Jedes Jahr am 22. Mai wird der Internationale Tag der biologischen Vielfalt begangen. Er erinnert daran, dass am 22. Mai 1992 das UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt verabschiedet wurde. Das diesjährige Motto lautet: „From Agreement to Action: Build Back Biodiversity”. Auch der Botanische Garten Berlin nimmt den Tag zum Anlass, um auf die dramatische Situation des weltweiten Artensterbens und den Erhalt der globalen Biodiversität aufmerksam zu machen.
„Biodiversität und Artenschutz gehen uns alle an. Denn ausgestorbene oder bedrohte Arten sind nicht beliebig ersetz- oder reparierbar. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt ins Tun kommen“, so Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens Berlin. „Doch dafür braucht es dringend mehr Wissen, auch in der Breite unserer Gesellschaft. Sozusagen eine biologische Alphabetisierung. Denn gerade in Bezug auf den Erhalt der Pflanzenvielfalt vor der eigenen Haustür sind hier aktuell viele falsche Informationen im Umlauf. Das Verstreuen von Samen aus beliebigen, bunten Tütchen hilft bei der Erhaltung bedrohter Arten nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Damit kann sogar großer Schaden angerichtet werden“, führt Borsch weiter aus.
Eine Art zu erhalten, ist viel komplexer als oft vermittelt wird: Es hat Jahrtausende oder zum Teil Jahrmillionen gebraucht, bis innerhalb einer Art die spezifische Vielfalt mit ihren ganz eigenen geographischen Mustern entstanden ist. Sie erkennt man nicht mit dem bloßen Auge, sondern nur durch wissenschaftliche Analysen ihrer genetischen Merkmale. Nur mit dem entsprechenden Wissen um diese innerartliche genetische Vielfalt ist es möglich, Arten mit ihren regionalen Besonderheiten zu erhalten. Die genaue Identifizierung bedrohter heimischer Arten ist essenziell, wenn es darum geht, ihren weiteren Rückgang zu verhindern. Viele nah verwandte Arten sind auf den ersten Blick sehr ähnlich, wissenschaftliche Verfahren helfen, sie richtig zu erkennen.
„Wir beobachten zunehmend, dass Pflanzenarten in Lebensgemeinschaften eingebracht werden, in die sie eigentlich nicht gehören. Im Berlin-Brandenburger Raum werden beispielsweise Reste wertvoller Vegetation mit spezifischen Arten wie Silbergras, Sandstrohblumen, Heidenelke, Frühlingssegge oder Schillergras umgegraben und zerstört und durch Aussaaten ‚insektenfreundlicher Pflanzen‘ ersetzt. Damit verschwinden nicht nur bedrohte Pflanzenarten, sondern auch die selteneren und gefährdeten Insektenarten“, erklärt der Direktor des Botanischen Gartens Berlin. „Was wir brauchen ist weniger Aktionismus und mehr wissensbasiertes Handeln. Dafür wäre es wichtig, dass Forschung und konkreter Artenschutz künftig viel stärker Hand in Hand gehen – und vor allem auch zusammen gefördert werden.“
Mehr Wissen für den Artenschutz
Laut der Roten Liste sind allein bei den Farn- und Blütenpflanzen über 28 Prozent – also mehr als ein Viertel – bestandsgefährdet. Der Botanische Garten Berlin ist als Knotenpunkt der internationalen Biodiversitätsforschung mit vielen Projekten aktiv, um das globale Artensterben zu stoppen. Unter anderem arbeitet er daran, die genetische Vielfalt gefährdeter Pflanzenarten zu erfassen, um damit den unsichtbaren Verlust von Vielfalt sichtbar zu machen. Dabei werden Populationen mit wertvollen Genotypen lokalisiert, um sie im Artenschutz besonders zu berücksichtigen. Bei Restpopulationen einer Art, deren Bestände durch intensive Landnutzung fragmentiert wurden, wird genau untersucht, ob sie genetisch erodieren und gezielte Hilfsmaßnahmen benötigen. So liefern die wissenschaftlichen Analysen konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis. Ein Beispiel für dieses Verfahren ist die in Berlin und Brandenburg stark gefährdete Duft-Skabiose (Scabiosa canescens) – hier helfen die dank molekularbiologischer Methoden gewonnenen Erkenntnisse der Wissenschaft bei der Populationsstützung sowie Wiederansiedlungen an geeigneten Standorten.
Genetische Vielfalt ist ein Garant dafür, dass Arten sich in Zeiten des Klimawandels besser anpassen können. Mit seiner Arbeit setzt sich der Botanische Garten Berlin dafür ein, diese genetische Vielfalt zu erkennen, sie zu schützen und so die Überlebensfähigkeit von Wildpflanzen in der Natur zu sichern.
Pressefotos (zum Download):
Duft-Skabiose (Scabiosa canescens),
https://box.fu-berlin.de/s/oCZpkBHxJkfGQ8j
Fotos: E. Zippel, © Botanischer Garten Berlin
Weiterführende Literatur: „Genetische Grundlagen für den botanischen Artenschutz in Deutschland“, Thomas Borsch und Elke Zippel, erschienen 2021 in „Natur und Landschaft“
Mit nahezu 20.000 Pflanzenarten ist der Botanische Garten Berlin der größte in Deutschland und zählt zu den bedeutendsten weltweit. Auf 43 Hektar Freigelände und in fünfzehn Gewächshäusern erhalten Besucherinnen und Besucher faszinierende Einblicke in die Welt der Botanik. Als Knotenpunkt der internationalen Biodiversitätsforschung sowie als Ort der Wissensgenerierung und -vermittlung beschäftigt der Botanische Garten mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Botanischen Museum verfügt er über Deutschlands einzigartige museale Einrichtung, die sich der Vielfalt der Pflanzenwelt, ihrer Bedeutung und der Darstellung ihrer Kultur- und Naturgeschichte widmet. Seit 1995 gehört die Einrichtung zur Freien Universität Berlin.
Der Botanische Garten Berlin ist BO Berlin – Internationales Wissenszentrum der Botanik. Ein einzigartiger Ort, der Botanik in allen Facetten erlebbar macht.
Pressekontakt:
Alexandra Jakob, Pressesprecherin
Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin (BO Berlin)
Tel. 030 – 838 72375
a.jakob@bo.berlin
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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