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25.11.1998 18:03

Iren sind Geschichtenerzähler

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Prof. Dr. Patricia Lysaght von der Universität Dublik/Irland lehrt im Wintersemester als Gastprofessorin am Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Universität Münster.

    Sie kommt daher, wo Irland noch am ursprünglichsten ist, aus dem Westen der Insel. Sie trägt den Namen des irischen Schutzheiligen St. Patrick, und mit ihrem rötlichen Haar und grünen Augen sieht sie aus, wie man sich eine Irin eben vorstellt: Prof. Dr. Patricia Lysaght repräsentiert ein sehr lebendiges Stück Irland. Als Gastdozentin am Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Westfälischen Wilhelms-Universität gibt sie im laufenden Wintersemester den münsterschen Studierenden Gelegenheit, Geschichte, Sprache und Kultur ihrer Heimat näher kennenzulernen.

    Daß die hauptamtlich am University College Dublin tätige Professorin trotz guter deutscher Sprachkenntnisse in ihren Lehrveranstaltungen überwiegend englisch spricht, hat die münsterschen Studierenden keineswegs abgeschreckt. Im Gegenteil: "Einige sagten mir, sie kämen in die Vorlesung, gerade weil ich sie in Englisch abhalte. Sie haben keine Probleme, dem Stoff zu folgen." Dazu trägt sicher auch bei, daß Prof. Lysaght verschiedene Medien wie Dias oder Musik- und Videoeinspielungen in der Lehre einsetzt. Selbst Studierende, die nach eigenem Bekunden noch nie einen Fuß auf die grüne Insel gesetzt haben, entwickeln durch diese Art der Präsentation ein ausgeprägtes Interesse für gälische Handschriften aus dem Frühmittelalter oder für die Grammatik des Altirischen.

    Eine Erklärung für die Faszination, die Irland nicht nur auf Deutsche, sondern auch auf Angehörige anderer Nationalitäten ausübt, sieht Prof. Lysaght in dem starken Geschichtsbewußtsein der Iren, bei dem sich Mythos und Realität leicht vermischen. Daß Geschichte eine so große Rolle im Alltagsleben der Iren spiele, sei bedeutsam gewesen für die Abgrenzung gegenüber Großbritannien und die Gründung der Republik Irland im Jahr 1922. Prof. Lysaghts Credo lautet: Erst das Bewußtsein der eigenen Identität macht es möglich, auf den anderen zuzugehen, ihn als gleichwertig anzuerkennen und wertzuschätzen.

    Die irische Wissenschaftlerin stammt aus der Grafschaft Clare im Westen der Insel. In welcher Weise die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Natur die an der Küste und auf den vorgelagerten Inseln lebenden Menschen geprägt hat, ist Thema eines ihrer Seminare in Münster. Gemeinsam mit den Studierenden liest sie Texte, in denen die Fischer zu Beginn dieses Jahrhunderts ihr einfaches Leben beschrieben haben. "Wir reden viel, wir schreiben viel. Und die Imagination ist für uns sehr wichtig", charakterisiert sie die irische Volksseele. "Außerdem sind wir neugierig und enthusiastisch." Das Geschichtenerzählen ist nicht den Schriftstellern vorbehalten, jeder praktiziert es. So nimmt es kaum Wunder, daß ein Land mit nur fünf Millionen Einwohnern auffällig viele herausragende Dichter hervorgebracht hat.

    Neugierde und Begeisterungsfähigkeit waren es auch, die Patricia Lysaght vor zehn Jahren als Humboldt-Stipendiatin das erste Mal nach Münster führten. Weitere Aufenthalte folgten. "Mit einigen Westfalen habe ich sozusagen schon den berühmten Sack Salz gegessen," sagt sie. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit und als Vorsitzende der Internationalen Kommission für ethnologische Ernährungsforschung und Mitglied diverser anderer wissenschaftlicher Gesellschaften hat die Irin schon fast jedes europäische Land bereist. Selbst aus der westlichsten Region Europas stammend, setzt sie sich dafür ein, daß Staaten in Randlage die Gelegenheit erhalten, ihr kulturelles Erbe ebenfalls in die europäische Waagschale zu werfen.

    Der persönliche Kontakt der Menschen, so eine weitere Überzeugung der Ethnologin, ist dabei das Entscheidende. In diesem Punkt stellt sie dem münsterschen Seminar für Volkskunde ein ausgezeichnetes Zeugnis aus: "Der Geist der Verbundenheit mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in ganz Europa ist hier deutlich zu spüren." Ein gemeinsames Projekt der volkskundlichen Institute in Dublin und Münster zur Ernährungsforschung läuft bereits seit Jahren. Volksfrömmigkeit und Totenbräuche sind weitere Schwerpunkte ihrer Forschungstätigkeit, bei denen sie künftig noch enger mit den münsterschen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten wird.


    Bilder

    Prof. Dr. Patricia Lysaght aus Irland
    Prof. Dr. Patricia Lysaght aus Irland

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Patricia Lysaght aus Irland


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