Medikamente gegen Herzerkrankungen: Viele nehmen sie, doch kaum jemand weiß, wie sie wirken. Deren „Hebel“ sind meist die Ionenkanäle. Diese steuern nicht nur Zahl und Länge der Herzschläge, sondern auch die Schlagkraft. Ist die Funktion der Kanäle beeinträchtigt, kann es zu Herzerkrankungen kommen. Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Guiscard Seebohm von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, der mit seiner internationalen Arbeitsgruppe nun einen möglichen Therapieansatz für Ionenkanalerkrankungen entwickelt hat. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Communications Biology“ veröffentlicht.
Viele nehmen sie, doch kaum jemand weiß, wie sie wirken – und was sie im Körper auslösen. Die Rede ist von Medikamenten gegen Herzerkrankungen. Deren „Hebel“ sind meist die Ionenkanäle, denn über die steuert der menschliche Organismus die Zahl und Länge der Herzschläge, aber auch die Schlagkraft. Ist die Funktion der Kanäle beeinträchtigt, kann es neben anderen Erkrankungen auch zu Problemen am Herzen kommen. Um möglichst präzise herzwirksame Medikamente zu entwickeln, bedarf es genauer Kenntnisse über die Wirkweise auf molekularer Ebene – weshalb Prof. Dr. Guiscard Seebohm von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster schon seit Jahren auf diesem Gebiet forscht. Mit seiner internationalen Arbeitsgruppe hat er nun im Fachmagazin Communications Biology einen möglichen Therapieansatz für Ionenkanalerkrankungen beschrieben. Dieser basiert auf einer gezielten Korrektur der zugrundeliegenden Ionenkanalfehlfunktion.
Ionenkanäle, die nicht so arbeiten, wie von der Natur vorgesehen, verursachen laut Guiscard Seebohm eine ganze Reihe von potenziell tödlichen Erkrankungen. „Da verwundert es nicht, dass etwa die Hälfte aller Medikamente direkt oder indirekt über die Ionenkanäle wirksam sind“, erläutert der Leiter der Abteilung für Zelluläre Elektrophysiologie und Molekularbiologie am Institut für Genetik von Herzerkrankungen. Die Kanäle kontrollieren zum Beispiel den Fluss von Natrium- und Calciumionen ins Zellinnere und den Austritt von Kaliumionen aus Herzmuskelzellen. Diese Ionenverschiebungen erzeugen, vereinfacht gesagt, eine Differenz zwischen dem „Drinnen“ und dem „Draußen“ und ermöglichen es dem Herzen, seine Pumparbeit auszuführen. Viele herzwirksame Medikamente funktionieren dadurch, dass sie direkt an diese Ionenkanäle andocken und dadurch deren räumliche Form und somit ihre Funktion beeinflussen.
Bei der Entwicklung von derartigen Ionenkanal-wirksamen Medikamenten ergibt allerdings ein großes Problem: Zwar lässt sich die Funktionsveränderung des Ionenkanals durch das Molekül nachweisen, doch sind die dafür verantwortlichen Mechanismen bislang nur sehr eingeschränkt vorhersagbar. „Ein detailliertes Verständnis auf atomarer Ebene würde nicht nur die gezieltere Entwicklung wirksamer Medikamente ermöglichen“, betont Guiscard Seebohm. „Es könnte zugleich dabei helfen, unerwünschte Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.“
Im Zentrum der Forschungen seiner Arbeitsgruppe steht ein Molekül aus der Gruppe der Benzodiazepine, das sich an den Kaliumionenkanal Kv7.1/KCNE1 bindet und dessen Funktion erhöht. Fachleute sprechen von einem Aktivator. „Der Nutzen des von uns untersuchten Moleküls lässt sich mit einem Bild veranschaulichen: Es hält die Kanäle offen – ähnlich einem Keil, der verhindert, das eine geöffnete Tür wieder zufällt“, sagt Guiscard Seebohm. Eine solche Substanz, die einen Kanal stimuliert, könnte sich als Medikament gegen Herzrhythmusstörungen eignen. Allerdings, betont Dr. Julian Schreiber, Erstautor der publizierten Studie: „Derartige Medikamente bergen immer auch die Gefahr, selbst Herzrhythmusstörungen zu fördern – daher ist es wichtig, ganz genau zu verstehen, wie der Medikamentenkandidat seine Wirkung auf den Ionenkanal erzielt. Unsere Arbeit hilft, Nebenwirkungen zu reduzieren“.
Die Gruppe um Guiscard Seebohm griff neben molekularbiologischen Methoden auf komplexe Computersimulationen zurück. „Unsere Ergebnisse erweitern das molekulare Verständnis und liefern eine solide Basis für die computergestützte Medikamentenentwicklung“, resümiert Guiscard Seebohm. Kooperiert hat der Molekularbiologe mit Forscherinnen und Forschern der WWU-Graduiertenschule Chembion, aus Düsseldorf und den USA.
Prof. Dr. Guiscard Seebohm
Institut für Genetik von Herzerkrankungen (IfGH) an der WWU Münster
Abteilungsleiter Zelluläre Elektrophysiologie und Molekulabiologie
T: +49 (0)251/83-58255
E-Mail: guiscard.seebohm@ukmuenster.de
Schreiber, J.A., Möller, M., Zaydman, M. et al. A benzodiazepine activator locks Kv7.1 channels open by electro-mechanical uncoupling. Commun Biol 5, 301 (2022). DOI: 10.1038/s42003-022-03229-8
https://www.medizin.uni-muenster.de/ifgh/abteilung-zellulaere-elektrophysiologie... Abteilung Zelluläre Elektrophysiologie und Molekulabiologie
Prof. Dr. Guiscard Seebohm zeigt ein 3D-Modell des Ionenkanals Kv7.1/KCNE1.
M. Heine
WWU - M. Heine
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).