Neuartige optische Atomuhr erreicht in Vergleich Rekordgenauigkeit auf dem Weg zur Neudefinition der Sekunde.
Die nächste Generation von Atomuhren „tickt“ mit der Frequenz eines Lasers. Das ist rund 100 000-mal schneller als die Mikrowellenfrequenzen der Cäsiumuhren, die zurzeit die Sekunde erzeugen. Diese optischen Uhren sind noch in der Erprobungsphase, doch bereits jetzt sind einige davon hundertmal genauer. Deshalb sollen sie in Zukunft die Basis für die weltweite Sekunden-Definition im Internationalen Einheitensystem (SI) werden. Zuvor müssen diese optischen Uhren allerdings ihre Zuverlässigkeit durch wiederholte Tests und weltweite Vergleiche unter Beweis stellen.
Die PTB gehört dabei zu den weltweit führenden Einrichtungen und hat bisher eine beeindruckende Reihe von verschiedenen optischen Uhren realisiert – darunter optische Einzel-Ionenuhren und optische Gitteruhren. Nun wurde die hohe Genauigkeit auch in einem neuartigen Uhrentyp unter Beweis gestellt, der das Potenzial hat, Zeit und Frequenz 1000-mal genauer zu messen als die Cäsiumuhren, die aktuell die SI-Sekunde realisieren. Hierfür wurde diese neue Ionen-Kristall-Uhr mit anderen optischen Uhren verglichen und ein neuer Genauigkeitsrekord erzielt. Über die Ergebnisse der Messkampagne berichten die Forschenden in der aktuellen Ausgabe von Physical Review Letters.
In einer optischen Atomuhr werden Atome mit Laserlicht bestrahlt. Hat der Laser genau die richtige Frequenz, dann ändern die Atome ihren quantenmechanischen Zustand. Dabei müssen alle äußeren Einflüsse auf die Atome abgeschirmt oder genau gemessen werden. Bei optischen Uhren mit gefangenen Ionen gelingt das sehr gut. Die Ionen können mittels elektrischer Felder auf wenige Nanometer lokalisiert im Vakuum gefangen werden. Dank hervorragender Kontrolle und Isolation kommt man hier dem Ideal eines ungestörten Quantensystems sehr nahe. Ionenuhren haben daher bereits systematische Unsicherheiten jenseits der 18. Nachkommastelle erreicht. Eine solche Uhr würde, wenn sie seit dem Urknall ticken würde, heute höchstens eine Sekunde nachgehen.
Bisherige Ionenuhren werden mit einem einzelnen Uhren-Ion betrieben. Dessen geringes Signal muss über lange Zeiträume, bis zu zwei Wochen, gemessen werden, um eine Frequenz auf diesem Niveau zu bestimmen. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, würde es sogar Messzeiten von mehr als 3 Jahren erfordern.
Bei der neu entwickelten Uhr wird diese Messdauer durch Parallelisierung drastisch verkürzt: Hier werden in einer Falle mehrere Ionen gleichzeitig gefangen, oft auch verschiedene Ionen kombiniert. Durch ihre Wechselwirkung bilden sie eine neue, kristalline Struktur. „Dieses Konzept ermöglicht es zudem, die Stärken verschiedener Ionen zu kombinieren“, erklärt PTB-Physiker Jonas Keller: „Wir verwenden Indium-Ionen wegen ihrer günstigen Eigenschaften zum Erreichen hoher Genauigkeiten. Für eine effiziente Kühlung sind dem Kristall zusätzlich Ytterbium-Ionen beigemischt“.
Eine Herausforderung war die Entwicklung einer Ionenfalle, die einen solchen, räumlich ausgedehnten Kristall genauso genau wie einzelne Ionen als Uhr einsetzen kann. Eine weitere Herausforderung bestand darin, experimentelle Methoden zu entwickeln, um die Kühl-Ionen innerhalb des Kristalls zu positionieren. Das Team um Forschungsgruppenleiterin Tanja Mehlstäubler konnte diese Fragen mit neuen Ideen beeindruckend lösen: die Uhr erreicht aktuell eine Genauigkeit nahe der 18. Nachkommastelle.
Für die nötigen Vergleiche mit anderen Uhrensystemen wurden zwei weitere optische und eine Mikrowellenuhr der PTB einbezogen: eine Ytterbium-Einzelionenuhr, eine Strontium-Gitteruhr und eine Cäsium-Fontänenuhr. Hierbei erreichte das Verhältnis der Indium- zur Ytterbium-Uhr erstmals eine Gesamtunsicherheit unterhalb der Grenze, die in der Roadmap zur Neudefinition der Sekunde für derartige Messungen verlangt wird.
Das Konzept verspricht eine neue Generation von Ionenuhren mit hoher Stabilität und Genauigkeit. Es ist auch auf andere Ionenarten anwendbar und eröffnet zudem die Möglichkeit ganz neuer Uhrenkonzepte, etwa den Einsatz von Quanten-Vielteilchenzuständen oder die kaskadierte Abfrage mehrerer Ensembles.
Die Arbeiten wurden teilweise gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters QuantumFrontiers und des Sonderforschungsbereichs DQ-mat.
(es/ptb)
Foto 1:
Die Ionenfalle der neuartigen In+/Yb+-Kristalluhr in ihrer Vakuumkammer. Die Ionen werden in dem Spalt gefangen, der in der Mitte des Bildes zwischen den Goldelektroden erkennbar ist (Pfeil). Eingeblendetes Bild: ein Kristall aus Indium- (pink) und Ytterbium-Ionen (blau).
Dr. Jonas Keller, QUEST-Forschungsgruppe 2: Quantenuhren und komplexe Systeme, Telefon: (0531) 592-4735, jonas.keller@ptb.de
Prof. Dr. Tanja Mehlstäubler, Leiterin der QUEST-Forschungsgruppe 2: Quantenuhren und komplexe Systeme, Telefon: (0531) 592-4710, tanja.mehlstaeubler@ptb.de
H. N. Hausser, J. Keller, T. Nordmann, N. M. Bhatt, J. Kiethe, H. Liu, I. M. Richter, M. von Boehn, J. Rahm et al. : 115In+−172Yb+ Coulomb Crystal Clock with 2.5 × 10−18 Systematic Uncertainty. Phys. Rev. Lett. 134, 023201. DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.134.023201
Die Ionenfalle der neuartigen In+/Yb+-Kristalluhr in ihrer Vakuumkammer.
PTB
Ein Kristall aus Indium- (pink) und Ytterbium-Ionen (blau).
PTB
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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