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12.10.2022 12:40

Studie zu Quoten in Führungspositionen: Regelungen zugunsten von Frauen und Nicht-Akademikern werden präferiert

Christine Xuan Müller Stabsstelle Presse und Kommunikation
Freie Universität Berlin

    Zur Beseitigung von Ungleichheit wird gesellschaftlich über die Einführung von Quoten zugunsten unterrepräsentierter Gruppen bei Auswahlverfahren für Führungspositionen oder für öffentliche Ämter diskutiert. Eine aktuell in der Fachzeitschrift "Journal of European Public Policy" erschienene Studie der Makrosoziologin Céline Teney von der Freien Universität Berlin kommt dabei zu dem Ergebnis, dass in der deutschen Bevölkerung vor allem eine Regelung zur Bevorzugung von Frauen und von Personen mit nicht-akademischen Hintergrund Unterstützung findet.

    Weniger befürwortet wird hingegen eine solche positive Diskriminierungsmaßnahme für gebürtige Ostdeutsche sowie für Personen mit Migrationshintergrund.

    Quoten bei der Stellenbesetzung gelten als ein Beispiel für eine "Positive Diskriminierungsmaßnahme". Eine positive Diskriminierungsmaßnahme bedeutet dabei, dass Angehörige unterrepräsentierter Gruppen bei gleicher Qualifikation in Auswahlverfahren gegenüber anderen bevorzugt werden. "Neben Frauen, LGTBIQ-Personen (die aus dem englischsprachigen Raum übernommene Abkürzung steht für lesbisch, schwul, transgender, bisexuell, intergeschlechtlich, queer) und Personen mit Migrationshintergrund haben zwei weitere unterrepräsentierte Gruppen in der deutschen Debatte an Aufmerksamkeit gewonnen - nämlich Personen, die in der ehemaligen DDR geboren wurden und mehr als dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung in Schlüsselpositionen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche immer noch weitgehend unterrepräsentiert sind", sagt Prof. Dr. Céline Teney. Die zweite Gruppe seien Personen mit nicht-akademischem Hintergrund, das heißt mit Eltern ohne Hochschulabschluss. Auch diese seien in Führungspositionen unterrepräsentiert, da die soziale Herkunft eine besonders wichtige Determinante für den Bildungs- und Berufserfolg in Deutschland sei.
    Gemeinsam mit dem Umfrageinstitut YouGov haben Céline Teney und ihr Team die Frage untersucht, wie groß die öffentliche Unterstützung für solche positiven Diskriminierungsmaßnahmen in Führungspositionen für verschiedene unterrepräsentierte Gruppen ist? In der Umfrage wurden im Juli 2021 insgesamt 2.676 erwerbstätige Personen online befragt.

    Dabei fanden positive Diskriminierungsmaßnahmen, die sich an Frauen und Personen aus einem nicht-akademischen Haushalt richten, deutlich mehr Unterstützung (durchschnittlich 5,5 auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten) als solche, die sich an Personen mit Migrationshintergrund oder gebürtige Ostdeutsche richten (durchschnittlich etwa 4,3 auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten). "Dieser Befund unterstreicht, dass Personen aus einem Nicht-Akademikerhaushalt eine wichtige soziale Kategorie in Deutschland darstellen", betont Céline Teney. Die geringere Zustimmung zu einer positiven Diskriminierungsmaßnahme für gebürtige Ostdeutsche und für Personen mit Migrationshintergrund könne darauf zurückzuführen sein, dass Ostdeutschsein oder Migrationshintergrund für eine regionale Zugehörigkeit im weiteren Sinne sprechen, während das Frau-Sein oder die Herkunft aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt in der Allgemeinbevölkerung breiter verteilte Zuschreibungen sind, erklärt die Makrosoziologin. Eine andere Erklärung verweise auf ein allgemeineres Problem der Identitätspolitik: die Forderung nach eindeutigen Kriterien für die Gruppenzugehörigkeit. Im Falle der Ostdeutschen - und in geringerem Maße auch bei Personen mit Migrationshintergrund - sei die Definition, wer zur Zielgruppe gehören soll, nicht unumstritten und außerdem nicht eindeutig, da die Grenzen zwischen einigen Unterscheidungskategorien verschwimmen, heißt es in der Studie weiter.

    Zudem hänge das Ausmaß, in dem Einzelpersonen eine positive Diskriminierungsmaßnahme unterstützen, nicht nur von ihrer (zugeschriebenen) Gruppenzugehörigkeit ab, sondern auch vom Grad der wahrgenommenen Benachteiligung der angestrebten unterrepräsentierten Gruppe, wie Céline Teney weiter konstatiert. Wenn also politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie Unternehmerinnen und Unternehmer die öffentliche Akzeptanz für solche Regelungen erhöhen wollen, "sollten sie das allgemeine öffentliche Bewusstsein für die Benachteiligung von Mitgliedern unterrepräsentierter Gruppen bei der Besetzung von Führungspositionen schärfen", sagt die Forscherin. Zudem seien gezielte Sensibilisierungskampagnen zu empfehlen, bei denen die Rolle der den Personen zugeschriebenen Gruppenzugehörigkeit bei der Wahrnehmung einer solchen Regelung als Bedrohung der eigenen Gruppeninteressen thematisiert wird.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Céline Teney, Arbeitsbereich Makrosoziologie im Institut für Soziologie der
    Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-72387, E-Mail: celine.teney@fu-berlin.de


    Originalpublikation:

    https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/13501763.2022.2131885


    Weitere Informationen:

    https://osf.io/preprints/socarxiv/ezw72/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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