Eine Studie des Instituts für Entrepreneurship der Universität Münster zeigt: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) folgt dem sogenannten Goldilocks-Prinzip: Weder zu wenig noch zu viel ist optimal. Beschäftigte sind bei moderater KI-Nutzung am zufriedensten, zu viel senkt das Wohlbefinden. Die Studienergebnisse sind in dem Fachjournal „Journal of Management Studies“ veröffentlicht.
In einer Zeit, in der Unternehmen weltweit Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, um Prozesse effizienter zu gestalten und neue Potenziale zu erschließen, stellt sich die Frage: Wie wirkt sich dieser technologische Wandel auf die Menschen aus, die in den Unternehmen arbeiten? Ein Forschungsteam des Instituts für Entrepreneurship der Universität Münster und der TU Braunschweig liefert nun neue Erkenntnisse zur Auswirkung von KI auf die Unternehmenspraxis und Digitalisierungskonzepte. Die Forscher zeigten, dass der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der KI-Adoption – also der Nutzung von KI-Systemen – in Unternehmen und der Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten keiner simplen, linear steigenden Funktion folgt. Stattdessen lässt sich der Zusammenhang als umgekehrte U-förmige Kurve beschreiben. In der Statistik wird eine solche Kurve verwendet, um einen Effekt zu erklären, bei dem ein Ergebnis bei mittleren Werten einer Ursache am höchsten ist und bei sehr niedrigen oder sehr hohen Werten wieder sinkt. Die Studienergebnisse sind in dem Fachjournal „Journal of Management Studies“ veröffentlicht.
Der Einsatz von KI in Unternehmen folgt dem sogenannten Goldilocks-Prinzip: Bei geringer Nutzung bleibt der erhoffte Effekt aus, da zu wenig Unterstützung nicht den gewünschten Mehrwert bringt. Bei mittlerem Einsatzniveau hingegen sind Angestellte am zufriedensten: KI übernimmt routinemäßige Aufgaben, ermöglicht mehr kreative und anspruchsvolle Tätigkeiten und macht die Arbeitsplätze dadurch spannender. Wird die KI jedoch zu intensiv eingesetzt, etwa durch hohe Automatisierung, kehrt sich der Effekt um: Die Zufriedenheit sinkt möglicherweise aufgrund von Autonomieverlust, eingeschränkter Kontrolle und steigender Komplexität. „Unsere Studie zeigt, dass die Adoption von KI weder grundsätzlich gut noch schlecht ist – alles hängt vom Maß ab“, sagt Dr. Colin Schulz, Erstautor der Studie. „Zu wenig, aber auch zu viel Technologie kann die Arbeitszufriedenheit mindern.“
Wie sich KI positiv oder negativ auf Beschäftigte auswirkt, hängt wesentlich von der Unternehmenskultur und dem organisatorischen Umgang mit Daten ab. In Unternehmen mit einer hohen „Exploration Orientation“, also einer Kultur von Risikobereitschaft, Experimentierfreude und Innovationsorientierung, vertragen Mitarbeiter ein höheres Maß an KI, bevor ihre Zufriedenheit sinkt. In Organisationen mit sehr strikter Datenverwaltung fallen die Ausschläge insgesamt geringer aus, da sich positive und negative Effekte eher ausgleichen. „Die Ergebnisse unterstreichen, dass der Umgang mit KI keine rein technische, sondern vor allem auch eine soziale Entscheidung ist“, betont Prof. Dr. David Bendig, Leiter der Studie. „Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbindet und KI-Prozesse sensibel gestaltet, kann den entscheidenden Unterschied machen.“
Die Untersuchung stützt sich auf einen Datensatz von 509 börsennotierten US-Unternehmen aus dem Zeitraum 2009 bis 2020. Dazu wurden elf Interviews mit Führungskräften aus diesen Unternehmen geführt.
Für jedes Unternehmen wurde das Ausmaß der KI-Adoption anhand einer computerunterstützten Textanalyse von Unternehmensdaten ermittelt. „Um die Zufriedenheit des Personals zu messen, haben wir die Bewertungen von Angestellten auf dem Portal ‚Glassdoor‘ genutzt. Das ist eine Online-Plattform für Arbeitgeberbewertungen und Gehaltsvergleiche. Für die Analyse haben wir rund 2,45 Millionen Bewertungen herangezogen“, erklärt Colin Schulz. Um ein tieferes Verständnis der Mechanismen zu gewinnen, führten die Forscher zusätzlich qualitative Interviews in ausgewählten Unternehmen durch. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der quantitative Muster mit konkreten Erfahrungsberichten kombiniert. Die Studie stützt sich auf die sogenannte Job Characteristics Theory, nach der bestimmte Eigenschaften von Arbeitsaufgaben, etwa Autonomie, Komplexität oder Lernmöglichkeiten, die Arbeitszufriedenheit maßgeblich beeinflussen.
Auch wenn die Studie auf US-Unternehmen aus der freien Wirtschaft basiert, lassen sich die Erkenntnisse auf andere Organisationen übertragen, beispielsweise auf Krankenhäuser oder andere Einrichtungen des Gesundheitswesens. „Gerade dort, wo Automatisierung und KI-gestützte Assistenzsysteme Einzug halten, ist die Perspektive der Angestellten von zentraler Bedeutung“, erklärt David Bendig. Für Führungskräfte oder Betriebsräte bedeute das, KI-Einführungen zu unterstützen, etwa zur Unterstützung administrativer Abläufe, Dokumentation oder Datenanalyse. Wird jedoch übermäßig automatisiert und der menschliche Handlungsspielraum eingeschränkt, kann das Gegenteil eintreten: Überforderung, Entmündigung und verminderte Motivation können die Folge sein. Die digitale Transformation muss daher mit organisatorischer Sensibilität und partizipativer Gestaltung einhergehen. David Bendig betont: „KI-Projekte sollten nicht nur aus Effizienzgedanken geplant werden, sondern immer auch mit Blick auf das Wohlbefinden der Menschen, die damit arbeiten.“
Dr. Colin Schulz
Institut für Entrepreneurship, Universität Münster
Leonardo-Campus 9, 48149 Münster
E-Mail: colin.schulz@uni-muenster.de
Schulz, C., Bendig, D., Bräunche, A. and Kindermann, B. (2025), Curse or Blessing: Investigating the Influence of Firms’ Artificial Intelligence Adoption on Employee Job Satisfaction. J. Manage. Stud.. https://doi.org/10.1111/joms.70004
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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