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27.10.2022 13:15

20.000 Euro für einen Haushaltsroboter?

Christian Heyer DFKI Kaiserslautern
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, DFKI

    Wo liegen die Herausforderungen autonomer intelligenter Systeme? Warum können Roboter und Menschen beim Tischtennis- und Air Hockey so allerhand voneinander lernen? Und worauf sollten Einsteiger in die KI-Wissenschaften achten? Das erklärt Prof. Dr. Jan Peters im Experten-Interview. Seit März 2022 ist er Forschungsbereichsleiter für Systemische KI für Lernende Roboter am neuen DFKI Labor in Darmstadt.

    Sie sind seit einiger Zeit Professor an der TU Darmstadt und nun auch Forschungsbereichsleiter am DFKI. Welchen Fokus hat Ihre Forschung und was fasziniert Sie und Ihr Team am meisten?

    Technisch gesehen steht im Forschungsbereich „Systemische KI für Lernende Roboter“ oder auch „Systems AI for Robot Learning – SAIRLOL“, vor allem Grundlagenforschung zum maschinellen Lernen für intelligente autonome Robotersysteme im Vordergrund. Also die Entwicklung von Methoden und entsprechenden Architekturen für solche Systeme. Aber auch deren Einsatz in der Cognitive Science, mit biologisch und neuronal inspirierten Ansätzen der Künstlichen Intelligenz, beispielsweise die Interaktion über Brain-Robot-Interfaces oder für roboterunterstütze Rehabilitation und der Prothetik.
    Dabei faszinieren uns besonders die spielerischen Aspekte von lernenden Robotern, aus denen man vielerlei Lehren ziehen kann. So versuchen wir zum Beispiel aktuell, Robotern Air Hockey beizubringen. Zuvor haben wir uns fast zehn Jahre mit Tischtennis beschäftigt.

    Warum gerade Tischtennis und Air Hockey?

    Wir wollten zeigen, dass ein Robot Learning System ein solches Spiel von einem Menschen lernen kann – und zwar besser und schneller als ein klassisch programmierter Roboter. Deshalb haben wir mit Tischtennis begonnen. Denn bisher konnte niemand einen Tischtennis-Roboter bauen oder programmieren, der dem Menschen vergleichbar ist. Das haben wir geschafft. Doch gibt es beim Tischtennis weitere Hürden. Der Aspekt der Intelligenz tritt dabei mittlerweile in den Hintergrund. Eine viel größere Herausforderung ist die großartige Mechanik des Menschen. Muskeln können schnell hohe Beschleunigungen produzieren, die Robotern generell schwerfallen – auch, wenn Roboter genauer und schneller sind. Zwar ist es uns gelungen, einen Roboter mit menschenähnlichen Beschleunigungen zu entwickeln, doch kommen wir dabei schon zur nächsten Schwierigkeit: Der Mensch kann einen Schritt zu Seite weichen und dort den gleichen Schlag erneut ausführen. Bei einem Roboter bedeutet das, dass man ihn auf eine mobile Basis platzieren müsste. Das erfordert enorm komplexe Hardware und ist deshalb schwer umzusetzen. Ein stationärer Roboterarm ist daher nicht nur in seiner Mobilität eingeschränkt, sondern muss auch viele verschiedene Schläge in seiner Position erlernen. Dennoch ist Tischtennis eine vergleichsweise regelmäßige Situation. Wenn regelkonform gespielt wird, muss zum Beispiel der Ball im Spiel auf der gegnerischen Tisch-Tennis-Seite aufkommen.
    Im Air Hockey ist die Situation ungleich spannender. Anders als Tischtennis, ist es geradezu chaotisch. Beispielsweise kann der Puck, wenn er nur minimal abweichend getroffen wird, an einen komplett anderen Punkt gelangen und es muss eine ganz neue Antwort auf den Schlag gefunden werden. Menschen sind zudem gut darin, beim Air Hockey zu tricksen, beispielsweise indem sie falsche Schlagrichtungen als Finten andeuten. Auch darauf muss der Roboter reagieren. Bei unserem Forschungsprototypen lassen wir zwei Roboterarme gegeneinander spielen und verwenden weitere Roboter zur Unterstützung, zum Beispiel zum Wiedereinwurf des Pucks. Wir beschäftigen uns auf allen Ebenen damit, was für eine Intelligenz für das Spiel benötigt wird. Zum einen braucht man die Intelligenz der Motorik. Des Weiteren erfordert es perzeptuellen, auf Wahrnehmung beruhenden Input und langfristigere Strategie. Man muss den Roboter prädiktiv verzahnen und Modelle über den Gegner bilden. So kann dieser intelligent ausgetrickst werden und ein spannenderer Spielverlauf kommt zustande. Das sind verschiedene kognitive Ebenen, auf denen man sich befindet und wir können daraus viele Erkenntnisse über deren Zusammenspiel sowie über das zwischen neuronaler und symbolischer KI ziehen.

