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05.05.2025 10:23

Partizipative Formate der NS-Erinnerung wirken

Claudia Roth Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Wie kann die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wachgehalten werden? Viele Gedenkstätten, Museen und Archive setzen auf partizipative und digitale Formate, um mehr und vor allem jüngere Menschen zu erreichen. Doch bislang fehlten wissenschaftliche Erkenntnisse über deren Wirkung. Erstmals zeigt eine neue Untersuchung von Forschenden des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und der Hertie School in Zusammenarbeit mit den Arolsen Archives: Aktive Erinnerungsarbeit motiviert die Teilnehmenden, sich über das konkrete Projekt hinaus für Gedenkarbeit und eine offene Gesellschaft zu engagieren.

    In zwei randomisierten Studien mit rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verglichen die Forschenden die Wirkung aktiver Erinnerungsarbeit mit reiner Informationsvermittlung. Im Zentrum der Untersuchung stand das Projekt #everynamecounts, ein digitales Crowdsourcing-Projekt der Arolsen Archives, bei dem Freiwillige historische Dokumente zur Verfolgung verschiedener Gruppen in der NS-Zeit digitalisieren. Eine Hälfte der Teilnehmenden nahm aktiv an diesem Projekt teil und digitalisierte Karten von Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald. Die andere Gruppe erhielt lediglich Informationen über die NS-Verfolgung und die archivierten Dokumente (Studie 1) oder gar keine Informationen (Studie 2). Anschließend wurden die Gruppen befragt.

    Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Teilnehmer*innen der aktiven Gruppe waren nach dem Projekt stärker motiviert, sich für Gedenkprojekte zu engagieren, und im Schnitt auch bereit, mehr dafür zu spenden. Sie gaben außerdem an, sich gegen Diskriminierung und für Menschenrechte einsetzen zu wollen – besonders hoch war ihre Bereitschaft, einer Initiative beizutreten oder eine Petition zu unterschreiben, die sich gegen Antisemitismus richtet.

    Die Studie verdeutlicht, dass partizipative Erinnerungsarbeit das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit stärkt – möglicherweise der entscheidende Unterschied zwischen partizipativer Erinnerungsarbeit und reiner Informationsvermittlung. So stimmten Teilnehmer*innen aus der aktiven Gruppe nach Projektende eher den Aussagen zu, dass sie dazu beitragen können, die NS-Verbrechen in Erinnerung zu halten, und damit einen wichtigen Beitrag zu einer Zukunft ohne Hass und Ausgrenzung leisten.

    „Unsere Ergebnisse belegen das Potenzial partizipativer Ansätze im Vergleich zu traditionellen Methoden, die sich auf reine Informationsvermittlung konzentrieren“, sagt Studienkoordinatorin Ruth Ditlmann von der Hertie School. „Sie stärken das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit – ein zentraler Motor für bürgerschaftliches Engagement.“

    Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die aktive Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen auch das Bewusstsein für andere historische Ungerechtigkeiten – etwa Kolonialverbrechen – fördern kann. Teilnehmende waren anschließend stärker motiviert, der Opfer des deutschen Kolonialismus zu gedenken oder Archive zu unterstützen, die dieses Unrecht dokumentieren. „Dies steht, zumindest auf der individuellen Ebene, im Gegensatz zur Annahme, Erinnerungsarbeit sei ein Nullsummenspiel, bei dem unterschiedliche Gedenkanlässe um Aufmerksamkeit konkurrieren“, sagt WZB-Forscherin Berenike Firestone.

    Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives, betont: „Die aktive und niedrigschwellige Einbindung von Menschen in digitale Erinnerungsprojekte ist uns extrem wichtig. Die Studie zeigt nun sogar: Wenn Menschen sich bei #everynamecounts engagieren, entsteht eine kollektive und wirkungsvolle Gedenkarbeit, die in dieser Form bisher nicht möglich war – persönlich und gleichzeitig global verbunden und mit anderen im Austausch.“

    Die Studie „Participating in a Digital-History Project Mobilizes People for Symbolic Justice and Better Intergroup Relations Today“ von Ruth Ditlmann, Berenike Firestone und Oguzhan Turkoglu ist in der Zeitschrift Psychological Science erschienen.

    Gefördert wurde die Untersuchung von der VolkswagenStiftung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Berenike Firestone, Abteilung Transformationen der Demokratie
    berenike.firestone@wzb.eu

    Claudia Roth, Stellvertretende Leiterin Kommunikation
    Tel.: 030 – 25491 510
    claudia.roth@wzb.eu


    Originalpublikation:

    https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/09567976251331040


    Weitere Informationen:

    https://arolsen-archives.org/
    https://everynamecounts.arolsen-archives.org/ (Mehr Informationen zu den Arolsen Archives und dem Projekt #everynamecounts)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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