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22.06.2004 09:00

Lieber Talkshows als Tagesthemen? Studie über das Fernsehverhalten von Jugendlichen

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Für jeden fünften Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren sind Politmagazine im Fernsehen eine relevante Informationsquelle, nur für jeden Zehnten eine regelmäßige. Jugendliche nutzen vor allem solche Sendungen zur Information, die sie in Bezug auf Verständlichkeit, Machart, Moderation und Glaubwürdigkeit gut finden, wobei ihnen Glaubwürdigkeit am wenigsten wichtig scheint. Das sind Ergebnisse einer Studie von Daniel Hajok, Erziehungswissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Dabei hat sich auch gezeigt, dass drei Viertel der Jugendlichen Sendungen der privaten Anbieter gegenüber denen der öffentlich-rechtlichen bevorzugen. Boulevardmagazine schätzen die 12- bis 17-Jährigen am meisten. Aber auch die Nachrichtensendungen schneiden im Gesamturteil gut ab. Die Jugendlichen mögen Boulevardmagazine vor allem wegen ihrer Themen aus dem Bereich der sozialen Realität, die Nachrichtensendungen dahingegen wegen der politisch und gesellschaftlich relevanten Themen. Eindeutig ist, dass die Jugendlichen hinsichtlich der Darstellungsform die Boulevardmagazine gegenüber den "klassischen" Nachrichtensendungen bevorzugen.

    Das Fernsehen ist für Jugendliche die wichtigste mediale Informationsquelle und Orientierungshilfe. In seiner Studie hat Daniel Hajok die Zugänge der Jugendlichen zu den informativen Angeboten des Fernsehens genauer betrachtet. Er ist dabei den Fragen nachgegangen, was die Jugendlichen selbst als informative Angebote des Fernsehens auffassen und nutzen, wie sie diese bewerten und welche Informationsleistung sie vom Fernsehen überhaupt fordern. Befragt wurden 210 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren in Leipzig und Umgebung, Hamburg sowie Kempten und Umgebung.

    Dabei hat sich sehr deutlich gezeigt, dass die Informationsnutzung der Jugendlichen ein breites Spektrum an Inhalten und Darstellungsformen umfasst. "Jugendliche nutzen nicht nur solche Sendungen zur Information, die von den Anbietern dafür konzipiert werden", sagt Hajok. Paradebeispiel hierfür sind die täglichen Talkshows. Einige Jugendlichen betrachten sogar Sport- und Musiksendungen als informativ. Trotz des großen Angebots beschränkt sich die Informationsnutzung aber auf eine überschaubare Anzahl (werk-)täglich ausgestrahlter Sendungen. "Explosiv", "taff" und "Tagesschau" werden dabei klar favorisiert, gefolgt von den Nachrichten und Talkshows der beliebten Privatsender ProSieben und RTL sowie dem populärwissenschaftlichen Magazin "Welt der Wunder". Die Informationsklassiker der Erwachsenen, wie z.B. "heute", "Monitor", "Brennpunkt" oder "Tagesthemen", werden nur von wenigen Jugendlichen genutzt.

    Am Beispiel der "Tagesschau" zeigt sich, dass persönliche Lebenshintergründe der Jugendlichen eine große Rolle bei der Auswahl informativer Sendungen spielen. Überspitzt beschreibt der Erziehungswissenschaftler den typischen "Tagesschau"-Nutzer unter den 12- bis 17-Jährigen als einen "in den alten Bundesländern aufgewachsenen, politisch engagierten und interessierten, älteren Jugendlichen mit hohem Bildungshintergrund, der wenig fern sieht und dabei die Programme der öffentlich-rechtlichen Anbieter bevorzugt, nichtsdestotrotz aber auch Zugang zum Infotainment der Privatsender hat". Als Gegenpol dazu stellen sich die typischen Nutzer der beliebten Boulevardmagazine "Explosiv" und "taff" als Jugendliche mit geringem Bildungshintergrund dar, die viel fernsehen und dabei den Schwerpunkt klar auf die Programme der Privatsender legen. Aber auch von ihnen nutzen nicht wenige, zumindest sporadisch, politische Angebote.

    Auch wenn fast jeder dritte Jugendliche sowohl Nachrichtensendungen als auch Boulevardmagazine sieht, gibt es klare Präferenzen für die eine oder andere Angebotsform: Die älteren unter den Befragten, die Gymnasiasten, die politisch Interessierten und Engagierten sowie die Wenigseher und am öffentlich-rechtlichen Fernsehen orientierten Jugendlichen bevorzugen Nachrichtensendungen als Informationsquelle. Bei ihnen steht die nichtpolitische Information der Boulevardmagazine in aller Regel erst an dritter Stelle. Genau umgekehrt verhält es sich bei den Jüngeren, den Hauptschülern, den politisch wenig Interessierten und kaum Engagierten sowie bei den Vielsehern und denen, die sich am Privatfernsehen orientieren.

    Ältere Bezugspersonen nehmen bei den Jugendlichen eine Vorbildfunktion ein: Jugendliche mit höherer Bildung im Elternhaus und mit älteren Geschwistern informieren sich eher durch die Nachrichtensendungen als diejenigen, die diese familiären Bedingungen nicht vorfinden. Auch Freunde und Klassenkameraden hinterlassen klare Spuren bei der Nutzung informativer Fernsehangebote. Sie bilden gewissermaßen das Gegenstück zum familiären Einfluss. Offensichtlich bieten auch die Infotainmentangebote die Information, die als Grundlage für die Gespräche im Freundeskreis dient.

    Die Daily Talks werden von einem Drittel der Befragten regelmäßig als informative Fernsehangebote genutzt. Aus ihnen ziehen sich die Jugendlichen - vor allem die weiblichen - das, was sie in ihrer gegenwärtigen Lebenssituation an Information und Orientierung am ehesten gebrauchen können. Denn in den Talkshows geht es nicht um die große Politik und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, sondern um Themen, die für das alltägliche Leben der Jugendlichen von Bedeutung sind, erklärt Daniel Hajok. Die Daily Talks sind in punkto subjektiv relevante und genutzte Fernsehinformation bei den Mädchen die Nummer eins; bei den männlichen Jugendlichen sind es die Boulevardmagazine

    Von Ilka Seer

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Daniel Hajok, Tel.: 030 / 838-55296 oder 030 / 25 70 08 95, E-Mail: d.hajok@gmx.de


    Weitere Informationen:

    http://userpage.fu-berlin.de/~hajok/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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