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29.09.2004 13:01

Telemedizin bei Diabetes

Jutta Reising Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Die Verbreitung der Volkskrankheit Diabetes mellitus nimmt dramatisch zu: Allein in Deutschland sind nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO 4,8 Millionen Menschen betroffen, und bis 2010 soll die Zahl bereits auf sechs Millionen gestiegen sein. Vor diesem Hintergrund stellt eine effizientere Betreuung und Behandlung der zuckerkranken und insulinpflichtigen Patienten eine immer größere Herausforderung dar. Eine völlig neue Perspektive bietet hier ein telemedizinisches Versorgungsangebot, das sich ideal in entsprechende Diabetes-Betreuungsprogramme der Krankenkassen für chronisch erkrankte Menschen (so genannte Disease Management Programme) integrieren lässt. Entwickelt wird das auch für ältere Patienten problemlos handhabbare "homecare.diabetes System" von der Diabetes-Ambulanz der von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfram Domschke geleiteten Medizinischen Klinik B des Universitätsklinikums Münster (UKM) in Kooperation mit dem Bremerhavener Unternehmen blande.consulting.

    Der Diabetiker selbst braucht sein Verhalten im Grunde überhaupt nicht umzustellen. Die einzige Veränderung besteht darin, dass insulinpflichtige Patienten, die daran gewöhnt sind, Tag für Tag ihre Blutzuckerwerte in ein Diabetes-Tagebuch einzutragen, dafür künftig einen besonderen Stift verwenden. Dieser digitale Stift, der sich rein äußerlich kaum von einem konventionellen Kugelschreiber unterscheidet, verfügt trotz seiner Leichtigkeit über ein ausgefeiltes High-Tech Innenleben. Neben einer Miene steckt in ihm eine winzige Digitalkamera, mit der sämtliche geschriebenen Daten aufgenommen, digitalisiert und gespeichert werden. Hat der Patient seine Eintragung beendet, legt er den Stift einfach neben ein Mobiltelefon, über das die Daten in ein Servicecenter übertragen werden. Ein solcher digitaler Stift selbst ist keine neue Erfindung, sondern wird beispielsweise seit längerem von Außendienstmitarbeitern genutzt, die auf diese Weise eingeholte Aufträge online an ihre Firmen übermitteln. Neu ist aber sein Einsatz in der Diabetesversorgung.

    Nahezu zeitgleich mit der Eintragung ins Diabetes-Tagebuch ist das Team der Diabetes-Ambulanz der Medizinischen Klinik B also künftig bereits darüber informiert, wie es um die Blutzucker-Werte der einzelnen Patienten gerade bestellt ist. Eine spezielle Software erstellt einen ausführlichen Bericht über den Verlauf der Blutzucker-Werte und Insulingaben und gibt dem Patienten und seinem Arzt somit jederzeit eine gute Handlungsgrundlage zur Optimierung der
    Diabetes Therapie. Die zeitaufwendige Auswertung des Diabetes-Tagebuches wird erheblich erleichtert und verbessert, da die entsprechenden Auswertungen jederzeit vorliegen. Durch die so optimierte Diabetes-Therapie können Folgeerkrankungen verhindert und die Lebensqualität der zuckerkranken Menschen gesteigert werden.

    Im ersten Schritt des von Dr. Reinhold Gellner, Lars-Hendrik Wassenaar und Christoph Jordecki entwickelten Pilotprojektes kommt die telemedizinische Betreuung von Diabetikern bei Patienten des Universitätsklinikums Münster selbst zum Einsatz. Bei immerhin jedem fünftem stationären Patienten in den unterschiedlichsten Kliniken des UKM wird - in der Regel als Nebendiagnose einer anderen Erkrankung - ein Diabetes festgestellt. Bislang wurden diese Patienten erst dann entlassen, wenn ihre Blutzuckerwerte wieder im Normalbereich lagen. Dies werden sich die Krankenhäuser aufgrund der DRG-Einführung - das heißt der Abrechnung stationärer Leistungen nicht mehr nach Krankenhaustagen, sondern nach diagnosebezogenen Fallpauschalen - nicht mehr leisten können. Die Verweildauer in den Krankenhäusern wird also deutlich zurückgehen. Durch die telemedizinische Betreuung kann ein Diabetiker jetzt gefahrlos entlassen werden, auch wenn seine Werte noch nicht ganz in Ordnung sind. Denn die Diabetes-Ambulanz ist dank "homecare.diabetes" permanent über den Zustand der Patienten auf dem Laufenden. Der Diabetiker ist so gut betreut und kann sich sicher fühlen.

    Anfang des nächsten Jahres soll dann gleichzeitig auch den ersten Hausärzten, niedergelassenen Fachmedizinern, Ärztenetzen und Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet werden, ihre zuckerkranken Patienten - auch - telemedizinisch zu versorgen. Den Hausärzten können dann regelmäßig einmal im Monat die digitalisierten Blutzuckerwerte ihrer Patienten in Form eines ausgewerteten Diabetes-Berichtes, zum Beispiel per Post, zur Verfügung gestellt werden. Auch die Bereitstellung des Diabetes-Berichtes auf einem geschütztem Internetportal ist möglich. Wenn der Patient dann wieder in die Praxis kommt, braucht der Arzt nicht mehr mühsam und langwierig die umfangreichen handschriftlichen Aufzeichnungen durchzublättern, um sich einen Eindruck zu verschaffen, sondern ist sozusagen auf einem Blick über den aktuellen Zustand seines Patienten informiert.

    Im Rahmen der Einführungs- und Evaluationsphase werden zunächst 200 Diabetiker über das homecare.diabetes System betreut. Die medizinische Studie unter Leitung der Medizinischen Klinik B wird vom Institut für Medizinische Informatik und Biomathematik des UKM begleitet. Die gesundheitsökonomischen Aspekte beleuchtet das Institut für Finanzwissenschaft II der Universität Münster. Technologischer Partner ist die Deutsche Telekom AG. Sollten sich die positiven Erwartungen bestätigen, steht anschließend einer Übernahme auf breiter Front, auch für andere Erkrankungen, nichts mehr im Wege.

    Nicht zuletzt auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber geforderte integrierte Versorgung von Diabetikern und die Einführung entsprechender Disease Management Programme könnte dem "homecare.diabetes System" eine wichtige Rolle zukommen. Bei gleichzeitiger Kostensenkung könnte dadurch die Qualität und damit die Effizienz der Behandlung der vielen Millionen Zuckerkranken in Deutschland nachhaltig verbessert werden.


    Weitere Informationen:

    http://www.diabetes.uni-muenster.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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