Wie hoch ist die Konzentration von Mikroplastik in der Umwelt, im Trinkwasser oder in Nahrungsmitteln? Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben jetzt eine automatisierte Analysemethode entwickelt, mit der sich die Partikel identifizieren und quantifizieren lassen.
Mikroplastik ist in der Umwelt allgegenwärtig. Die winzigen Teilchen mit einer Größe von unter fünf Millimetern können außerdem Schad- und Giftstoffe aufnehmen und transportieren. „Wir benötigen dringend Analysemethoden, die Auskunft geben über die Größe, Konzentration und Zusammensetzung der Partikel“, erklärt Dr. Natalia Ivleva vom Lehrstuhl für Analytische Chemie und Wasserchemie der TUM. Zusammen mit ihrem Team hat die Wissenschaftlerin ein neues Verfahren entwickelt.
Um das Mikroplastik zu detektieren, mussten die Forschenden mehrere Hürden überwinden: Das erste Problem ist die geringe Konzentration der Partikel. Flusswasser zum Beispiel enthält jede Menge Schwebstoffe und feinen Sand, nicht einmal ein Prozent der Partikel sind aus Kunststoff. Diese Teilchen gilt es zu isolieren, dann muss deren Konzentration bestimmt werden und schließlich die chemische Zusammensetzung. Bisher wurden hierfür Analysemethoden eingesetzt, bei denen die Proben erhitzt und die Zersetzungsprodukte untersucht wurden. Anzahl, Größe und Form der Plastik-Partikel ließen sich auf diese Weise nicht ermitteln.
Kunststoffe lassen sich durch Lichtstreuung identifizieren
„Unser Ansatz ist grundlegend anders“, betont Ivleva: „Wir arbeiten partikelbasiert, das heißt, wir zerstören die Teilchen nicht, sondern untersuchen sie direkt.“ Dabei nutzen die Forschenden die sogenannte Raman-Mikrospektroskopie, bei der mit Hilfe eines Lasers monochromatisches Licht von den Molekülen einer Probe gestreut wird. Durch Vergleich des gestreuten mit dem eingestrahlten Licht lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die untersuchte Substanz.
Um Plastik-Partikel mit mehr als einem Mikrometer Durchmesser auf diese Weise zu analysieren, müssen die Kunststoff-Teilchen aus der wässrigen Lösung herausgefiltert, unter dem Mikroskop detektiert und dann mit Laserlicht beleuchtet werden. Weil Kunststoffe wie Polyethylen, Polystyrol oder Polyvinylchlorid die Photonen auf charakteristische Weise streuen, erzeugen sie jeweils spezifische Signale, die sich wie ein Fingerabdruck zuordnen lassen.
Automatisierung statt manueller Messungen
Die Entwicklung des Nachweisverfahren hat Jahre gedauert: „Als wir angefangen haben, waren manuelle Messungen erforderlich“, erinnert sich die Chemikerin. „Da haben wir Monate gebraucht, um ein paar Tausend Partikel zu untersuchen.“ Mittlerweile ist es dem Team gelungen, den Nachweis von Mikroplastik zu automatisieren. Eine Analyse dauert nicht mehr Wochen, sondern nur noch Stunden. Man muss die winzigen Partikel zwar immer noch aus einer wässrigen Probe herausfiltern und den Filter unter das Raman-Mikrospektroskop legen, doch alles Weitere steuert eine eigens entwickelte Software: Die Kunststoffteilchen werden zunächst lichtmikroskopisch lokalisiert, fotografiert und vermessen, wobei Partikel und Fasern unterschieden werden. Das Computerprogramm berechnet aus diesen Daten die Anzahl von Partikeln und Fasern sowie die Auswahl von Bildausschnitten für die anschließende Raman-Spektroskopie, die für ein statistisch signifikantes Ergebnis benötigt werden.
Im nächsten Schritt fällt Laserlicht auf die Probe, die Streuung wird detektiert und ausgewertet. Anzahl, Größe, Form und Zusammensetzung von Mikroplastik lässt sich auf diese Weise schnell und zuverlässig analysieren. Die Software „TUM-Particle Typer 2“ ist Open Source basiert und kann ab sofort von Forschenden auf der ganzen Welt genutzt werden.
Nanoplastik verlangt besondere Nachweisverfahren
Um auch Partikel untersuchen zu können, die Durchmesser von weniger als einem Mikrometer aufweisen, arbeitet Ivleva‘s Gruppe bereits an einem modifizierten Verfahren. „Solche Nanoteilchen sind unter einem Lichtmikroskop nur schwer oder gar nicht zu detektieren. Um die Partikel nachweisen zu können, müssen wir sie zuerst nach Größe fraktionieren und dann identifizieren“, erklärt die Forscherin.
Hierfür wird ein System für Feldflussfraktionierung verwendet. Dieses erzeugt einen Wasserstrom, der die Partikel erfasst und – abhängig von ihrer Größe – schneller oder langsamer transportiert und auf diese Weise trennt. Eine speziell entwickelte Vorrichtung erlaubt in Kombination mit Raman-Mikrospektroskopie die chemische Charakterisierung von unterschiedlichen Arten von Nanoplastik.
„Die neuen Analyseverfahren ermöglichen eine schnelle und genaue Untersuchung der Konzentration, Größe und Zusammensetzung von Mikro- und Nanoplastik“, resümiert Ivleva. „Damit wird es künftig möglich sein, auch den Einfluss dieser Partikel auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu erforschen.“
Dr. Natalia P. Ivleva
Technische Universität München (TUM)
Tel: +49 89 289 54 507
natalia.ivleva@tum.de
https://www.ch.nat.tum.de/hydrochemistry
Oliver Jacob, Alejandro Ramírez-Piñero, Martin Elsner, Natalia P. Ivleva, TUM-ParticleTyper 2: Automated Quantitative Analysis of (Microplastic) Particles and Fibers down to 1 μm by Raman Microspectroscopy, Analytical and Bioanalytical Chemistry
Maximilian J. Huber, Natalia P. Ivleva, Andy M. Booth, Irina Beer, Ivana Bianchi, Roland Drexel, Otmar Geiss, Dora Mehn, Florian Meier, Alicja Molska, Jeremie Parot, Lisbet Sørensen, Gabriele Vella, Adriele Prina Mello, Robert Vogel, Fanny Caputo: Physicochemical Characterization and Quantification of Nanoplastics: Applicability, Limitations and Complementarity of Batch and Fractionation Methods, Analytical and Bioanalytical Chemistry
Dr. Natalia Ivleva hat mit ihrem Team neue Verfahren zur Analyse von Mikroplastik entwickelt.
Andreas Heddergott
A. Heddergott / TUM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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