Physik: Veröffentlichung in Nature
Der internationalen Forschungskollaboration BASE, zu der auch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) gehört, ist erstmals mithilfe einer autonomen und offenen „Penning-Falle“ der Transport von Protonen außerhalb eines Labors gelungen. Dies ist ein wichtiger Schritt dahin, am Forschungszentrum CERN erzeugte Antiprotonen in Hochpräzisionslabore außerhalb des Forschungszentrums zu transportieren, zum Beispiel an die HHU. Nur weit entfernt von Beschleunigeranlagen können extrem genaue Messungen zum Vergleich von Materie und Antimaterie gemacht werden, wie die Forschenden nun in der Fachzeitschrift Nature erläutern.
Protonen sind Grundbausteine der Materie, sie bilden mit den Neutronen die Atomkerne. Diese winzig kleinen, positiv geladenen Teilchen besitzen ein Antimateriependant, das „Antiproton“. Letztere haben eine negative Ladung und ein umgekehrtes magnetisches Moment, haben aber ansonsten identische Eigenschaften wie das Proton – zumindest nach dem Standardmodell der Teilchenphysik.
Die BASE-Kollaboration (Baryon Antibaryon Symmetry Experiment) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf sucht nach winzig kleinen Unterschieden zwischen Protonen und Antiprotonen. Prof. Dr. Stefan Ulmer, Physiker an der HHU, Gründer und Sprecher von BASE: „Um mögliche Unterschiede beim magnetischen Moment oder beim Ladung-zu-Masse-Verhältnis feststellen zu können, benötigen wir extrem hohe Messgenauigkeiten. Diese sind am CERN kaum noch erreichbar, da dort das durch die Beschleuniger erzeugte magnetische Hintergrundrauschen zu hoch ist. Wir wollen deshalb Antiprotonen, die am CERN produziert wurden, nach Düsseldorf bringen, um sie hier in einem neuen, extrem gut abgeschirmten Labor zu vermessen.“
Niederenergetische Antiprotonen, die für solche Hochpräzisionsmessungen nutzbar wären, können nur am CERN produziert werden. Dort vor allem an der „Antimateriefabrik“ (AMF) am „Antiproton Decelerator“ (AD), an dem das BASE-Experiment angesiedelt ist. Hier ist es bereits gelungen, die Antiprotonen vollständig abzubremsen und in einer sogenannten Penningfalle zu speichern.
Der Transport der Antiprotonen in ein anderes Labor, dazu noch über viele hundert Kilometer hinweg, ist eine sehr komplexe Aufgabe. Dem BASE-Team ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg gelungen: Sie entwickelten ein robustes transportables, supraleitendes, offenes – das es erlaubt, Antiprotonen zu anderen Experimenten zu transferieren – und autonomes Penning-Fallensystem namens BASE-STEP, mit dem sie im Herbst 2024 erstmals eine Protonenwolke aus der AMF extrahierten und mithilfe eines Lkw über das CERN-Gelände transportierten.
Marcel Leonhardt, Masterand bei Prof. Ulmer und Erstautor der Veröffentlichung: „Wir haben so den verlustfreien Transport von Protonen demonstriert, konnten die Falle ohne externe Energieversorgung vier Stunden lang autonom laufen lassen und sie nach dem Transport verlustfrei weiter betreiben. Der Transfer von Teilchen ist damit über größere Entfernungen im normalen Straßenverkehr möglich.“
Dr. Christian Smorra von der HHU, Projektleiter von BASE-STEP und Letztautor der Studie, ergänzt: „Die Transportreichweite des Systems kann mit mobilen Stromgeneratoren beliebig erhöht werden, so dass längere Transportwege und -zeiten möglich werden. Unsere Vision ist, so in Zukunft Labore in ganz Europa zu erreichen.“
Nachdem die Funktionsfähigkeit des Transportsystems mit Protonen gezeigt wurde, wird nun in einem nächsten Schritt der Transport von Antiprotonen angegangen. Smorra: „Gelingt auch dies, stehen wir am Beginn einer neuen Ära in der Antimaterie-Präzisionsforschung. Dann können wir Antiprotonenspektroskopie in den am besten geeigneten Laboren durchführen – zukünftig auch an der HHU.“
Die Technik bietet weitere Möglichkeiten. Prof. Ulmer abschließend: „Es sollte möglich sein, andere exotische Teilchen und Moleküle wie hochgeladene Ionen zum Beispiel von der GSI in Darmstadt oder geladene Antimaterie-Ionen und -Molekülionen zu transportieren und unabhängig von Beschleunigern zu untersuchen.“
Die Forschungsarbeiten wurden wesentlich über einen ERC-Grant, den Dr. Smorra eingeworben hat, finanziert.
