idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.06.2022 10:00

Wie Mondlicht die Fortpflanzung von Tieren beeinflusst

Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Wissenschafter*innen liefern Erklärung für das Phänomen, dass Tagesrhythmen – von Fliegen bis zum Menschen – vom 24-Stunden Rhythmus abweichen können

    Tiere besitzen innere Uhren zur Steuerung ihres Verhaltens. Zirkadiane Uhren, oder 24-Stunden-Oszillatoren, orientieren sich typischerweise an abwechselnden Perioden von Sonnenlicht und Dunkelheit. Viele Tiere sind in ihrer natürlichen Umgebung allerdings auch Mondlicht ausgesetzt, das mit etwa 25-stündiger Frequenz wiederkehrt. Die Forschungsgruppen von Florian Raible an den Max Perutz Labs, ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, und Kristin Tessmar Raible (Max Perutz Labs, Alfred-Wegener-Institut, Universität Oldenburg) haben nun herausgefunden, dass das Mondlicht auch den Tagesrhythmus von Borstenwürmern steuert. Dies hilft den Tieren, ihren Fortpflanzungszyklus auf bestimmte Stunden in der Nacht abzustimmen. Die Studie in der Zeitschrift PNAS liefert eine Erklärung für das Phänomen, dass Tagesrhythmen – von Fliegen bis zum Menschen – vom 24-Stunden Rhythmus abweichen können.

    Bei der Fortpflanzung setzt der Meeresborstenwurm Platynereis dumerilii seine Eier und Spermien ungeschützt in das offene Meer frei. Das richtige Timing ihrer Fortpflanzungszyklen ist daher entscheidend für das Überleben der Würmer. Bisher war bekannt, dass Borstenwürmer ihre Fortpflanzung auf wenige Tage im Monat abstimmen. Jetzt haben die Forschenden herausgefunden, dass die Würmer sich auch in bestimmten Stunden in der Nacht vermehren. "Wir können zeigen, dass das Mondlicht kontrolliert, wann genau in der Nacht die Würmer ihr Fortpflanzungsverhalten beginnen, nämlich immer in der dunkelsten Phase", erklärt Erstautor Martin Zurl. Das Mondlicht fungiert dabei nicht als der direkte Auslöser des Paarungsverhaltens, sondern verändert die Periodenlänge der zirkadianen Uhr. In der Natur ändert sich der Zeitpunkt des Mondlichts im Schnitt täglich um etwa 50 Minuten. Die Plastizität ihrer Uhr ermöglicht es den Würmern, diese Veränderungen einzuberechnen.

    In einer Kooperation mit den Laboren von Robert Lucas an der University of Manchester (UK) und Eva Wolf am Institut für Molekularbiologie Mainz (IMB, Deutschland), konnten die Forschenden die an diesem Prozess beteiligten Lichtrezeptoren charakterisieren. Sie entdeckten, dass die kombinierte Wirkung eines Opsins – verwandt mit dem zirkadianen Photorezeptor Melanopsin der Säuger – und eines sogenannten Chryptochroms Mond- und Sonnenlicht dekodieren kann, um die plastische innere Uhr korrekt einzustellen. In Zusammenarbeit mit dem Labor von Charlotte Helfrich-Förster an der Universität Würzburg (Deutschland) konnten das Team außerdem zeigen, dass die korrekte Dekodierung von Mondlicht auch für die zirkadiane Uhr anderer Tierarten relevant ist.

    Der Einfluss der Lichtintensität auf die Periodenlänge der zirkadianen Uhr ist für verschiedene Organismen unter künstlichen Laborbedingungen seit Jahrzehnten dokumentiert. Die physiologische Bedeutung dieser Schwankungen war jedoch bisher unklar. "Unsere Arbeit zeigt, dass hinter der Beobachtung, dass die zirkadiane Uhr eines Individuums unterschiedlich schnell laufen kann, eine öko-logische Bedeutung steckt", erklärt Kristin Tessmar-Raible. Bemerkenswert ist, dass auch der Mensch eine solche zirkadiane Plastizität aufweist. So zeigen Patient*innen mit bipolarer Störung rätselhafte circalunidiane (d.h. 24,8h) Perioden, die mit ihren Stimmungsschwankungen korrelieren. Die Wissenschafter*innen hoffen, dass ihre Arbeit dazu beitragen wird, den Ursprung und die Folgen der biologischen zeitlichen Plastizität sowie ihr Zusammenspiel mit natürlichen Zeitgebern zu verstehen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Univ.-Prof. Dr. Kristin Teßmar-Raible
    Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik, Max Perutz Labs
    Dr.-Bohr-Gasse 9, 1030 Wien
    T +43-1-4277-74635
    kristin.tessmar-raible@univie.ac.at
    www.maxperutzlabs.ac.at
    www.univie.ac.at

    Assoz. Prof. Dr. Florian Raible
    Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik, Max Perutz Labs
    Dr.-Bohr-Gasse 9, 1030 Wien
    T +43-1-4277-54616
    florian.raible@univie.ac.at
    www.maxperutzlabs.ac.at
    www.univie.ac.at


    Originalpublikation:

    Originalpublikation:
    Martin Zurl, Birgit Poehn, Dirk Rieger, Shruthi Krishnan, Dunja Rokvic, Vinoth Babu Veedin Rajan, Elliot Gerrard, Matthias Schlichting, Lukas Orel, Aida Ćorić, Robert J. Lucas, Eva Wolf, Charlotte Helfrich-Förster, Florian Raible,and Kristin Tessmar-Raible: Two light sensors decode moonlight versus sun-light to adjust a plastic circadian/circalunidian clock to moon phase. Pro-ceedings of the National Academy of Sciences 2022
    DOI: 10.1073/pnas.2115725119


    Bilder

    Meeresborstenwürmer beim Laichen
    Meeresborstenwürmer beim Laichen

    (© Florian Raible Universität Wien)


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Medizin, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Meeresborstenwürmer beim Laichen


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).