Weltberühmter Perito Moreno-Gletscher schwindet rasant
Eines der eindrucksvollsten Naturschauspiele der Welt wird zu unseren Lebzeiten sehr wahrscheinlich nicht mehr zu sehen sein: Noch zwischen 1940 und 2011 schnitten die Eismassen des Perito-Moreno-Gletschers im Süden Argentiniens recht häufig einen Teil des Lago Argentino vom Rest dieses riesigen Sees ab und stauten das Wasser mehrere Meter hoch auf. Bis der steigende Wasserdruck sich schließlich einen Weg durch den Damm aus Eis suchte. Nicht nur dieser gewaltige Durchbruch, sondern auch die imposante Hochhaus-hohe Gletscher-Kulisse, von der immer wieder große Eismassen abbrachen und in den See stürzten, lockten viele Touristen in diese sonst recht einsame Weltgegend. Damit dürfte es jetzt für einige Jahrzehnte vorbei sein, legt die Studie eines Forschungsteams des Instituts für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg nahe. In der Fachzeitschrift Nature Communications Earth and Environment berichtet die Gruppe von einem rasanten Schwinden des Gletschers, der bisher als stabil galt. Während andere Eismassen in Patagonien sich stark zurückzogen, pendelte der Perito-Moreno-Gletscher bis vor kurzem im Jahreszyklus um vielleicht 50 Meter hin und her. Seit 2019 aber hat sich die Situation dramatisch geändert.
Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Partnern in Argentinien hat die FAU-Gruppe zum Vermessen des Gletschers ein spezielles Radarsystem eingesetzt. Dieses Georadar kann durch das Eis hindurch den festen Boden unter dem Gletscher abtasten. „Das ist bei den in Patagonien häufigen großen Wassermengen im Eis enorm herausfordernd“, erklärt FAU-Forscher Moritz Koch. Obendrein hat der Perito Moreno Gletscher mit etwa 250 Quadratkilometern ungefähr die dreifache Fläche der Stadt Erlangen. Um in diesem riesigen Gebiet schnell und effizient die Dicke des Eises und das Bett des Gletschers zu vermessen, wurde das Radar an einem Helikopter befestigt. Zusätzlich wertete das Team hochaufgelöste Satellitendaten der deutschen TanDEM-X Mission aus, die mit einem Radarsystem aus dem Weltraum die Höhe der Erdoberfläche und damit auch des Gletschers misst.
So entstand eine Karte des bisher unbekannten Gletscherbettes und die jahrzehntelange Entwicklung der Eismassen ließ sich analysieren. Rund zwei Jahrzehnte verlor der Perito Moreno Gletscher demnach vom Jahr 2000 bis 2019 jedes Jahr rund 34 Zentimeter Dicke und schmolz damit relativ langsam. Danach beschleunigte sich dieses Schrumpfen am Ende der Gletscherzunge enorm auf das rund 16-fache der vorherigen Werte und lag von 2019 bis 2024 bei einer Rate von 5,5 bis 6,5 Meter im Jahr. Alle zwölf Monate verringerte sich die Dicke des Eises um die Höhe eines Einfamilienhauses. Der Perito Moreno wird aber nicht nur dünner, sondern auch kürzer: Stellenweise wich die Gletscherzunge über 800 Meter weit zurück. Der Gletscher ist demnach rasant auf dem Rückzug. Er wird daher den Lago Argentino in absehbarer Zukunft nicht mehr in zwei Hälften zerschneiden.
Die Karte des Untergrunds zeigte dann rasch den Hintergrund dieser Beschleunigung. „Unter der Gletscherzunge gibt es einen Felsrücken, der wie ein Ankerpunkt wirkt“, erklärt Moritz Koch. Diese Barriere im Untergrund hielt den Gletscher anscheinend viele Jahrzehnte lang im Gleichgewicht. Nach gängigen Vorstellungen bildete sich nach stärkeren Schneefällen in den Bergen mehr Eis, der Perito Moreno rückte vor und bildete vielleicht einen Eisdamm zur Magellan-Halbinsel auf der anderen Seite des Lago Argentino aus. Verringerten sich die Niederschläge, wich das Eis wieder ein paar Meter zurück. Insgesamt aber sorgte der Ankerpunkt im Untergrund dafür, dass der Gletscher relativ wenig um sein Gleichgewicht herum schwankte.
Vom Ankerpunkt gelöst
Genau das hat sich inzwischen geändert: „Unsere Daten zeigen, dass sich der Gletscher aktuell von seinem Ankerpunkt löst“, fasst FAU-Forscher Moritz Koch ein zentrales Ergebnis der Studie zusammen. Hat der Gletscher erst einmal seinen Halt verloren, beschleunigen sich die Vorgänge enorm. Wird die Eisdecke dünner und damit leichter, gibt das Wasser des Lago Argentino dem fest auf dem Seegrund liegenden Gletscher mehr Auftrieb. Dadurch bricht mehr Eis von der Gletscherzunge ab und der Rückzug beschleunigt sich weiter.
Ist die Fläche des Perito Moreno bereits jetzt um zwei Quadratkilometer geschrumpft, könnten so weitere 15 Quadratkilometer und damit die Fläche von mehr als zweitausend Fußballfeldern verloren gehen, zeigen erste Modellrechnungen. „Auch wenn das Eis dann an einer anderen Stelle weiter talaufwärts ein neues Gleichgewicht findet, hat der Klimawandel schon jetzt eines der eindrucksvollsten Naturschauspiele der Erde zerstört“, meint Moritz Koch. Und damit auch der Wirtschaft dieser entlegenen Region einen schweren Schlag versetzt, die sehr stark vom Tourismus rund um dieses Naturspektakel abhängt.
Bildmaterial zum Download: https://www.fau.de/2025/08/news/schmelzende-gletscher-wenn-der-ankerpunkt-nicht-...
Direkt zur Studie: https://www.nature.com/articles/s43247-025-02515-7
Ansprechpartner für Medien:
Moritz Koch
Institut für Geographie
Tel.: 09131/85-67964
moritz.koch@fau.de
Moritz Koch
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https://www.nature.com/articles/s43247-025-02515-7
https://www.fau.de/2025/08/news/schmelzende-gletscher-wenn-der-ankerpunkt-nicht-... Bildmaterial zum Download
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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