Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) hat kürzlich ein Papier vorgelegt, in dem von einer „sich dramatisch zuspitzenden Finanznot“ der Kommunen des Freistaates die Rede ist. Das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen der Universität Leipzig hat jetzt die Ergebnisse seiner Kommunalbefragung Sachsen veröffentlicht, die sich mit der Einschätzung des SSG decken. Woran liegt es, dass die kommunalen Kassen im Freistaat so leer sind und die Investitionstätigkeit der Kommunen sogar unter dem ostdeutschen Durchschnitt liegt? Fragen an den Finanzwissenschaftler Dr. Mario Hesse, den Geschäftsführer des Kompetenzzentrums für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) der Uni Leipzig.
Herr Dr. Hesse, worin sehen Sie die Ursachen für die derzeit sehr schwierige Finanzsituation der sächsischen Kommunen?
Die Ursachen sind vielgestaltig. In den letzten Jahren konnten wir beobachten, dass die Herausforderungen für die Kommunen auf der Ausgabenseite immer größer geworden sind. Die Folgen der Corona-Pandemie, die Energiepreiskrise 2022 oder Kostensteigerungen in der Bauwirtschaft haben zusätzliche Kosten für die Kommunen mit sich gebracht. Gleichzeitig haben sich die Einnahmen der Kommunen nur schwach entwickelt. Die allgemeine Stagnation des wirtschaftlichen Wachstums schlägt ziemlich direkt auf die Steuereinnahmen der Kommunen durch – bundesweit und in Sachsen.
Das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen der Universität Leipzig hat jetzt ein Paper mit den Ergebnissen seiner Kommunalbefragung Sachsen veröffentlicht. Wie hoch ist Ihrer Umfrage zufolge der kommunale Investitionsbedarf in Sachsen?
Der von uns berechnete kommunale Investitionsbedarf liegt derzeit allein bis zum Jahr 2028 bei rund 10,9 Milliarden Euro. Dazu kommen noch einmal 2,1 Milliarden Euro für Instandhaltungsmaßnahmen an der bestehenden Infrastruktur, die sich nicht direkt dem Investitionsbereich zuordnen lassen. Zusammen gehen wir also von einem Infrastrukturbedarf von rund 12 Milliarden Euro aus.
Wie viele Kommunen haben Sie wie befragt?
Wir haben eine Kommunalbefragung unter den sächsischen Städten, Gemeinden und Landkreisen durchgeführt, an der sich rund 130 Kommunen beteiligt haben. Das ist bei rund 400 Kommunen im Freistaat Sachsen ein sehr ordentliches Ergebnis. Wir bitten die Kommunen in einem recht detaillierten Fragebogen, Angaben zu Investitions- und Instandhaltungsbedarfen in verschiedenen kommunalen Aufgabenbereichen zu machen. Daraus rechnen wir die Gesamtergebnisse hoch. Außerdem befragen wir die Kommunen zu aktuellen Schwerpunkten und auch zu Hindernissen, die sie an der Umsetzung ihrer Projekte hindern. Die Methodik erlaubt uns zum einen verlässliche Hochrechnungen und zum anderen tiefere Einblicke in die Welt der Infrastrukturplanung.
Worin sehen Sie die Ursachen dafür, dass die Investitionstätigkeit der sächsischen Kommunen sogar unter dem ostdeutschen Durchschnitt liegt?
In den letzten zehn Jahren hat sich das Investitionsgeschehen in den Kommunen Sachsens bereits deutlich belebt. Die Ursachen liegen eher im Zeitraum 2002 bis 2015. In dieser Zeit wurde stark an den Investitionsprogrammen gespart, Stichwort „Schwarze Null“, und es ist ein erheblicher Investitionsrückstand aufgelaufen. Dieser Befund lässt sich mit wenigen Ausnahmen bundesweit feststellen. Die Kommunen sind heute noch immer damit beschäftigt, diesen Rückstand abzubauen und sich parallel neuen Herausforderungen zu widmen. Zwischenzeitlich sind allerdings die Preise für Bauleistungen deutlich gestiegen, sodass heute eigentlich die Investitionsbedarfe von gestern mit neuen Preisschildern finanziert werden müssen.
Was müsste sich tun, um diese Situation zu entschärfen?
Wie gesagt, die Investitionsausgaben sind in den letzten Jahren bereits spürbar gestiegen. Das ist zunächst eine gute Nachricht. Daher ist es zunächst wichtig, dass dieser positive Trend fortgesetzt wird. Würde dagegen wie vor 20 Jahren wieder an den Investitionen gespart, würden die Bedarfe weiter steigen. Das Investitions-Sondervermögen des Bundes, das zum Teil auch an Länder und Kommunen gehen soll, ist da ein hilfreicher Baustein. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Kommunen durch die Förderbürokratie gelähmt sind. Es braucht daher schnelle und bürokratiearme Verfahren, um zusätzliche Finanzmittel schnell an die Kommunen zu bringen. Je pauschaler, desto besser. Eine gute Nachricht ist in diesem Zusammenhang, dass die Bauwirtschaft bereit ist, die zusätzlichen Investitionen zu realisieren. Die Befürchtung, dass zusätzliche Milliarden vor allem die Preise nach oben springen lassen, würde ich derzeit nicht teilen.
Dr. Mario Hesse
Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) am Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management, Universität Leipzig
Telefon: +49 341 – 97 33 582
E-Mail: hesse@wifa.uni-leipzig.de
https://www.wifa.uni-leipzig.de/fileadmin/Fakult%C3%A4t_Wifa/Institut_f%C3%BCr_%... Kommunalbefragung Sachsen, Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) der Universität Leipzig
Dr. Mario Hesse
Matthias Förster
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Politik, Verkehr / Transport, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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