Studie: Tumore verändern sich unter Chemotherapie – neue Subtypen könnten den Behandlungserfolg verbessern
Ein hessisches Forscherteam des Universitären Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt-Marburg (UCT-FM) und der GBG unter Leitung von Prof. Dr. Carsten Denkert (Marburg) und Prof. Sibylle Loibl (Frankfurt) hat in einer aktuellen Studie bahnbrechende Erkenntnisse zur molekularen Heterogenität bei sogenanntem luminal (HR+/HER2-negativem) Brustkrebs gewonnen. Die Untersuchung, die in der renommierten Fachzeitschrift Cancer Cell veröffentlicht wurde, zeigt, dass sich Tumore unter neoadjuvanter Chemotherapie dynamisch verändern. Bestehende Klassifikationssysteme müssen daher erweitert werden, um die Behandlung gezielter auf die Patientinnen abzustimmen.
Veränderungen im Tumorgewebe beeinflussen die Prognose
Die Forscherinnen und Forscher analysierten 1454 Gewebeproben von mehr als 500 Patientinnen aus der international durchgeführten klinischen Phase-3-Studie Penelope-B. Dabei wurden gezielt Proben, die vor Beginn der Chemotherapie gewonnen wurden, mit Proben nach der Therapie verglichen. Dabei stellten sie fest, dass aggressive Tumoren des Typs Luminal B häufig unter der Therapie in eine weniger aggressive Luminal A-Form übergehen. In späteren metastasierten Stadien können einige der Tumore jedoch wieder in den aggressiveren Luminal-B-Phänotyp zurückkehren.
„Die Einteilung in Luminal A und Luminal B ist für eine initiale Charakterisierung sinnvoll, aber nicht ausreichend“, erklärt Prof. Denkert. „Unsere Forschung zeigt, dass der Tumor sich an die Therapie anpasst und sich dadurch sein Verhalten ändert. Um die Behandlung effektiver zu gestalten, müssen wir nicht nur eine Momentaufnahme des Tumors betrachten, sondern seine Entwicklung über die Zeit hinweg analysieren.“
Adaptive Subtypen als neuer Klassifikationsansatz
Auf Basis ihrer Erkenntnisse entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine neue Klassifikation, die sogenannten adaptive Cluster (AC-Subtypen). Diese basiert auf dem gezielten Vergleich von Tumorproben vor und nach der Chemotherapie. Die Subtypen geben Aufschluss darüber, ob eine Patientin ein hohes oder niedriges Risiko für eine erneute Tumorbildung hat.
„Mit den AC-Subtypen können wir besser vorhersagen, welche Patientinnen von einer intensiveren Nachbehandlung profitieren und welche eine weniger aggressive Therapie erhalten sollten“, sagt Prof. Loibl.
Neue Perspektiven für personalisierte Krebstherapie
Die Studie liefert wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung personalisierter Therapiekonzepte in der Onkologie. Sie zeigt, dass es nicht ausreicht, Brustkrebs nur nach herkömmlichen Subtypen zu klassifizieren. Vielmehr sollte das Ansprechen auf die Therapie berücksichtigt werden, um die individuell beste Behandlungsstrategie zu wählen.
„Unsere Forschungsergebnisse legen den Grundstein für eine präzisere Klassifikation von Brustkrebs und könnten künftig helfen, die Behandlung gezielter an den Krankheitsverlauf anzupassen“, fasst Denkert zusammen.
Die Ergebnisse müssen nun in weiteren Studien validiert werden, bevor sie in die klinische Praxis übernommen werden können. Langfristig könnten sie jedoch dazu beitragen, die Therapieeffektivität zu erhöhen und unnötige Nebenwirkungen für Patientinnen zu vermeiden.
Die Untersuchungen wurden von der Deutschen Krebshilfe im Förderschwerpunkt Translationale Onkologie (Integrate-TN, #70113450) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Verbundforschungsprojekt SATURN3 (#01KD2206M) gefördert.
Hintergrund Brustkrebs: Der sogenannte luminale Brustkrebs ist eine Untergruppe des Brustkrebses, die auf molekularen Eigenschaften basiert. Es handelt sich um den häufigsten Subtyp von Brustkrebs (70% aller Erkrankungen). Luminale Tumoren sind positiv für Hormonrezeptoren. Diese Klassifikation wird typischerweise durch Untersuchung von Gewebeproben oder genetische Tests ermittelt. Luminaler Brustkrebs wird weiter in zwei Hauptkategorien unterteilt: Luminal A und Luminal B. Für ein erfolgreiche Therapie könnte allerdings eine erweiterte, feinere Klassifikation ausschlaggebend sein, wie die aktuelle Marburger Studie zeigt.
Hintergrund UCT-FM: Das UCT Frankfurt-Marburg ist ein Comprehensive Cancer Center-Konsortium der Universitätsmedizin Frankfurt und des Krankenhauses Nordwest sowie des Universitätsklinikums Marburg. Es vernetzt die fachrichtungsübergreifende und heimatnahe Patientenversorgung und treibt die gemeinsame translationale und klinische Krebsforschung sowie die Ausbildung von medizinischen Fachkräften und Wissenschaftler*innen in der Onkologie voran. Die Deutsche Krebshilfe hat das UCT Frankfurt-Marburg als eines von 14 deutschen Onkologischen Spitzenzentren ausgezeichnet.
Weitere Informationen auf der Webseite des UCT-Frankfurt Marburg:
https://www.uct-frankfurt-marburg.de
Hintergrund GBG: Die GBG Forschungs GmbH ist ein akademisches Forschungsinstitut im Süden Frankfurts mit einem Fokus auf der Brustkrebstherapie. Die GBG führt klinische Studien der Phasen II-III eigenverantwortlich oder als Dienstleister durch. Ein starkes Engagement der GBG liegt in der patientenorientierten translationalen Forschung.
Weitere Informationen www.gbg.de oder linkedin
Bildtext: Molekulare Untersuchung von Tumorproben. Im Hintergrund ist das Muster der Genveränderungen von mehr als 300 Genen in mehr als 1000 Tumorproben zu sehen. Aus diesem Muster lässt sich erkennen, wie sich der Tumor unter der Therapie verändert. Linke Seite: Brustkrebsgewebe unter dem Mikroskop, rechte Seite: Veränderungen der Tumortypen während der Therapie (Bild: S. Rachakonda, C. Denkert)
Bild zum Download: https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2025/lumab
Prof. Dr. Carsten Denkert
Institut für Pathologie
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 58 62271
E-Mail: carsten.denkert@uni-marburg.de
Originalveröffentlichung: Carsten Denkert, Sibylle Loibl et al, (2025) Cancer Cell 43, 232-247, DOI: https://doi.org/10.1016/j.ccell.2025.01.002
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