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26.08.2004 11:15

Die Lutherin jenseits der historischen Romane

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Eine Promotion am Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig wagt einen Neuansatz und spürt der ''Katharina von Bora in den schriftlichen Zeugnissen ihrer Zeit'' nach.

    Der als Herausgeber der Tischreden Luthers bekannte Reformationshistoriker Ernst Kroker veröffentlichte 1906 das Lebensbild ''Katharina von Bora''. Nachfolgende Biografen bezogen sich nicht nur auf das Lebensbild, das der Leipziger Stadtbibliothekar von Luthers Ehefrau gezeichnet hatte. Sie stützten sich zugleich weitgehend auf die Quellen und Zeugnisse, derer sich bereits Kroker bedient hatte. Jetzt sucht eine Promotion am Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig neu nach ''Katharina von Bora in den schriftlichen Zeugnissen ihrer Zeit''.

    ''Ich wusste auch nicht, worauf ich mich einlasse'', sagt Sabine Kramer. Zum 500. Geburtstag Katharina von Boras gehörte sie zum Kreis der evangelischen Pfarrerinnen, die das Jubiläumsjahr 1999 vorbereiteten. Jetzt, fünf Jahre darauf, ist sie noch immer mit ''Luthers Käthe'' beschäftigt: Sabine Kramer arbeitet an ihrer Dissertation über eine Frau der frühen Neuzeit, die ohne ihren berühmten Ehemann kaum aus dem Dunkel der Geschichte getreten wäre und die doch gleichwohl eines sie selbst erhellenden Schlaglichtes bedarf.
    Nein, eine neue Biografie der Lutherin schreibt die Hallenser Pfarrerin, die am Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig von Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg betreut wird, nicht. Davon grenzt sich Sabine Kramer deutlich ab. Betrachten die meisten Autoren des 19. Jahrhunderts die Bora mit den Augen des Ehemannes, so wandelte sich zwar im Zuge des Jubiläums das Bild hin zu einer großartigen Frau. Doch beide Sichtweisen, so die Doktorandin, benutzen Katharina von Bora als Vorbild: Hie das Weib von sittsam-frommem Gemüt als untertänige Idealfrau des Bürgertums; da die beruflich und familiär Tüchtige, die in Zeiten der Doppelbelastung frohen Mutes bleibt.
    Sabine Kramer sucht - jenseits der historischen Romane - nach den Spuren der ''Katharina von Bora in den schriftlichen Zeugnissen ihrer Zeit''. Sie will wissen: ''Was steckt hinter der idealtypischen Zeichnung der historischen Person?'' Damit wendet sich erstmals nach dem Reformationshistoriker Ernst Kroker, er hatte 1906 das Lebensbild ''Katharina von Bora'' veröffentlicht, eine Untersuchung wieder den zeitgenössischen überlieferten Quellen zum Leben der Ehefrau von Martin Luther zu. Bislang waren es zumeist die von Kroker erschlossenen Zeugnisse, auf die sich die biografische Werke und historische Publikationen zu Katharina von Bora gestützt haben.

    Sabine Kramer geht an die Wurzel biografischer Schilderungen und Interpretationen zurück; fragt nach den Quellen, die von und über Katharina von Bora zu berichten wissen; gewichtet die Aussagen der zeitgenössischen Überlieferung. Kurzum, die Pfarrerin an der Marktkirche Halle/S. will die ''Patina'' der ersten und idealen evangelischen Pfarrfrau, die sich über Katharina von Bora gelegt hat, abheben. ''Das Klischee zerfällt ja schon damit, dass Mönche bereits vor Luther geheiratet haben und Luther gar kein Pfarrer war ...''
    Das Material, das Sabine Kramer für ihre Studie nutzen kann, ist beschränkt: Zwar sind rund 500 Briefe und Schriftstücke sowie circa 30 Flugschriften aus ihrer Lebenszeit (1499 bis 1552) überliefert, die sich mehr oder minder ausführlich mit Katharina von Bora befassen - sei es, dass Grüße an Käthe übermittelt werden, dass eine Nachricht an Luthers Gattin gerichtet ist oder dass sie von Gegnern der Reformation diffamiert wird. Doch nur der geringste Teil der diversen Schriftstücke ist unmittelbar an sie gerichtet; ein noch geringer Teil trägt ihren Absender. Bekannt ist jedoch: Katharina von Bora hat viele Briefe verfasst - nicht zuletzt an Luther. Der aber warf sie vermutlich allesamt weg, weil er sich - nach eigener Aussage - vor Papier nicht retten konnte.

