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25.04.2025 10:43

Wird Krypto zur Schattenbank? Berliner Forscher zeigen fundamentalen Wandel der Kryptowährungen auf

Christine Xuan Müller Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Eine aktuelle Studie der Politikwissenschaftler Christopher Olk und Louis Miebs von der Freien Universität Berlin zeigt, dass sich das globale Kryptowährungssystem grundlegend gewandelt hat: Das ursprünglich als Alternative zum Banken- und Staatsgeld gedachte Krypto-System hat sich zu einem kreditbasierten Schattenbankensystem entwickelt. Die Forscher plädieren daher für eine politische Neubewertung von Kryptowährung, bei der auch eine Regulierung – ähnlich wie bei klassischen Banken – in Betracht gezogen werden müsse. Angesichts der jüngsten Entwicklungen stelle sich die zentrale politische Frage: Wer darf in Zukunft Geld schaffen – und unter welchen Regeln?

    Die Studie „A credit theory of anti-credit money: How the cryptocurrency sphere turned into a shadow banking system“ ist im Fachjournal Review of International Political Economy erschienen und abrufbar unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09692290.2025.2476738#abstract

    Ausgangspunkt der Analyse ist die Krypto-Krise von 2022, als Stablecoins wie TerraUSD und die Börse FTX kollabierten. Diese Ereignisse waren den beiden Forschern zufolge keine isolierten Betrugsfälle, sondern Symptome einer systemischen Entwicklung: Kryptowährungen funktionieren heute zunehmend wie Geld – aber nur, weil zentralisierte Plattformen Kreditbeziehungen schaffen, Liquidität bereitstellen und Konvertibilität mit staatlichem Geld ermöglichen.

    Insbesondere sogenannte Stablecoins – also an nationale Währungen gekoppelte Kryptowährungen – gelten den Forschern zufolge als „Schatten-Geld“. Sie bieten eine scheinbare Preisstabilität und ermöglichen die Konvertierung in staatliche Währungen, ohne selbst staatlich abgesichert zu sein. Damit übernehmen sie zentrale Funktionen des Finanzsystems – jedoch in regulatorischen Grauzonen. „Die Krypto-Erfinder*innen wollten ursprünglich ein Gegenmodell zum konventionellen, bankenbasieren Geldsystem schaffen“, erklärt Studienautor Christopher Olk. „Das Gegenteil ist eingetreten: Die Krypto-Sphäre wird heute dominiert von Schattenbanken und ist ein fester Bestandteil des konventionellen Geldsystems geworden“.

    Zentralisierte Börsen wie FTX agierten laut der Studie ähnlich wie Banken, jedoch ohne Lizenz oder Aufsicht. Ihre Bilanzen waren oft hochriskant, was sie anfällig für klassische Bank Runs machte – wie sich 2022 eindrücklich zeigte. Die Folge: Ein Vertrauensverlust, der sich über das gesamte Krypto-Ökosystem ausbreitete und Milliardenwerte vernichtete. „Wir kennen diese Entwicklung aus 500 Jahren Kapitalismus gut“, meint Christopher Olk: „In Zeiten niedriger Renditen entwickeln private Akteure gerne neue Kreditprodukte, die wie Geld funktionieren sollen, aber nicht wie Geld reguliert sind. Wenn die Blase irgendwann platzt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Staat rettet die neuen Geldformen und reguliert sie anschließend – wie etwa nach 2008 – oder sie verschwinden eben wieder.“

    Das Kryptosystem ist bisher nicht verschwunden. Im Gegenteil: Mit Unterstützung politischer Akteure, etwa durch Donald Trumps zweite Präsidentschaft, hat es sich zu neuen Höhen aufgeschwungen. Die Autoren sehen darin ein Zeichen, dass die Integration in das staatlich gestützte Finanzsystem weiter voranschreitet – und fordern eine klare politische Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung. „Die Krypto-Sphäre steht heute an einem Wendepunkt“, so Louis Miebs. „Entweder wird sie, wie zurzeit in der EU, stärker reguliert und erhält damit eine neue Legitimität – oder sie bleibt eine systemische Risikozone, deren nächste Krise nur eine Frage der Zeit ist.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Christopher Olk, Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, E-Mail: christopher.olk@fu-berlin.de
    Louis Miebs, Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, E-Mail: louismie@mail.de


    Originalpublikation:

    https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09692290.2025.2476738#abstract


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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