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28.10.2025 15:06

Dopamin erhöht die Bereitschaft, auf Belohnungen zu warten

Gabriele Meseg-Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Das Ergebnis einer neuen Studie zeigt, dass L-DOPA, eine Vorstufe des Neurotransmitters Dopamin, Menschen dazu bringt, länger auf Belohnungen zu warten / Veröffentlichung im „Journal of Neuroscience“

    Ein Forschungsteam der Universität zu Köln hat eine der umfangreichsten Studien zum Einfluss von Dopamin auf menschliche Entscheidungsprozesse durchgeführt. Als Neurotransmitter erfüllt Dopamin verschiedene Funktionen und spielt beispielsweise bei Motivation und Belohnung eine wichtige Rolle. Das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Elke Smith und Professor Dr. Jan Peters vom Department Psychologie der Universität zu Köln beobachtete, dass die Testpersonen aufgrund von L-DOPA, einer metabolischen Vorstufe von Dopamin, welche dessen Ausschüttung im Gehirn erhöht, bereit waren, länger auf ihre Belohnungen zu warten. Der Effekt entsprach einer Verringerung der Impulsivität im Vergleich zur Placebo-Kontrollgruppe um etwa 20 Prozent. Dieser moderate Effekt stellt einige frühere einflussreiche Ergebnisse aus viel kleineren Studien in Frage, die zu dem Schluss gekommen waren, dass L-DOPA impulsive Entscheidungen verstärkt. Die Studie “Dopamine and temporal discounting: revisiting pharmacology and individual differences” wurde in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience veröffentlicht.

    Bei Entscheidungen bevorzugen Menschen oft kleinere sofortige Belohnungen gegenüber größeren, aber erst später eintreffenden Belohnungen – eine Tendenz, die als hyperbolische Diskontierung bezeichnet wird. Starke Diskontierung ist mit impulsiveren Entscheidungen verbunden und tritt häufig auf, wenn das Dopaminsystem des Gehirns verändert ist, beispielsweise bei Substanzmissbrauch und Verhaltenssüchten. Es ist zwar bekannt, dass Dopamin die Entscheidungsfindung beeinflusst, doch haben frühere Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt: Mal wurden die Menschen impulsiver, mal waren sie eher bereit zu warten. Viele dieser Studien basierten auf kleinen Stichproben, sodass es schwierig war, eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Um diese widersprüchlichen Ergebnisse zu klären, führte das Forschungsteam eine vergleichsweise groß angelegte Studie durch, in der zusätzliche Kovariablen berücksichtigt wurden, die individuellen Unterschieden in der Dopaminfunktion zugrunde liegen könnten und die Reaktion von Menschen auf dopaminverstärkende Medikamente beeinflussen können.

    In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie innerhalb derselben Proband*innengruppe erhielten 76 gesunde männliche und weibliche Teilnehmer*innen entweder ein Placebo oder L-DOPA und wählten zwischen einer kleineren sofortigen und einer größeren verzögerten Belohnung. Mithilfe der kognitiven Modellierung, einer Methode, bei der computergestützte mathematische und statistische Modelle zum Verständnis mentaler Prozesse eingesetzt werden, untersuchten sie weiter, wie Dopamin subtilere Aspekte der Entscheidungsfindung beeinflusst, darunter die Geschwindigkeit der Evidenzakkumulation (Sammeln von Informationen), die Vorsicht bei der Reaktion und die Verarbeitungsgeschwindigkeit.

    Die Teilnehmenden zeigten den bekannten „Magnitudeneffekt“: Größere Belohnungen verlieren mit der Zeit weniger an Wert als kleinere. L-DOPA führte dazu, dass die Teilnehmenden insgesamt etwas eher bereit waren, auf Belohnungen zu warten, veränderte jedoch den Magnitudeneffekt nicht maßgeblich. Außerdem hatte es keinen erkennbaren Einfluss darauf, wie schnell die Teilnehmenden Informationen sammelten, wie vorsichtig sie Entscheidungen trafen oder wie lange sie für ihre Antworten brauchten. Dies deutet darauf hin, dass die Wirkung von Dopamin auf das Warten auf Belohnungen möglicherweise weniger auf Veränderungen grundlegender Entscheidungsprozesse zurückzuführen ist, sondern vielmehr darauf, wie zukünftige Belohnungen im Zeitverlauf bewertet werden. Die Wissenschaftler*innen analysierten auch Messgrößen, von denen seit langem angenommen wird, dass sie den Dopamin-Ausgangswert widerspiegeln, wie beispielsweise die Arbeitsgedächtniskapazität, die spontane Augenblinkfrequenz und die Impulsivität. Hier war zu erwarten, dass sie die Reaktion des Einzelnen auf L-DOPA beeinflussen. Diese Indikatoren wurden in früheren Studien mit der Dopaminaktivität in verschiedenen Hirnkreisläufen in Verbindung gebracht – darunter präfrontale Bereiche, die an der kognitiven Kontrolle beteiligt sind, sowie subkortikale Regionen, die die Belohnungsverarbeitung unterstützen. Das Team fand jedoch keine solche Wechselwirkung, was darauf hindeutet, dass diese Messgrößen möglicherweise keine zuverlässigen direkten Indikatoren für den Dopamin-Ausgangswert sind.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass L-DOPA die Bereitschaft des Menschen erhöht, auf Belohnungen zu warten, und liefern damit neue Belege, die einige frühere einflussreiche Studien mit relativ kleinen Stichproben in Frage stellen“, sagt Dr. Elke Smith. „Interessanterweise konnten wir nicht feststellen, dass häufig verwendete Indikatoren für den Dopamin-Ausgangswert, wie beispielsweise die Arbeitsgedächtniskapazität, die spontane Augenblinkfrequenz oder die Impulsivität diesen Effekt beeinflussten. Meiner Ansicht nach erfassen diese Messungen zwar bedeutende individuelle Unterschiede, spiegeln jedoch wahrscheinlich nicht direkt die Dopamin-Ausgangswerte wider, sodass ihre Verwendung als solche möglicherweise nicht valide ist.“

    Diese Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis der dopaminergen Mechanismen bei, die Entscheidungsprozesse im Gehirn steuern, und helfen zu erklären, warum es unter veränderter Dopamin-Signalübertragung, etwa bei Suchterkrankungen, häufiger zu impulsiven Entscheidungen kommt. „Zukünftige Studien könnten sich damit befassen, wie Dopamin die Entscheidungsfindung bei Patient*innen beeinflusst, um Ansätze für zukünftige Interventionen zu liefern, die die dopaminerge Funktion gezielt beeinflussen sollen“, so Elke Smith.

    Presse und Kommunikation:
    Robert Hahn
    +49 221 470 2396
    r.hahn@verw.uni-koeln.de

    Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Elke Smith
    Department Psychologie, Universität zu Köln
    +49 221 470 7798
    elke.smith@uni-koeln.de


    Originalpublikation:

    Publikation:
    https://www.jneurosci.org/content/early/2025/10/23/JNEUROSCI.0786-25.2025


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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