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01.06.2004 09:54

Pressegespräch "Heuristik und Gesetzgebung" am 10. Juni um 14 Uhr (94. Dahlem Workshop)

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    In der öffentlichen Wahrnehmung haben Gesetzfindung und Rechtsprechung den Status von Logik und Wahrheit. Das logische Ideal besagt: Je mehr, desto besser. Mehr Gesetze, mehr Information, mehr Zeit und mehr Zeugen. Dem gegenüber steht die Heuristik. Nach dieser Lehre werden Erkenntnisse mit Hilfe von Erfahrung und Faustregeln methodisch gewonnen. Dabei wird unter Zeitdruck mit begrenzten Informationen gearbeitet. Welche dieser beiden Strategien ist die bessere?
    Politiker sowie Bürger beklagen sich über die Komplexität unserer Gesetze. Soll die Rechtsprechung in Zukunft so detailliert ausfallen, dass für jeden möglichen Fall ein eindeutiges Gesetz vorliegt? Schaffen zu viele Informationen und Details mehr Verwirrung als Klärung? Wären vielleicht weniger Gesetze effektiver?

    Der 94. Dahlem Workshop "Heuristics and the Law" stellt in Deutschland erstmalig die Frage nach den heuristischen, d.h. nicht-logischen Entscheidungen in der Legislative und Exekutive. Vierzig international renommierte Wissenschaftler werden vom 6. bis zum 11. Juni vier Fragen diskutieren:

    1.) Stellen heuristische Entscheidungen ein Problem oder eine Lösung dar?
    2.) Welche Rolle übernimmt die Heuristik bei der Findung von Gesetzen?
    3.) Welche Rolle spielen Heuristiken im Gerichtssaal?
    4.) Wie können Heuristiken die Wirkung der Gesetze auf das menschliche Verhalten beeinflussen?

    Über die Ergebnisse des Workshops informieren Sie die Experten auf der Pressekonferenz am Donnerstag, dem 10. Juni, um 14 Uhr im Harnack-Haus, Ihnestr. 16-20, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, Linie 1).

    Als Gesprächspartner stehen Ihnen zur Verfügung:
    - Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin (Chairperson)
    - Prof. Dr. Christoph Engel, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn (Chairperson)
    - Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn
    - Prof. Dr. Joachim Schulz, Fachbereich Rechtswissenschaften, Universität Osnabrück

    Über die Dahlem Konferenzen:
    Die Dahlem Konferenzen wurden 1974 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ins Leben gerufen. Seit 1990 gehören sie zur Freien Universität Berlin. Das Ziel der Dahlem Workshops und der aus ihnen resultierenden Veröffentlichungen ist es, den interdisziplinären Austausch der Experten zu verbessern, die internationale Zusammenarbeit in der Forschung zu fördern, Forschungslücken zu identifizieren sowie die Richtung zukünftiger Forschung aufzuzeigen.

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Angela Daberkow, Dahlem Konferenzen der Freien Universität Berlin, Tel.: 030 / 838-56602, Mobil: 0170 / 458 97 47, E-Mail: dahlem@zedat.fu-berlin.de

    Hintergrundinformationen:

    1. Stellen heuristische Entscheidungen ein Problem oder eine Lösung dar?
    In den USA, wo sich seit etwa sechs Jahren eine neue Richtung "Behavioral Law and Economics" etabliert hat, werden kognitive Heuristiken allgemein als Problem betrachtet: Sie erzeugen Fehler in den Köpfen von Richtern, Schöffen und anderen Beteiligten. In der seit einigen Jahrzehnten bestehenden Tradition "Law and Economics" sind dagegen Heuristiken kein Thema. Auf der Basis neuerer psychologischer Forschungen über begrenzte Rationalität, die auf die Nobelpreisträger Herbert Simon und Reinhard Selten zurückgeht, soll im Rahmen der Dahlem Konferenz erörtert werden, inwiefern Probleme durch heuristisches Urteilen (offen oder verdeckt) gelöst werden und wann solche Lösungen gerechtfertigt sind.

    2. Welche Rolle übernimmt die Heuristik bei der Findung von Gesetzen?
    Gesetze entstehen, um Richtlinien für menschliches Verhalten festzulegen und Grenzen zu setzen. Häufig entstehen neue Gesetze, weil Menschen bestimmte Interessen vertreten und sich dafür "lautstark" einsetzen. "Lärm machen" stellt ein Beispiel für heuristische Methoden dar, die auf effektive Weise zu Geburtshelfern von Gesetzen werden können. Welche Heuristiken erhöhen tatsächlich die Chance, dass ein Sachverhalt gesetzlich geregelt wird?

    3. Welche Rolle spielen Heuristiken im Gerichtssaal?
    Rechtsprechung wird oft als ein System logischer Wenn-Dann-Regeln dargestellt. Aber sind solche Syllogismen wirklich das Lebensblut der Rechtsprechung? Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass auch hier heuristisches statt logisches Denken vorliegt. Nun liegt es in der Natur der Heuristik, einen Teil der relevanten Informationen zu ignorieren. Wie kann das mit der Forderung in Einklang gebracht werden, dass Gerichte alle relevanten Informationen berücksichtigen sollen?

    4. Wie können Heuristiken die Wirkung der Gesetze auf das menschliche Verhalten beeinflussen?
    Wie kann es sein, dass Gesetze das Verhalten beeinflussen, wenn die meisten Menschen die Gesetzestexte gar nicht kennen? Die "Law and Economics"-Tradition vergleicht die Wirkung von Gesetzen mit denen von finanziellen Anreizen. Kritiker dieser Richtung weisen darauf hin, dass menschliches Verhalten weniger durch Kosten-Nutzen-Rechungen als durch unbewusste Gewohnheiten gesteuert wird. Wenn aber menschliches Verhalten zum großen Teil nicht durch rationales Denken, sondern durch heuristische Routinen bestimmt wird, wie muss dann ein Rechtssystem aussehen, das Verhalten effektiv beeinflussen kann?


    Weitere Informationen:

    http://www.fu-berlin.de/dahlem


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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