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19.05.2022 11:30

Wie Eiswolken entstehen – asiatischer Monsun beeinflusst weite Teile der Nordhalbkugel

Dr. Markus Bernards Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Atmosphärenforscher:innen des internationalen Verbunds CLOUD haben einen Mechanismus entdeckt, der in der oberen Troposphäre Keime für Eiswolken entstehen und rasch wachsen lässt. Die Entdeckung beruht auf Wolkenkammer-Experimenten, an denen ein Team der Goethe-Universität Frankfurt mit hochspezialisierten Messungen beteiligt war. Obwohl die Bedingungen für die Keimbildung nur in der asiatischen Monsunregion erfüllt sind, hat der Mechanismus Auswirkungen auf die Bewölkung über weiten Bereichen der Nordhalbkugel (Nature DOI 10.1038/s41586-022-04605-4)

    FRANKFURT. Der asiatische Monsun befördert gewaltige Mengen Luft von erdnahen Schichten der Atmosphäre bis in rund 15 Kilometer Höhe. Wie in einem riesigen Fahrstuhl gelangen so auch Luftschadstoffe, die durch menschliche Aktivitäten entstehen, in die obere Troposphäre. Ein Wissenschaftsteam des CLOUD-Konsortiums ((Cosmics Leaving Outdoor Droplets), darunter Atmosphärenforscherinnen und Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt, haben die dort herrschenden Bedingungen in ihrer Experimentierkammer am Teilchenbeschleunigerzentrum CERN in Genf nachgestellt, einschließlich der kosmischen Höhenstrahlung.

    Dabei fanden sie heraus, dass sich aus Ammoniak, Salpetersäure und Schwefelsäure bis zu 100-mal mehr Aerosol-Partikel bilden als bei Anwesenheit von lediglich zwei dieser Substanzen. Diese Partikel stehen dann einerseits als Kondensationskeime für flüssige Wassertröpfchen in Wolken zur Verfügung, andererseits als feste Keime für reine Eiswolken, die in der Fachsprache als Zirren bezeichnet werden. Außerdem stellte das Wissenschaftsteam fest, dass sich mit den Drei-Komponenten-Partikeln Eiswolken schon bei einer geringeren Wasserdampf-Übersättigung bilden als bisher erwartet. Das heißt, die Eiswolken entstehen bereits unter Bedingungen, von denen die Atmosphärenforscher:innen weltweit bisher annahmen, dass sie nicht zur Zirrenbildung führen. Mit globalen Modellrechnungen zeige das CLOUD-Forschungsteam weiterhin, dass sich die Wolkenkeime innerhalb von wenigen Tagen über große Teile der Nordhalbkugel verteilen können.

    „Das Experiment in der CLOUD-Kammer war eine Reaktion auf die Ergebnisse von Messkampagnen über Asien. Diese Kampagnen haben gezeigt, dass dort während des Monsuns in der oberen Troposphäre Ammoniak vorhanden ist“, erläutert Prof. Joachim Curtius von der Goethe-Universität. „Zuvor hatte man immer angenommen, dass Ammoniak auf Grund seiner Wasserlöslichkeit aus den aufsteigenden Luftmassen ausgespült wird, bevor er die obere Troposphäre erreicht.“ Wie nun das Experiment der CLOUD-Forscher belegt, ist der Ammoniak eine entscheidende Zutat für eine verstärkte Wolkenbildung. Die Ammoniak-Emissionen in Asien stammen überwiegend aus der Landwirtschaft.

    Der internationale Forschungsverbund CLOUD besteht aus Teams, die von 21 Forschungseinrichtungen entsendet werden. Bei dem Experiment, dessen Ergebnisse das Forschungsteam in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature vorstellt, waren die Wissenschaftler:innen um Curtius für die massenspektrometrische Messung der Schwefelsäure-Konzentration verantwortlich. Diese Konzentration veränderte sich im Laufe des Experimentes, war aber wie in der oberen Troposphäre immer sehr gering: Einem einzigen Schwefelsäure-Molekül stehen mehr als eine Billion anderer Gasmoleküle gegenüber. „Solche Messungen bedürfen neben den besten Messgeräten einer hochspezialisierten Expertise. Daher benötigt man zur Durchführung eines solchen Experimentes Teams mit sich ergänzenden Kompetenzen“, erläutert Curtius, der Mitglied im CLOUD-Steuerungsausschuss ist und Koordinator des gerade erfolgreich beendeten EU-Projekts CLOUD-MOTION war. Die Schwefelsäure bildet sich in der CLOUD-Kammer wie in der Atmosphäre aus Schwefeldioxid und Hydroxyl-Radikalen.

    Wolken sind ein wichtiges und zugleich noch unzureichend verstandenes Element im globalen Klimageschehen. Je nachdem, ob sie hoch oder niedrig schweben, wie groß ihr Wasser- oder Eisgehalt ist, wie dick sie sind oder über welcher Erdregion sie sich bilden, wird es unter ihnen wärmer oder kühler. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit benötigen genaue Kenntnis aller Vorgänge rund um den Klimafaktor Wolken, damit sie die Präzision von Klimamodellen verbessern können. Die Erkenntnisse des CLOUD-Forschungsteams bringen sie auf dem Weg zu immer verlässlicheren Klimavorhersagen ein gutes Stück voran.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Joachim Curtius
    Institut für Atmosphäre und Umwelt
    Goethe-Universität Frankfurt
    Tel. +49 (0)69 798-40258
    curtius@iau.uni-frankfurt.de


    Originalpublikation:

    Mingyi Wang et al., Synergistic HNO3 H2SO4 NH3 upper trophospheric particle formation. Nature https://www.nature.com/articles/s41586-022-04605-4 DOI 10.1038/s41586-022-04605-4


    Bilder

    Luftschadstoffe bilden die Kondensationskeime für Eiswolken oder Zirren (hier: Cirrus spissatus). Wenn Ammoniak, Salpetersäure und Schwefelsäure gemeinsam vorhanden sind, bilden sie solche Kondensationskeime besonders effektiv.
    Luftschadstoffe bilden die Kondensationskeime für Eiswolken oder Zirren (hier: Cirrus spissatus). We ...
    Joachim Curtius
    Goethe-Universität Frankfurt


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler
    Chemie, Meer / Klima, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Luftschadstoffe bilden die Kondensationskeime für Eiswolken oder Zirren (hier: Cirrus spissatus). Wenn Ammoniak, Salpetersäure und Schwefelsäure gemeinsam vorhanden sind, bilden sie solche Kondensationskeime besonders effektiv.


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