Weniger ist mehr: Enthalten Tabletten aus Papier das Schmerzmittel Indomethacin in hoher Konzentration, so kristallisiert der Wirkstoff stärker aus, als wenn wenig Indomethacin vorliegt; das hat eine Marburger Forschungsgruppe aus Physik und Pharmazie herausgefunden, indem sie Terahertz-Strahlen einsetzte, um den Grad der Kristallisation zu ermitteln. Die Art der Kristallisation beeinflusst, wie gut der Körper das Medikament aufnehmen kann. Die Forschungsgruppe berichtet im Wissenschaftsmagazin „Scientific Reports“ über ihre Ergebnisse.
Auch das beste Medikament hilft nicht, wenn es nicht an seinem Zielort im Körper ankommt. „Die Fähigkeit des Körpers, pharmazeutische Substanzen aufzunehmen, hängt unter anderem davon ab, in welcher Form deren Moleküle vorliegen“, sagt die Marburger Pharmazieprofessorin Dr. Cornelia Keck, eine Mitverfasserin des Fachaufsatzes.
So liegen Medikamente in Tablettenform häufig als kristalline Strukturen vor, die eine dicht gepackte und relativ stabile Anordnung aufweisen, wie Koautorin Lara Heidrich erläutert: „Durch die stabilen Kristallgitter lösen sich entsprechende Substanzen meist wenig in Wasser und können daher nur unzureichend vom menschlichen Körper über den Verdauungstrakt aufgenommen werden.“
Die Forschungsgruppe widmete sich dem Arzneimittel Indomethacin, das meist gegen Schmerzen und Entzündung bei Rheuma eingesetzt wird. Das Medikament liegt normalerweise in einer bestimmten Kristallform vor, es gibt jedoch weitere Formen, die eine bessere Wasserlöslichkeit aufweisen.
Kecks Arbeitsgruppe hat Tabletten aus Papier entwickelt, um die Aufnahme von schwerlöslichen Arzneimitteln in den Körper zu verbessern. Um festzustellen, welche Form die Wirkstoffe auf dem Papierträger annehmen – kristallin oder amorph –, tat sich die Pharmazeutin mit der Arbeitsgruppe des Marburger Physikers Professor Dr. Martin Koch zusammen, der über eine geeignete Analysemethode verfügt: „Wir verwenden Terahertz-Spektroskopie, um den kristallinen Zustand von Indomethacin in Papiertabletten zu bewerten“, erläutert Koch.
Terahertz-(THz) Strahlen liegen im elektromagnetischen Spektrum zwischen Mikrowellen und infrarotem Licht. „Sie können als eine sanfte Wärmestrahlung angesehen werden“, erklärt der Physiker Professor Dr. Enrique Castro‑Camus, der die Forschungsarbeiten in Kochs Labor leitete. „THz-Strahlen durchdringen viele Materialien, ohne diese zu beschädigen.“ Dadurch ließen sich Strukturen aufdecken, die für sichtbares Licht verborgen blieben.
„Wir fanden heraus, dass Indomethacin bei niedrigen Konzentrationen vermehrt in amorphem Zustand vorliegt“, berichtet Erstautor Jan Ornik, der seine Doktorarbeit in Kochs Labor anfertigt. „Wenn die Konzentration erhöht wird, rekristallisiert Indomethacin als α-Form.“ Bei höheren Konzentrationen nehme die Menge der amorphen Form in den Papiertabletten ab; „der als α-Form rekristallisierte Wirkstoff weist immer noch bessere Wasserlöslichkeit als die meistverwendete γ-Form auf.“
„Das Verfahren der Terahertz-Zeitbereichsspektroskopie ermöglicht es, zerstörungsfrei zu überprüfen, ob pharmazeutische Wirkstoffe eine kristalline oder amorphe Form annehmen“, fasst Koch zusammen; „unsere Ergebnisse zeigen daher auch, dass die Terahertz-Technologie sich hervorragend zur Qualitätskontrolle für Arzneimittel eignet.“
Professor Dr. Martin Koch lehrt Physik an der Philipps Universität Marburg und leitet die Arbeitsgruppe Halbleiterphotonik am Fachbereich Physik. Professor Dr. Enrique Castro-Camus ist Gastprofessor in der Arbeitsgruppe Halbleiterphotonik. Professorin Dr. Cornelia M. Keck leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Pharmazeutische Technologie & Biopharmazie.
Die Forschungsarbeiten wurden durch eine UMR 2027-Projektförderung der Philipps Universität Marburg, ein Flexifond-Projekt des Forschungscampus Mittelhessen sowie durch ein Forschungsstipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung an Enrique Castro-Camus unterstützt.
Originalveröffentlichung: Jan Ornik & al.: Non‑destructive crystallinity assessment of indomethacin in tablets made from smartFilms® using terahertz time‑domain spectroscopy, Scientific Reports 2022, DOI: 10.1038/s41598-022-10041-1
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Martin Koch
Experimentelle Halbleiterphysik
Tel.: 06421 28-22270
E-Mail: martin.koch@physik.uni-marburg.de
Der Marburger Physiker Jan Ornik und seine Kollegin Lara Heidrich nutzen Terahertz-Spektroskopie, um ...
Foto: Martin Koch
Das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Der Marburger Physiker Jan Ornik und seine Kollegin Lara Heidrich nutzen Terahertz-Spektroskopie, um ...
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