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21.05.2025 13:33

Hinweise für das Alltagsleben statt Aufruf zum Hass

Blandina Mangelkramer Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    FAU-Forschungsprojekt zur Frage, ob in Moscheen radikale Inhalte gepredigt werden

    Islamische Predigten gelten oft als Quelle von Radikalisierung. Das Projekt „Wechselwirkungen“, angesiedelt am Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), ist der Frage nachgegangen, inwieweit in deutschen Moscheen radikale Inhalte gepredigt werden. FAU-Islamwissenschaftler Dr. Jörn Thielmann kommt zu dem Schluss: Es sind nicht Hasspredigten, die dominieren, sondern Hinweise für eine religiös-moralische Lebensführung im Alltag.

    Die Predigt, sie ist essenzieller Bestandteil eines jeden Freitagsgebets in der Moschee. In der deutschen Öffentlichkeit wird sie dabei immer wieder vor allem als Quelle von Radikalisierung gesehen. Doch Hass erleben durchschnittliche Moscheegänger/-innen entgegen dieser weitverbreiteten Annahme nicht. Stattdessen beschäftigen sich „Mainstream-Predigten“ meist mit Themen das religiöse Alltagsleben betreffend sowie mit zwischenmenschlichen Beziehungen und Verhältnissen, Erziehung und Bildung, Tugenden, Spiritualität etc.

    „Oft geht es in den Predigten um allgemeine moralische Ermahnungen und Hinweise, die auch jeder nicht gläubige Mensch unterschreiben könnte“, sagt Dr. Jörn Thielmann. Der Geschäftsführer des Forschungszentrums für Islam und Recht in Europa (EZIRE) an der FAU und „Wechselwirkungen“-Projektleiter weiter: „Thematisiert wird beispielsweise, dass es wichtig es ist, seine Kinder auf deren Bildungsweg zu fördern, in der Familie respektvoll miteinander umzugehen, eine gute Nachbarschaft zu pflegen, sich zum Wohl der Gesellschaft einzubringen oder sich für den Umweltschutz und hilfsbedürftige Menschen einzusetzen.“

    Konsequente Ablehnung von Extremen und Gewalt

    Die Predigten befassen sich außer mit religiösen Fragen, wenn auch nicht so häufig, ebenso mit gesellschaftlichen und politischen Themen. Hierzu zählen etwa Krieg und Frieden, Terrorismus und Extremismus, Heimat, Integration, Migration und Partizipation, Gesellschaft, Rassismus, Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. „Muslimische Verbände sprechen die negativen Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen einerseits deutlich an, mahnen aber gleichzeitig zu einer konstruktiven und friedlichen Bewältigung dieser Erfahrungen“, betont der FAU-Wissenschaftler.

    Extremismus und Radikalität würden sie als existenzielles Problem für sich und für die deutsche Gesellschaft erkennen. Dr. Jörn Thielmanns Schlussfolgerung: „Sie vermitteln ihren Gläubigen die konsequente Ablehnung von Extremen und Gewalt und eine Orientierung an der ‚Gemeinschaft der Mitte‘, also der Mäßigung. Sie fordern daher nachdrücklich zu rechtstreuem, aktivem Engagement nicht nur für andere Musliminnen und Muslime, sondern für die gesamte Gesellschaft auf.“

    Kein Hass und zugleich fehlendes Gehör

    Grundlage für die Erkenntnisse der Forschung, die europaweit erst am Anfang steht, sind die Auswertungen der teilweise bis 2005 zurückgehenden online veröffentlichten Predigten von den drei großen muslimischen Verbänden Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V. (IGMG) und Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ). Diese stehen für rund 1.500 von insgesamt etwa 2.300 Moscheen und Gebetsräumen in Deutschland, die einen Großteil der Muslim/-innen in Deutschland erreichen. Hinzu kam der stichprobenartige Vergleich, um sicherzugehen, dass die von den Verbänden bundesweit vergebenen Predigten auch tatsächlich wie schriftlich veröffentlicht gehalten werden und sich die türkische und die deutsche Fassung der jeweiligen Freitagspredigt nicht unterscheiden.

    Dr. Jörn Thielmanns abschließendes Fazit: „Die Predigten, die in den Moscheen der bekannten türkischstämmigen Verbände gehalten werden, haben völlig akzeptable Inhalte und beinhalten nichts, an was man sich reiben müsste.“ Für den Islamwissenschaftler ergeben sich dagegen andere Handlungsempfehlungen: „Leider findet die Tatsache, dass in den Predigten regelmäßig zum gesamtgesellschaftlichen Engagement aufgerufen wird und ethische Positionen vertreten werden, die überall Akzeptanz finden sollten, weder in den Medien noch in der Politik Gehör und damit auch nicht in einer breiteren Öffentlichkeit.“

    Wechselwirkungen islamistischer Radikalisierung

    Die Auseinandersetzung mit islamischen Predigten (verantwortet von Gesamtprojektleiter Dr. Jörn Thielmann unter Mitarbeit von FAU-Wissenschaftler Dr. Serdar Aslan) ist eines von insgesamt sechs Teilprojekten des Projekts „Wechselwirkungen“. Dieses ist von 2000 bis Ende 2024 aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Fragen nachgegangen, wie sich gesellschaftliche Diskurse um Islamismus auf muslimische Communitys auswirken und welche Folgen Maßnahmen gegen Radikalisierung für sie haben.

    Ansprechpartner für Medien:
    Dr. Jörn Thielmann
    FAU Forschungszentrums Islam und Recht in Europa
    Tel.: 09131/85-22239
    joern.thielmann@fau.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Jörn Thielmann
    FAU Forschungszentrums Islam und Recht in Europa
    Tel.: 09131/85-22239
    joern.thielmann@fau.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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