idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.06.2025 12:05

Internationale Studie zeigt genetische Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen

Eva Schissler Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Ein Vergleich von genetischen Daten aus der ganzen Welt zeigt viele allgemeine sowie eine bevölkerungsspezifische genetische Veranlagung für die neurogenerative Krankheit Alzheimer. Die Ergebnisse ermöglichen präzisere und inklusivere Behandlungsmöglichkeiten / Veröffentlichung in „Nature Genetics“

    Eine neue internationale Studie, die vom Konsortium der European Alzheimer‘s and Dementia Biobank (EADB) koordiniert wurde, gibt Aufschluss darüber, welche genetischen Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen existieren und welche universell verbreitet sind. Die Studie ist die erste weltweite Untersuchung von polygenen Risikoscores (polygenic risk score – PRS) und deren Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken. PRS bezeichnet einen Wert, der die geschätzte genetische Anfälligkeit einer Person für bestimmte Krankheiten misst. Die Wissenschaftler*innen analysierten Daten von Bevölkerungsgruppen aus Europa, Asien, Afrika, Nordamerika, Südamerika und Australien. Von der Universität zu Köln waren Professor Dr. Dr. Alfredo Ramirez und sein Team von der Abteilung für Neurogenetik der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln sowie vom Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD beteiligt.

    Ein zentrales Ergebnis ist die Identifizierung von zwei unterschiedlichen genetischen Signaturen für die häufigeren, komplexen Formen der Alzheimer-Krankheit. Die eine Signatur wird in erster Linie von einem einzigen genetischen Faktor, dem Apolipoprotein E (APOE), bestimmt. Bei der anderen spielt hingegen die Kombination und Interaktion von etwa 75 weiteren genetischen Varianten eine Rolle. Die Studie ergab, dass die zweite Signatur in allen Populationen weitgehend übereinstimmt, was auf einen gemeinsamen biologischen Mechanismus schließen lässt, der für einen erheblichen Teil des weltweiten Alzheimer-Risikos verantwortlich ist. Die Ergebnisse der Studie „Transferability of European-derived Alzheimer‘s disease polygenic risk scores across multiancestry populations“ sind in dem Fachjournal Nature Genetics erschienen.

    Seit über acht Jahren widmen sich Professor Ramirez und sein Team in Köln der Genetik von Alzheimer in bisher wenig untersuchten Bevölkerungsgruppen, insbesondere aus Lateinamerika. Als einer der Studienleiter und Mitglied des EADB-Lenkungsausschusses leitet Ramirez die Forschungsvorhaben des Konsortiums zur genetischen Vielfalt von Alzheimer. Diese Arbeit hat bereits wichtige Ergebnisse, besonders für lateinamerikanische Kohorten, hervorgebracht, die in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.

    Da die genetische Vielfalt in verschiedenen Ländern zunimmt, ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, welche Risikofaktoren bevölkerungsspezifisch und welche in allen Bevölkerungen gleich sind. Diese Forschung ist von großer Bedeutung für die Präzisionsmedizin, bei der Präventionsmaßnahmen und Behandlungsmethoden von Krankheiten auf die genetische Beschaffenheit von Einzelpersonen und Bevölkerungsgruppen zugeschnitten werden können.

    Die Wissenschaftler*innen ermittelten die polygenen Risikoscores anhand der aktuellen Genome-Wide Association Study (GWAS) zur Alzheimer-Krankheit (veröffentlicht in Nature Genetics im Jahr 2022). Die statistische Übersicht enthält eine genomweite Liste der genetischen Varianten, die mit der Krankheit in Verbindung stehen, und gibt an, wie stark die einzelnen Varianten zum Risiko beitragen. Anhand einer Unterscheidung zwischen der Gruppe der an Alzheimer Erkrankten und der gesunden Kontrollpersonen in der Datenbank ermittelten die Forschenden, wie gut der PRS-Wert zwischen ihnen unterscheidet.

    Die aktuelle Studie konnte feststellen, dass die Auswirkungen des APOE-Gens in den verschiedenen Populationen sehr unterschiedlich sind, im Gegensatz zu den anderen 75 genetischen Varianten, die weltweit als genetische Risikofaktoren für Alzheimer gelten. Diese Variabilität bei APOE ist wahrscheinlich auf derzeit noch nicht bekannte genetische Unterschiede innerhalb der genomischen Region zurückzuführen, die das APOE-Gen enthält. Dies deutet darauf hin, dass dieses Gen eine zentrale Rolle bei den unterschiedlichen Prävalenz- und Risikowerten in den verschiedenen ethnischen und regionalen Gruppen spielt.

    Außerdem ergab die Studie, dass polygene Risikoscores in allen untersuchten Populationen spezifisch für die Alzheimer-Krankheit und nicht für Demenz im weiteren Sinne sind, weshalb eine genaue klinische Diagnose notwendig ist. Dieses Ergebnis zeigt zudem, dass polygene Risikoscores sich als Instrument zur Verbesserung klinischer Studien eignen könnten, da Wissenschaftler*innen Personen mit einem hohen genetischen Risiko für Alzheimer identifizieren und Personen mit potenziellen diagnostischen Unsicherheiten ausschließen können.

    Alfredo Ramirez sagt: „In einer Zeit, in der Einwanderung und Vielfalt zunehmend politisiert werden, unterstreicht diese Studie die Bedeutung integrativer Wissenschaft. Bisher befassten sich die meisten Forschungsarbeiten mit Personen europäischer Abstammung, die in Industrieländern leben. Das stellte die Verallgemeinerbarkeit und Gerechtigkeit hinsichtlich unterversorgter Bevölkerungsgruppen aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und unterschiedlicher ethnischer Herkunft infrage. Unserer Studie zeigt, wie globale Zusammenarbeit und die Berücksichtigung der genetischen Vielfalt nicht nur das wissenschaftliche Verständnis verbessern, sondern auch die gesundheitliche Chancengleichheit und Integration fördern. Unsere Forschungsarbeit verdeutlicht, dass die globale Gesundheit nur verbessert werden kann, wenn die Wissenschaft alle Menschen berücksichtigt und ihnen gleichermaßen dient, unabhängig von ihrer Herkunft.“

    Die neue Studie ermöglicht es, die zugrunde liegende Biologie der Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen, indem sie genetische Komponenten vergleicht und analysiert. Somit ebnet sie den Weg für umfassendere, wirksamere und gezieltere Behandlungsstrategien. Die Autor*innen sehen darin einen großen Fortschritt im weltweiten Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Professor Dr. Dr. Alfredo Ramirez
    Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie & CECAD Exzellenzcluster für Alternsforschung
    +49 221 478 98041
    alfredo.ramirez-zuniga@uk-koeln.de


    Originalpublikation:

    https://www.nature.com/articles/s41588-025-02227-w


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).