Ein Forschungsteam am Carl-Ludwig-Institut für Physiologie der Universität Leipzig hat erstmals gezeigt, wie sich der Energiegehalt einzelner Nervenzellen im Gehirn während sogenannter Depolarisationswellen, Aktivitätswellen die bei verschiedenen Hirnerkrankungen entstehen, verändert. Die Ergebnisse liefern wichtige Grundlagen für das Verständnis des Energiestoffwechsels bei akuter Mangeldurchblutung, wie sie etwa beim Schlaganfall auftritt. Die Studie wurde aktuell im renommierten Fachmagazin PNAS veröffentlicht. Am 10. Mai ist bundesweiter „Tag gegen den Schlaganfall“.
Adenosintriphosphat, kurz ATP, ist der zentrale Energieträger in Nervenzellen. In der aktuellen Studie nutzten Wissenschaftler des Carl-Ludwig-Instituts für Physiologie eine eigens entwickelte Mauslinie, deren Nervenzellen im Gehirn ein fluoreszierendes Sensorprotein produzieren. Die Nervenzellen zeigten dadurch, wieviel Energie sie gerade zur Verfügung haben. Mithilfe hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie konnten die Forschenden live beobachten, wie sich der ATP-Gehalt in einzelnen Nervenzellen während Depolarisationswellen verändert. Die Depolarisationswellen im Gehirn, bei der sich die Nervenzellen ähnlich wie bei einem Kurzschluss nacheinander entladen, werden mit einem fortschreitenden Gewebeschaden beim Schlaganfall in Verbindung gebracht. Bisher gab es keine Studien dazu, wie sich der zentrale Energieträger ATP in individuellen Nervenzellen während dieser Depolarisationswellen verändert.
„Unsere Studie liefert erstmals hochauflösende Einblicke, wie und wann Nervenzellen im Gehirn bei akuter Mangelversorgung, wie bei einem Schlaganfall, ihre Energiereserven verlieren“, sagt Dr. Karl Schoknecht vom Carl-Ludwig-Institut für Physiologie, Erstautor der Studie. „Interessanterweise erschöpfen sich die Energiereserven nicht gleichmäßig, sondern im Zuge der Depolarisationswellen. Das Modell soll in weiteren Projekten genutzt werden, um therapeutische Ansätze bei Schlaganfällen zu testen, die den massiven Energieverlust bei Depolarisationswellen verhindern sollen“, so der Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät.
Die Untersuchungen in der aktuellen Studie zeigen: Schon im gesunden Gewebe führen diese Wellen zu einem kurzfristigen Abfall des ATP-Gehalts. Besonders deutlich wurde der Effekt der Depolarisationswellen unter Bedingungen von Energiemangel – wie sie beim Schlaganfall herrschen. Hier beschleunigten sie den ATP-Abfall massiv, so dass sich die Energiereserven der Nervenzellen erschöpften. Selbst nach dem Auftreten von Depolarisationswellen sind Nervenzellen grundsätzlich noch in der Lage, ihre ATP-Reserven wieder aufzufüllen, sofern ihnen erneut Glukose und Sauerstoff zugeführt werden. Der Zusammenbruch des Energiestoffwechsels ist also prinzipiell noch umkehrbar.
Für die Untersuchungen simulierte das Team Schlaganfall-ähnliche Bedingungen, indem sie Glukose und Sauerstoff in der Nährlösung entfernten. Parallel wurden die Depolarisationswellen mit elektrophysiologischen Methoden erfasst. Die Ergebnisse sind grundlagenwissenschaftlicher Natur.
Die Studie vereint am Carl-Ludwig-Institut für Physiologie die Expertise in modernster Mikroskopie von Prof. Dr. Jens Eilers, die Entwicklung spezieller Mausmodelle von Prof. Dr. Johannes Hirrlinger und den Forschungsschwerpunkt auf Depolarisationswellen im Gehirn von Dr. Karl Schoknecht.
Dr. Karl Schoknecht
Carl-Ludwig-Institut für Physiologie, Medizinische Fakultät
Universität Leipzig
E-Mail: karl.schoknecht@medizin.uni-leipzig.de
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2415358122
Originalpublikation in PNAS: „Spreading depolarizations exhaust neuronal ATP in a model of cerebral ischemia“. DOI: 10.1073/pnas.2415358122
Mithilfe hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie konnten die Forschenden live beobachten, wie sich d ...
Foto: Colourbox
Dargestellt sind farbkodierte Signale des ATP-Sensors‚ den die Nervenzellen der Mäuse exprimieren. D ...
Abbildung: Dr. Karl Schoknecht
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