    Ob der geringe Teil von acht überlieferten Briefen Katharinas auch aus ihrer Feder stammt, ist nicht sicher. ''Damals bediente man sich zumeist eines Schreibers'', erläutert Sabine Kramer; und ob die Widmung, die Katharina von Bora für das Geschenkexemplar des Gesangbuches ''Geistliche Lieder'' an Dorothea von Preußen (Ehefrau des Herzogs Albrecht von Preußen) schrieb, tatsächlich von ihrer Hand rührt - und also einen Schriftvergleich erlauben würde - ''das wissen wir nicht''. Zudem erschwert es die zeittypisch übliche Formalisierung der Briefe - sechs gingen nach Luthers Tod an evangelische Fürsten und Landesherren -, heute eine individuelle Note Katharina von Boras aus ihnen zu lesen.

    Vorsichtig gewichtet Sabine Kramer die Schriftzeugnisse, wägend zieht sie ihre Schlussfolgerungen. Zu dem Bild, das vor den Augen der Theologin aus den Schriftzeugnissen Katharina von Boras entsteht, gehört, dass sie sich in einem dichten und reichen Beziehungsgeflecht bewegt hat und dass hochschätzend von ihr gesprochen wurde. Dass sie die Zügel in ihrem Haus fest in der Hand hatte und dass man sich mitunter - so man ihre häusliche Autorität ankratzte - vor ihrer Reaktion zu fürchten hatte. Dass sie sehr umsichtig und geschickt zu wirtschaften und Luthers Haus zu einem beachtlichen Hauswesen zu vergrößern wusste. Dass sie Luther durchaus eine Gesprächspartnerin war und auch in theologischen Diskursen ihre Stimme erhob. Gleichwohl: ''Von den Wittenberger Reformatoren wurde kein Bild von ihr gezeichnet'', gibt Sabine Kramer zu bedenken. Weder reagierten die Zeitgenossen Luthers auf Schmähschriften gegen die ''entlaufene Nonne, die ihre Gelübde gebrochen hat'' und ''die andere Nonnen zur Nachahmung anstiftet'', ''die Luther auf den Leim gegangen ist'' und mit ihm in ''einer unlauteren Verbindung'' lebt. Noch nahm sich die evangelische Kirche nach ihrem Tode den Lebenszeugnissen und der Lebensgeschichte der Lutherin an. Erst das frühe 17. Jahrhundert, in dem Verteidigungsschriften verfasst werden, markiert den Beginn der historiografischen und biografischen Beschäftigung mit Katharina von Bora.
    Die letztlich spärliche Überlieferung legt für Sabine Kramer eine Konsequenz nahe: ''Katharina von Bora muss uns ein bisschen fremd bleiben.'' Das heißt, zu erkennen, ''dass vieles, was wir publizieren, eine Projektion auf sie ist''. Heißt aber auch, das Beeindruckende im Leben Katharina von Boras zu würdigen: die Flucht aus dem Kloster - ohne den Ausgang diese Schrittes absehen zu können. ''Sie kann uns Christen und Christinnen ein Vorbild sein als eine Frau, die durch den Glauben den Mut zu einer unkonventionellen Lebensentscheidung gefunden hat.''

    Daniela Weber

    Weitere Informationen:
    Institut für Kirchengeschichte
    Telefon: 0341 97-35430
    E-Mail: voelkel@theologie.uni-leipzig.de

    Sabine Kramer
    E-Mail: marktkirche.halle@web.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/~kirchge


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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