Kölner Wissenschaftler:innen zeigen, dass das Recyclingprogramm von Zellen, die Authophagie, bei der Wundheilung zur Verschmelzung mehrerer Einzelzellen zu mehrkernige Zelleinheiten führt / Veröffentlichung in „The EMBO Journal“
Ein Team um Professorin Dr. Maria Leptin hat im Tiermodell gezeigt, dass Autophagie, ein Mechanismus der Stressreaktionen in Zellen, eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielt: Wenn eine Wunde entsteht, wird der Prozess der Autophagie eingeleitet und von dem Proteinkomplex TORC1 reguliert. Dies ist eine neu entdeckte Funktion der Autophagie und der erste Nachweis, dass Autophagie die Bildung von Synzytien (mehrkernigen Zellen) außerhalb der Plazenta oder der Muskelentwicklung steuert. Dort war der Prozess schon in der Vergangenheit beobachtet worden. Der Artikel „Autophagy-mediated plasma membrane removal promotes the formation of epithelial syncytia“ wurde in The EMBO Journal veröffentlicht.
Autophagie ist ein zelluläres Recyclingsystem, das von der Hefe bis zum Menschen evolutionär erhalten geblieben ist. Autophagische Vesikel, also kleine Bläschen innerhalb der Zelle, erkennen, verschlingen und verdauen Eindringlinge wie Bakterien und Viren oder zelleigenes Material wie angesammelte Eiweißklumpen. Das Material wird recycelt und versorgt die Zelle so unter Stressbedingungen mit Rohstoffen. Während des Alterns, einer Infektion oder einer Krankheit, wenn die ordnungsgemäße Funktion der Zellen nachlässt und sich schädliche Produkte in den Organen ansammeln, trägt die Autophagie-Funktion wesentlich dazu bei, wieder gesund zu werden. Eine Funktionsstörung der Autophagie erhöht im Gegenzug das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sowie für Krebs und Infektionen.
In der neuen Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen des Exzellenzclusters für Alternsforschung CECAD, des Zentrums für Molekulare Medizin Köln (CMMC), des Instituts für Genetik der Universität zu Köln und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg die Funktion der Autophagie bei der Wundheilung sowie in der gesunden und unverletzten Epidermis (Haut) der Taufliege Drosophila melanogaster. In dem hier erforschten Prozess wurden also durch Autophagie nicht Viren oder Bakterien verdaut, sondern die eigene Zellmembran, sodass die Grenzen zwischen Zellen nicht mehr bestehen und eine große Zelle mit mehreren Zellkernen entsteht.
Das Team beobachtete, dass Autophagie in den Zellen, die die Wunde umgeben, erhöht ist. Das führt zu einem selektiven Abbau der Membranen, die die Zellen miteinander verbinden. Schließlich entsteht eine große, mehrkernige Zelle (Synzytium). „Als wir die Autophagie in gesunder, unverletzter Haut genetisch auslösten, beobachteten wir wiederum dasselbe Phänomen: die Membran zwischen den benachbarten Zellen geht verloren und es bilden sich in der gesamten Epidermis große Flecken von vielkernigen Synzytien“, sagt Dr. Parisa Kakanj, Erstautorin der Studie. „Es ist überraschend, dass die Bildung von Synzytien, die wir bereits bei der Entstehung einiger Organe,(wie Muskenl oder Plazenta kennen), auch bei der Wundheilung auftritt. Die Rolle der Autophagie dabei könnte auch für unser Verständnis von Krankheitsmechanismen von Bedeutung sein, da multinukleare Zellen auch in Tumoren und infiziertem Gewebe vorkommen.“
In Studien über die Entwicklung von Muskeln und der Bildung der Plazenta führt die Bildung eines Synzytiums zu mechanischer Stabilität, bietet eine starke Barrierefunktion zum Schutz des Gewebes vor Krankheitserregern und die Fähigkeit größere Krankheitserreger oder Zellabfall zu verdauen. Ob der Prozess bei der Wundheilung ähnliche Funktionen erfüllt, ist noch nicht klar. Dies wird Gegenstand künftiger Untersuchungen sein.
Die Forscher:innen beobachteten darüber hinaus eine Interaktion der autophagischen Vesikel mit der seitlichen Plasmamembran der Zelle in der gesunden, unverwundeten Epidermis sowie in den Zellen, die die Wunde umgeben. Dabei ist eine ordnungsgemäße Funktion des TORC1-Proteinkomplexes, der eine zentrale Steuerungsfunktion im Zellmetabolismus hat, und hier auch die Autophagie kontrolliert, entscheidend, um die Zerstörung der Epidermis durch Autophagie zu verhindern. Aufgrund dieser und anderer Beobachtungen nimmt das Team an, dass die seitliche Plasmamembran eine potenzielle Quelle für die autophagischen Vesikel darstellt. „Die Autophagie ist ein zweischneidiges Schwert, deren genaues Ausmaß und räumlich-zeitliche Aktivität darüber entscheidet, ob sie nützlich oder problematisch wird“, sagt Professorin Dr. Maria Leptin. Daher ist es umso wichtiger zu verstehen, wie die Autophagie aktiviert wird und wie autophagische Vesikel entstehen und wirken, um die vorteilhafte Seite der Autophagie für Prävention und Therapie nutzen zu können.
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Parisa Kakanj
Institut für Genetik der Universität zu Köln
+49 221 470 3528
pkakanj@uni-koeln.de
Professorin Dr. Maria Leptin
Institut für Genetik der Universität zu Köln
+49 221 470 3401
mleptin@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Dr. Anna Euteneuer
+49 221 478 84043
anna.euteneuer@uni-koeln.de
Veröffentlichung:
https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/embj.2021109992
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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