechniken durch, um die begrabenen, etwa 5.500 Jahre alten Holzstrukturen zu erhalten. Das Forscherteam verwendete deshalb unter anderem die sogenannte Direct-push-Technologie: Dabei wird eine dünne Sonde in den Boden gedrückt, während tiefengenau Farbwerte des Untergrundes aufgenommen werden. „Die Ergebnisse dieser Technologie geben einen beeindruckenden Einblick in die Strukturen und den Aufbau der Sedimente und ermöglichen dabei den Erhalt der empfindlichen archäologischen Holzbauten. Deshalb wird diese Methode in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Feuchtboden(geo)archäologie spielen“, sagt Anne Köhler, Doktorandin am Institut für Geographie.

    Aufbau der Sedimente hat sich grundlegend geändert

    Die Ergebnisse der Direct-push-Sondierungen lieferten in Kombination mit geoarchäologischen Bohrungen einen exakten Einblick in den oberflächennahen Untergrund des ehemals vermoorten Tales mit den begrabenen steinzeitlichen Siedlungsresten. Die Datierungen der einzelnen Schichten und geochemische Analysen konnten belegen, dass das Tal noch vor der Besiedlung durch ein ausgedehntes Moor gekennzeichnet war. Danach ändert sich der Aufbau der Sedimente grundlegend, die Torfbildung kam zum Erliegen. In diesem Übergangsbereich liegen die Überreste der jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlung Pestenacker.

    Ein Bach senkte Grundwasserspiegel – neue Erkenntnisse unterstützen die vorherige These nicht

    Die digitalen Aufarbeitungen der geoarchäologischen Aufzeichnungen der Altgrabungen zeigten einen grundlegenden Wechsel der Grundwassersituation im Talraum vor ca. 5.500 Jahren. Mit zunehmenden Niederschlägen und geringerer Verdunstung konnte sich im bisher vermoorten Tal bei Pestenacker ein kleiner Bach entwickeln. Dieser schnitt sich in die weichen Torfsedimente ein, senkte den Grundwasserspiegel und entwässerte somit die umliegenden Areale im Tal. „Diese neue Erkenntnis widerspricht der bisherigen These eines bestehenden Sees in unmittelbarer Umgebung der ehemaligen Siedlung“, erklärt Prof. Dr. Christoph Zielhofer. Die steinzeitlichen Siedler nutzten wahrscheinlich diesen Umstand und bauten ihre Häuser auf den jetzt trockengelegten Bereichen des Moores.

    Die Studie entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes „Direct-Push-Anwendungen in der Feuchtboden(geo)archäologie“.

    Originalpublikation in Quaternary Science Reviews:
    „A hydrological tipping point and onset of Neolithic wetland occupation in Pestenacker (Lech catchment, S Germany)“, DOI: 0.1016/j.quascirev.2022.107370


    Dr. Katarina Werneburg


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christoph Zielhofer
    Institut für Geographie
    Telefon: +49 341 97-32965
    E-Mail: zielhofer@uni-leipzig.de


    Weitere Informationen:

    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0277379122000014?via%3Dihub


    Bilder

    Sondierungen mit der Direct-Push-Technologie im Bereich der jungsteinzeitlichen Siedlung Pestenacker. Im Hintergrund werden bereits die ersten Ergebnisse analysiert.
    Sondierungen mit der Direct-Push-Technologie im Bereich der jungsteinzeitlichen Siedlung Pestenacker ...
    Foto: Christoph Zielhofer

    Nachbau eines jungsteinzeitlichen Hauses der Feuchtbodensiedlung Pestenacker, Teil des UNESCO Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“.
    Nachbau eines jungsteinzeitlichen Hauses der Feuchtbodensiedlung Pestenacker, Teil des UNESCO Welter ...
    Foto: Christoph Zielhofer


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Sondierungen mit der Direct-Push-Technologie im Bereich der jungsteinzeitlichen Siedlung Pestenacker. Im Hintergrund werden bereits die ersten Ergebnisse analysiert.


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    Nachbau eines jungsteinzeitlichen Hauses der Feuchtbodensiedlung Pestenacker, Teil des UNESCO Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“.


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