    „In der Industrie-Robotik existiert ein riesiges Potenzial, wenn wir die Umgebung nicht mehr an den Roboter anpassen müssten.“

    Welches Potenzial sehen Sie für lernende Roboter in der Zukunft? Wie kann sich der Bereich weiterentwickeln?

    Im Augenblick basiert die Roboter-Anwendung darauf, dass wir die Umgebung manuell an die Roboter anpassen. Industrieroboter-Umgebungen sind so entwickelt worden, dass kaum ein Sensor verwendet werden muss. Die Maschinen fahren die gleichen Trajektorien mit 150 Mikrometer Genauigkeit ab. Wenn ein Mensch in den Arbeitsraum kommt, kann das für ihn lebensgefährlich sein. Deswegen sind Roboter dort häufig in Käfigen und man legt man großen Wert darauf, die Menschen von ihnen fernzuhalten. In der Industrie-Robotik gibt es aber ein riesiges Potenzial, wenn wir die Umgebung nicht mehr an den Roboter anpassen müssten. Ein früherer Vorstandsvorsitzender vom Maschinenbauunternehmen Kuka hat es mal treffend auf den Punkt gebracht: „Die Roboter der Gegenwart führen dieselbe Bewegung Millionen Male aus. Die Roboter der Zukunft müssen tausende von verschiedenen Bewegungen nur wenige Male ausführen.“ Das wird vermutlich die kundenzentrierten Produkte der Zukunft ausmachen, ist mit klassischer Roboterprogrammierung aber nicht realisierbar. Um das hinzukriegen, muss sich die Robotik grundlegend ändern: Es sollte nicht mehr die Umgebung an den Roboter angepasst werden sondern der Roboter sollte lernen, sich an Aufgaben und die Umgebung anzupassen. Genau damit beschäftigt sich das Feld des „Robot Learning“.

    Das Potential anpassungsfähiger Roboter ist wahrscheinlich nicht nur auf industrielle Anwendungen beschränkt, oder?

    Es geht sogar noch darüber hinaus. Beispielsweise könnten Hol- und Bring-Aufgaben in Kliniken von Robotern übernommen werden. Das würde Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern mehr Zeit für die Pflege einräumen. Kein Job wäre dadurch gefährdet ¬– im Gegenteil. Es würde die Arbeit für viele erleichtern und angenehmer gestalten. Man kann auch einen Blick auf die Rehabilitation werfen. Diesen Bereich sollte man durch adaptive Geräte unterstützen. Vergleichbar mit der Systematik beim Air Hockey, bei dem es darum geht, Modelle über den Gegner zu erstellen, kann man hier Modelle über die Patienten bauen, um ihn bei seinen Bewegungen geeignet zu unterstützen. Das haben wir mit der Klinik Tübingen und dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme schon beispielhaft entwickelt. Dabei konnten wir zeigen, dass die Kombination von Gehirn und Computer über entsprechende Brain-Interfaces mit einem Roboterarm und Roboter-Lernen funktionieren. Das ermöglicht, motorische Unterstützung in der Rehabilitation zu leisten.

    Können Sie einen Ausblick geben, wie es in nächster Zeit mit dem Haushaltsroboter aussehen wird?

    Die Idee vom Roboter, der im Haushalt hilft, ist schon sehr alt. Wir kennen ihn bereits aus TV-Serien der 1950er und 1960er Jahre. Ein wichtiger Faktor hat sich seitdem enorm gewandelt. Als ich meine Promotion abschloss, hätte ein Haushaltsroboter bis zu einer halben Millionen Euro gekostet. Die Arme konnte man für jeweils 120.000 Euro erwerben. Heutzutage kann man sie für ein Zehntel dieses Preises kaufen. Wenn man die Teile heute einkaufen würde, läge man bei insgesamt ca. 20.000 Euro. Die Kosten sind also enorm gesunken. Wenn das so weitergeht, wird der Haushaltsroboter allmählich bezahlbar. Der Staubsaugerroboter hat bereits bewiesen, dass Roboter in Millionen von Haushalten Einzug halten können, wenn sie erschwinglich genug sind.

    (...)

    >>Lesen Sie das vollständige Interview auf DFKI.de!

    Pressekontakt:

    DFKI Unternehmenskommunikation
    Email: uk-kl@dfki.de


    Weitere Informationen:

    https://www.dfki.de/web/news/jan-peters-interview Das komplette Interview auf DFKI.de


    Bilder

    Prof. Dr. Jan Peters, Forschungsbereichsleiter für Systemische KI für Lernende Roboter – SAIROL
    Prof. Dr. Jan Peters, Forschungsbereichsleiter für Systemische KI für Lernende Roboter – SAIROL
    Jürgen Mai
    DFKI


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Elektrotechnik, Gesellschaft, Informationstechnik, Maschinenbau, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Jan Peters, Forschungsbereichsleiter für Systemische KI für Lernende Roboter – SAIROL


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