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18.07.2023 11:01

Ehrenamt stärkt die eigene geistige Leistungsfähigkeit

Blandina Mangelkramer Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Ehrenamtlicher Einsatz in der Freizeit tut gut: Er stärkt zum Beispiel den Zusammenhalt in einem Verein, hilft der Umwelt und unterstützt ältere Menschen. Was bisher kaum wissenschaftlich untersucht war, ist der gesundheitliche Nutzen für die ehrenamtlich Tätigen selbst. Ein Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern) hat nun herausgefunden: Die Freiwilligenarbeit kann sich positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit der Ehrenamtlichen auswirken.

    Schätzungen zufolge sind mehr als eine Milliarde Menschen weltweit ehrenamtlich tätig. Wissenschaftler/-innen haben bereits festgestellt, dass Freiwilligenarbeit unterschiedliche Ebenen der kognitiven, sozialen und körperlichen Aktivierung beeinflusst. So muss etwa ein ehrenamtlich tätiger Schiedsrichter oder eine ehrenamtlich tätige Schiedsrichterin mit den Fußballer/-innen sprechen, sich die Fußballregeln merken, dem Spielverlauf folgen und „mitdenken“ – und schließlich auch körperlich fit sein, um auf dem Platz aktiv mitlaufen zu können.

    Risikofaktoren reduzieren

    Am Beispiel der Demenzerkrankung zeigt das Forschendenteam um Anne Keefer auf, inwiefern sich das Ehrenamt die eigene Gesundheit des ehrenamtlich Tätigen auswirken kann. Denn zur Entwicklung einer Demenz tragen vielfältige Risikofaktoren bei. Dazu gehören auch solche, die veränderbar sind wie zum Beispiel eine niedrige Bildung, Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen und Diabetes. „Freiwilligenarbeit ist ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion der drei wichtigen Risikofaktoren soziale Isolation, körperliche Inaktivität und Depressionen“, sagt Anne Keefer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Digitales Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern). „Denn ehrenamtliches Engagement fördert nicht nur die sozialen Kontakte, sondern hält die Ehrenamtlichen oftmals in Bewegung und kann sich positiv auf deren Stimmung auswirken.“

    Systematische Übersichtsarbeit

    In ihrer systematischen Übersichtsarbeit haben die Forschenden insgesamt 14 Studien analysiert, die zwischen 2017 und 2021 in den USA, Korea, Taiwan, Brasilien, England, England/Schottland, Neuseeland, China und Japan veröffentlicht wurden. Ziel der Übersichtsarbeit war, die Zusammenhänge zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und der Hirnleistung (der sogenannten kognitiven Gesundheit) von Freiwilligen zu untersuchen und Einflussgrößen wie Geschlecht, Bildung und Häufigkeit des ehrenamtlichen Einsatzes zu identifizieren.

    „Neun dieser Studien berichteten einen positiven Zusammenhang zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und Funktionen unseres Gehirns wie etwa Denken, Wahrnehmung, Aufmerksamkeitsfähigkeit und Sprachvermögen“, erläutert Anne Keefer. Bezüglich der Häufigkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit zeigen die Studien jedoch widersprüchliche Ergebnisse. „Es bleibt unklar, ob das Prinzip "je mehr, desto besser" einen wichtigen Einfluss auf die Kognition von Freiwilligen hat“, betont Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas, Co-Autor, Neurologe und Projektleiter von digiDEM Bayern. Häufigeres freiwilliges Engagement scheint sich positiver auf die kognitive Gesundheit auszuwirken. Andere Studienergebnisse aber deuten darauf hin, dass es wichtig sei, sich grundsätzlich ehrenamtlich zu engagieren, unabhängig davon, wie oft man sich für andere einsetzt.

    Wem ehrenamtliche Tätigkeit am meisten nützt

    Die Forschungsarbeit förderte zudem die Erkenntnis zutage, dass insbesondere Frauen von der Freiwilligentätigkeit in Bezug auf die kognitive Gesundheit profitieren. Dies ist hinsichtlich einer Demenzerkrankung insofern bedeutsam, als dass Frauen häufiger von Demenz betroffen sind als Männer. Daher können Frauen in gesundheitlich größerem Umfang von ehrenamtlicher Tätigkeit profitieren.