Zum Hintergrund: Hochpräzisionsexperimente zur CPT-Invarianz
Mit dem Antiproton als grundlegenden Bestandteil der Antimaterie sind strenge Materie-Antimaterie-Vergleiche möglich. Dahinter steht die Frage, ob sich Materie und Antimaterie in Charakteristiken wie Masse, Ladung und magnetisches Moment unterscheiden. Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik darf es keine Unterschiede geben, aber allein schon die Materiegenese nach dem Urknall legt nahe, dass es sie geben muss.
Unter anderem wollen die Forschenden die grundlegende sogenannte Ladungs-Paritäts-Zeit-Umkehrinvarianz (CPT) im Standardmodell der Teilchenphysik testen. Diese besagt, dass jeder Vorgang, der aus einem anderen möglichen Vorgang durch Vertauschen von Materie mit Antimaterie und zusätzlicher Spiegelung des Raumes sowie einer Umkehr der Zeitrichtung hervorgeht, ebenfalls im Einklang mit den Gesetzen der Physik steht und damit möglich ist.
Unter Verwendung von niederenergetischen Antiprotonen an der AMF wurden solche Tests durch Hochpräzisionsspektroskopie von antiprotonischen Atomen – Atome, bei denen das Elektron durch ein Antiproton ersetzt wurde – und Antiwasserstoff durchgeführt. Beim Vergleich der magnetischen Momente von Proton und Antiproton erreichte die BASE-Kollaboration bisher eine Genauigkeit von 1,5 Teilen pro Milliarde.
BASE gelang auch der bisher präziseste Test der CPT-Invarianz für Baryonen (schwere Teilchen, die in der Regel aus drei Quarks bestehen; hierzu gehören Proton und Antiproton), bei dem das Ladung-zu-Masse-Verhältnis verglichen wurde. Es wurde eine relative Unsicherheit von 16 Teilen pro Billion erreicht.
Die BASE-Kollaboration
Die 2013 gegründete Kollaboration mit Sitz am AMF am CERN umfasst Forschungsinstitute in Deutschland, Japan, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz.
Zu ihr gehören:
- CERN – Europäische Organisation für Kernforschung, Genf, Schweiz
- Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich, Schweiz
- GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH, Darmstadt
- Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
- Imperial College London, UK
- Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
- Leibniz-Universität Hannover
- Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
- Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig
- RIKEN – Institut für Physikalische und Chemische Forschung, Wako, Japan
- Universität Tokio, Japan
Gründer und Sprecher der Kollaboration ist Prof. Dr. Stefan Ulmer, Institut für Experimentalphysik der HHU und Chief Scientist am RIKEN in Japan.
M. Leonhardt, D. Schweitzer, F. Abbass, K. K. Anjum, B. Arndt, S. Erlewein, S. Endo, P. Geissler, T. Imamura, J. I. Jäger, B. M. Latacz, P. Micke, F. Voelksen, H. Yildiz, K. Blaum, J. A. Devlin, Y. Matsuda, C. Ospelkaus, W. Quint, A. Soter, J. Walz, Y. Yamazaki, S. Ulmer, and C. Smorra. Proton Transport from the Antimatter Factory of CERN. NATURE (2025).
DOI: 10.1038/s41586-025-08926-y
https://home.cern/science/experiments/base
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BASE / Julia Jäger
BASE-STEP auf einem Transferwagen; rechts die BASE-Mitarbeitenden von der HHU Fatma Abbass und Dr. C ...
BASE / Barbara Maria Latacz
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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