Physik: Veröffentlichung in Nature Communications
In der Mikro- und Nanowelt kann es rau zugehen. Damit trotzdem beispielsweise innerhalb von Zellen Nährstoffe optimal transportiert werden können, müssen die winzigen Transporter dort auf die fluktuierende Umgebung reagieren. Physiker der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Tel Aviv-Universität in Israel haben in Modellrechnungen untersucht, wie dies gelingen kann. In der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichen sie ihre Ergebnisse, die auch für zukünftige mikroskopische Maschinen relevant sein können.
Seeleute planen eine Ozeanüberquerung auch nach günstigen Wind- und Meeresströmungen und manövrieren, um Zeit und Energie zu sparen. Sie reagieren darüber hinaus auf zufällige Schwankungen von Wind und Strömungen, nutzen die Gunst von Wind und Wellen. Solche Abwägungen hinsichtlich der Energiekosten sind auch für Transportvorgänge im Mikro- und Nanokosmos von Bedeutung. Beispielsweise soll möglichst wenig Energie aufgewendet werden, um zwischen und innerhalb von biologischen Zellen Nährstoffe durch sogenannte molekulare Motoren von A nach B zu transportieren.
In der hochdynamischen Umgebung eines lebenden Organismus geht es aber wesentlich rauer zu. Die Schwankungen, auf die Mikrotransporter reagieren müssen, sich erheblich größer. Für eine optimale Bewegungsstrategien können aber auch große bekannte Kräfte wie der periodische Herzschlag ausgenutzt werden; die Teilchen können sozusagen auf Wellen des Mikrokosmos surfen.
Ein deutsch-israelisches Physikerteam unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Löwen vom Institut für Theoretische Physik II der HHU und von Prof. Dr. Yael Roichman von der Universität in Tel Aviv untersuchte nun, wie der Arbeitsaufwand minimiert werden kann, ein Teilchen innerhalb in einer mikroskopischen Umgebung bei vorgegebener Zeit zu einem Zielort zu bringen.
Prof. Löwen, Letztautor einer nun in Nature Communications veröffentlichten Studie: „Im günstigsten Fall lässt sich bei diesem Steuerungsproblem sogar noch Arbeit heraussaugen, wenn Fluktuationen und externe zeitabhängige Kräfte geschickt genutzt werden, um die Energiekosten des Transports zu optimieren.“
Solche Nanomaschinen, die aus Fluktuationen Energie gewinnen, interessieren Nanowissenschaften und Biologie. Die dahinterliegende Frage ist aber von grundlegender physikalischer Bedeutung, berührt sie doch zentrale Aspekte der Thermodynamik. Dr. Kristian Stølevik Olsen, Humboldt-Forschungsstipendiat an der HHU und Erstautor: „Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik legt fest, wie in der makroskopischen Welt Wärme in Arbeit umgewandelt wird. Die Vorgänge im Mikrokosmos können aber ganz anders aussehen und sind deshalb mit der makroskopischen Theorie nicht ausreichend beschreibbar.“
Die Autoren untersuchten das Steuerungsproblem mithilfe von Modellrechnungen, in denen Kolloidteilchen – Nano- bis Mikrometer-große Teilchen in einem Medium – durch „optische Pinzetten“ – Aufbauten, in denen mittels Licht sehr kleine Objekte manipuliert werden können – transportiert werden. Olsen: „Wir haben das Maximum an Arbeit gefunden, die aus einem solchen optisch getriebenen Nichtgleichgewichtssystem herausgeholt werden kann. Damit können wir sozusagen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik unter den vorliegenden Nebenbedingungen für sehr kleine fluktuierende Systeme verallgemeinern.“
„Bei einem bekannten externen Kraftfeld entwickelten wir ein optimiertes Protokoll, um ein Kolloidteilchen mit der optischen Pinzette zu führen, so dass möglichst viel Arbeit herausspringt. Indem externen Kräfte clever genutzt werden, setzen wir diese genau dann in Arbeit um, wenn sie benötigt wird“, führt Löwen aus. Olsen ergänzt: „Zwar müssen wir die wirkenden externen Kräfte vorab kennen. Aber kleine Ungenauigkeiten sind dabei unkritisch. Somit können unsere Ergebnisse praktisch genutzt werden.“
Während an der HHU vor allem die theoretischen Berechnungen durchgeführt wurden, befassten sich die Autoren von der Universität Tel Aviv auch mit Anwendungsperspektiven. Koautor Dr. Rémi Goerlich, Postdoc in Tel Aviv: „Die von uns untersuchten Vorgänge laufen genauso in mikroskopischen biologischen Prozessen innerhalb von Zellen ab. Das Erlernen optimaler Lösungen hilft dabei, die Energetik natürlicher Mikrosysteme zu verstehen und gegebenenfalls für künstliche Systeme zu nutzen.“
Prof. Roichman: „In unserem Labor können wir im Prinzip die Aussagen an Kolloiden in Laserfallen bestätigen. Die Theorie bildet so die Grundlage für zukünftige Nanomaschinen, mit denen beispielsweise Medikamente im Körper gezielt an Orte transportiert werden, an denen sie wirken sollen.“
Ausführliche Bildunterschrift:
Ein Teilchen (rote Kugel) wird von links zum Zielpunkt (rechts) mit einer Laserfalle (Doppelkegel) mit Hilfe eines in der Studie entwickelten Protokolls geführt, das durch den Parameter λ beschrieben wird. Dabei wirkt ein bekanntes zeitabhängiges externes Kraftfeld F (t). Das optimale Protokoll nutzt dieses Kraftfeld so aus, dass eine maximale Arbeit extrahiert wird. Dies lässt sich auf verschiedene externe Felder anwenden, auf aktive Teilchen und auf Transportprobleme von Mikrorobotern. (Graphik: HHU / Kristian S. Olsen)
K. S. Olsen, R. Goerlich, Y. Roichman, H. Löwen, Harnessing non-equilibrium forces to optimize work extraction, Nature Communications (2025) 16:11031
DOI: 10.1038/s41467-025-67114-8
Prinzipskizze Laserfalle. Ausführliche Bildunterschrift siehe Meldungstext.
Copyright: HHU / Kristian S. Olsen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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