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24.07.2025 09:25

Meilenstein in der Antimaterieforschung

Imke Frischmuth Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

    Erstmals konnten Forschende ein einzelnes Antiproton – das Antimateriependant des Protons – fast eine Minute lang kontrolliert zwischen zwei Spin-Quantenzuständen hin- und herpendeln lassen.

    Veröffentlichung in Nature: Antiproton fast eine Minute lang kontrolliert und beobachtet / PTB beteiligt an der internationalen BASE-Kollaboration

    Dem Team der BASE-Kollaboration am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf ist ein Durchbruch in der Antimaterieforschung gelungen: Erstmals konnten die Forschenden ein einzelnes Antiproton – das Antimateriependant des Protons – fast eine Minute lang kontrolliert zwischen zwei Spin-Quantenzuständen hin- und herpendeln lassen. Zu der Kollaboration gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zahlreicher internationaler Institutionen, darunter auch der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Die nun in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie markiert die weltweit erste Realisierung eines Quantenbits (kurz Qubits) aus Antimaterie. „Dies ist ein Meilenstein, der eine völlig neue Qualität in der Kontrolle von Antiteilchen darstellt“, erklärt Prof. Dr. Christian Ospelkaus (PTB und Leibniz Universität Hannover), dessen Team an den Arbeiten beteiligt ist.

    Antiprotonen besitzen dieselbe Masse wie Protonen, tragen jedoch eine entgegengesetzte elektrische Ladung. Beide Teilchen verhalten sich wie winzige Stabmagnete: Ihr sogenannter Spin zeigt – vergleichbar mit einer Kompassnadel – in eine von zwei Richtungen. Das präzise Messen des damit einhergehenden sogenannten magnetischen Moments, insbesondere durch kontrolliertes „Umklappen“ des Spins, zählt zu den zentralen Werkzeugen der modernen Quantenmesstechnik. Denn hierüber können fundamentale Naturgesetze experimentell überprüft werden.

    Bei der in Nature vorgestellten Studie kam die Methode der „kohärenten Spin-Quantenübergangsspektroskopie“ zum Einsatz. Diese ermöglicht die hochpräzise Manipulation und Beobachtung einzelner Spinzustände. Hintergrund der Messungen war der Test der sogenannten CPT-Symmetrie (Ladung, Parität, Zeitumkehr): Sie fordert, dass sich Materie und Antimaterie – abgesehen von ihren entgegengesetzten Ladungen – exakt gleich verhalten, sie sollten also im Universum auch gleich häufig auftreten. Tatsächlich aber zeigt die Welt eine erhebliche Asymmetrie: Sie besteht nahezu vollständig aus Materie. Dies ist ein bis heute ungelöstes Rätsel der modernen Physik.
    Die BASE-Kollaboration hat nun erstmals einen solchen Spinübergang bei einem einzelnen, freien Kernspin eines Antiprotons kohärent demonstriert und beobachtet – was physikalisch und technisch eine enorme Herausforderung ist.

    Beteiligung der PTB

    Quanten-Bits oder Qubits spielen in der PTB und der Leibniz Universität Hannover eine wichtige Rolle. Die Arbeitsgruppe von Prof. Christian Ospelkaus, die an den Arbeiten der BASE-Kollaboration beteiligt ist, entwickelt Quantencomputer basierend auf gespeicherten Ionen. Mit diesen Methoden ließen sich weitere Verbesserungen der Messgenauigkeit an Protonen und Antiprotonen erzielen, indem Rechenoperationen von Quantencomputern auf die „Antiprotonen-Qubits“ angewendet würden. „Durch solche ‚Quantengatter‘ könnte das Antiproton über ein gespeichertes Ion manipuliert werden und der Quantenzustand des Antiprotons auf ein gespeichertes Ion übertragen werden“, so Ospelkaus. In der PTB wird diese Methode auch für Atomuhren und für extrem präzise Spektroskopie an Molekülionen und hochgeladenen Ionen verwendet.

    Bereits in früheren Arbeiten zeigte die BASE-Kollaboration, dass die magnetischen Momente von Protonen und Antiprotonen bis auf wenige Milliardstel Teile identisch sind. Doch gibt es einen Unterschied? Eine essenzielle Frage, denn eine noch so geringe Abweichung verletzte die CPT-Symmetrie und lieferte somit Hinweise auf neue Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. Durch umfassende Verbesserungen am Aufbau gelang es nun, die erste kohärente Spektroskopie eines Antiprotonspins zu ermöglichen. Damit erzeugte das Forschungsteam nicht nur ein stabiles Antimaterie-Qubit, sondern sie ermöglichten auch völlig neue Messmethoden.

    Der nächste große Schritt ist bereits geplant: Mit dem neu entwickelten BASE-STEP-System (https://www.hhu.de/die-hhu/presse-und-marketing/aktuelles/pressemeldungen-der-hh...) sollen Antiprotonen künftig in transportablen Präzisionsfallen in besonders präparierte Präzisionslabore gebracht werden. Dort können deutlich längere Spinkohärenzzeiten erzielt und damit eine weit höhere Messgenauigkeit erreicht werden.

    Die BASE-Kollaboration

    Die 2012 gegründete Kollaboration mit Sitz an der AMF am CERN umfasst Forschungsinstitute in Deutschland, Japan, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite von BASE.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Christian Ospelkaus, QUEST 3 "Quantum Engineering mit gespeicherten Ionen“, Tel.: (0531) 592-4740, E-Mail: christian.ospelkaus(at)ptb.de


    Originalpublikation:

    B. M. Latacz, S. R. Erlewein, M. Fleck, J. I. Jäger, F. Abbass, B. P. Arndt, P. Geissler, T. Imamura, M. Leonhardt, P. Micke, A. Mooser, D. Schweitzer, F. Voelksen, E. Wursten, H. Yildiz, K. Blaum, J. A. Devlin, Y. Matsuda, C. Ospelkaus, W. Quint, A. Soter, J. Walz, Y. Yamazaki, C. Smorra, and S. Ulmer: Coherent Spectroscopy with a Single Antiproton Spin; Nature (2025)
    DOI: 10.1038/s41586-025-09323-1


    Bilder

    Dr. Barbara Maria Latacz, Wissenschaftlerin am CERN und Erstautorin der Studie, bei der Justierung der Fallenelektronik.
    Dr. Barbara Maria Latacz, Wissenschaftlerin am CERN und Erstautorin der Studie, bei der Justierung d ...

    Copyright: CERN


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Dr. Barbara Maria Latacz, Wissenschaftlerin am CERN und Erstautorin der Studie, bei der Justierung der Fallenelektronik.


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