    Auch für eine weitere Personengruppe könnte die Ausübung eines Ehrenamtes von größerem Nutzen sein. So haben zwei der 14 untersuchten Studien gezeigt, dass Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau mehr profitieren als Personen mit einem höheren Bildungsniveau. Da Menschen mit niedrigem Bildungsniveau ein erhöhtes Risiko für Demenz haben, könnte Freiwilligenarbeit das Risiko der Entwicklung kognitiver Defizite und Demenz verhindern oder hinauszögern.

    Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden an den analysierten Studien lag zwischen 61 und 74 Jahren. Daher sind die Ergebnisse über positive Zusammenhänge zwischen Freiwilligenarbeit und Kognition auf diese Altersgruppe beschränkt. Die Hauptautorin Anne Keefer schränkt ein: „Unsere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Freiwilligenarbeit die kognitiven Fähigkeiten der Freiwilligen verbessern kann. Doch zusammengenommen sind die Studienergebnisse nicht einheitlich genug, um eine klare Aussage zu treffen.“

    Bereicherung für die Gesellschaft

    Dennoch gelangen die Studienautor*innen zu einer grundsätzlichen Erkenntnis, die für die Gesellschaft eine Bereicherung darstellt: „Die Freiwilligentätigkeit sollte stärker gefördert werden, da sie nicht nur für die Gesellschaft von Nutzen ist, sondern auch kognitive Fähigkeiten des Einzelnen verbessern kann.“ Menschen, die zum Beispiel bereits an Demenz erkrankt sind, würden in ihrem Alltag unterstützt, so dass sie länger zu Hause bleiben können.

    Andererseits können ehrenamtlich Tätige durch ihr Engagement für Menschen mit Demenz die eigenen kognitiven Fähigkeiten verbessern und somit den Abbau ihrer eigenen geistigen Leistungsfähigkeit verzögern. Einen positiven Effekt können auch die pflegenden An- und Zugehörigen erfahren, da diese entlastet werden. „Wir sprechen also von einer klassischen Win-Win-Situation“, fasst Co-Autor Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas zusammen.

    Über die Studie

    Die Studie "Does Voluntary Work Contribute to Cognitive Performance? – An International Systematic Review" ist im Journal of Multidisciplinary Healthcare erschienen:
    https://doi.org/10.2147/jmdh.s404880

    Über digiDEM Bayern

    digiDEM Bayern baut ein digitales Demenzregister für Bayern auf, um den Langzeitverlauf der Erkrankung besser zu verstehen und die Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen in ganz Bayern zu verbessern. Dafür werden Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz und ihre pflegenden Angehörigen zu ihrer Situation systematisch befragt.

    Darüber hinaus entwickelt digiDEM Bayern digitale Angebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Demenz sowie für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Helfer*innen. So gibt es zum Beispiel die „Angehörigenampel“, einen kostenlosen, anonymen Selbsttest, der pflegenden Angehörigen mittels gezielter Fragen den Grad ihrer persönlichen Belastung anzeigt und ihnen damit einen Anstoß zur Veränderung der Lebenssituation gibt. Zu den weiteren digitalen Angeboten gehören unter anderem ein Hörtest, Live-Webinare inklusive Mediathek und der Science Watch-Newsletter.

    digiDEM Bayern ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der FAU, des Uniklinikums Erlangen und des Innovationsclusters Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg. Gefördert wird das Projekt vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) im Rahmen des Masterplans „BAYERN DIGITAL II“.

    Ansprechpartnerin für Medien:

    Ilona Hörath
    Digitales Demenzregister Bayern - digiDEM Bayern
    Tel.: 0163/883 884 5
    ilona.hoerath@fau.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Ilona Hörath
    Digitales Demenzregister Bayern - digiDEM Bayern
    Tel.: 0163/883 884 5
    ilona.hoerath@fau.de


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.2147/jmdh.s404880


    Weitere Informationen:

    https://digidem-bayern.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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