Podiumsgespräch über die Kontroverse im Anschluß an die Friedenspreisrede von Martin Walser in der Philipps-Universität
Das Fach "Neuere deutsche Literatur und Medien" der Philipps-Universität Marburg veranstaltet am Donnerstag, 28. Januar 1999, um 20 Uhr im Audimax der Universität eine Podiumsdiskussion über die "Walser Debatte", die in den letzten Monaten heftig und leidenschaftlich geführt wurde. Diese Kontroverse, die hohe Wellen schlug, wurde von einem der prominentesten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur ausgelöst, beherrschte rasch alle Medien, weil sie entscheidende Fragen von Politik und Gesellschaft unmittelbar berührt. Viele Disziplinen sind also gefordert, wenn es um eine Einordnung und Bewertung dieser Debatte geht. Der Politologe Theo Schiller (zugleich Vizepräsident der Philipps Universität), die Marburger Literatur und Medienwissenschaftler Thomas Anz, Gerhart Pickerodt und Heinz B. Heller diskutieren mit dem Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter (Gießen) und dem Rechtsanwalt, Politiker und Fernsehmoderator Michel Friedman (Frankfurt). Moderiert wird die Veranstaltung von dem Medienwissenschaftler Karl Prümm (Marburg).
Walsers Dankesrede nach der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche war der Anlaß des Streits. Walsers Text Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede forderte die Kontroverse heraus, nicht durch die Entschiedenheit oder Schärfe der Positionen, sondern durch das Unbestimmte und Mehrdeutige. Die Rede ist solchermaßen von Widersprüchen und Paradoxien durchzogen, daß Mißverständnisse und Fehldeutungen nahezu unvermeidlich waren. Die persönlichen Auseinandersetzungen und Polemiken sind dabei eher vordergründig. Daher ist die Debatte auch nach der aufwendig inszenierten Versöhnung zwischen Martin Walser und Ignatz Bubis keineswegs beendet, sondern sie hat erst begonnen.
In diesem Sinne will die Podiumsdiskussion nicht den Streit wieder aufrollen oder duplizieren. Vielmehr sollen die Dimensionen dieser Debatte, ihre Voraussetzungen und Wirkungen besprochen, wesentliche und vernachlässigte Kontexte herausgearbeitet werden. Es soll deutlich werden, welche entscheidenden Fragen der Streit aufgeworfen hat: Wie geht die bundesrepublikanische Gesellschaft mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus um? In welcher Weise erinnert sie an den Holocaust? Welche Formen der Erinnerung sind diesem Ereignis angemessen, heute und in einer Zukunft, in der es keine Zeugen mehr geben wird? In welcher Weise soll diese Vergangenheit medial und bildhaft präsent sein? Welche Rolle in dieser Erinnerungsarbeit spielen die intellektuellen und die Literaten? Kann es in der Erinnerung an den Holocaust eine exemplarische, verantwortungsbewußte Rede geben, an der sich andere ausrichten oder muß dies dem "Gewissen!" des einzelnen überlassen bleiben? Wie soll eine "neue Rede", eine "neue Sprache", nach der allenthalben verlangt wird, konturiert sein, die sowohl dem historischen Ereignis wie auch der zeitlichen Distanz gerecht wird? Öffnet die Debatte einem populären Überdruß an "Vergangenheitsbewältigung" und "Wiedergutmachung" die Tür? Kommt sie dem weit verbreiteten Wunsch entgegen, nun endlich einen Schlußstrich zu ziehen? Entspricht der Tenor der Debatte einer neuen burschikosen, machtbewußten Unbefangenheit, die vor Eintritt in das neue Jahrtausend und in die neue Berliner Republik Schuld und Entschädigung ein für allemal regeln möchte?
Solche und ähnliche Fragen sollen auf dem Podium und in Gespräch mit dem Publikum behandelt werden.
Subjektive Erinnerung und kollektives Gedächtnis -
die Vergangenheit des Holocaust in der Zukunft.
Ein Podiumsgespräch über die Kontroverse im Anschluß an die
Friedenspreisrede von Martin Walser
Teilnehmer
Michel Friedman (Frankfurt)
Horst Eberhard Richter (Gießen)
Theo Schiller (Marburg)
Thomas Anz (Marburg)
Heinz B. Heller (Marburg)
Gerhart Pickerodt (Marburg)
Moderation: Karl Prümm (Marburg)
Donnerstag, der 28. Januar 1999, 20 Uhr Audimax der Philipps-Universität Marburg (Hörsaalgebäude, Biegenstraße 14)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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