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29.10.2004 11:08

Kapitolinische Gänse statt Gesundbeter

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Theodor-Litt-Symposion der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig zum Thema politische Bildung

    Mit einer Podiumsdiskussion zu Entwicklung und Perspektiven der politischen Bildung im 21. Jahrhundert, an der führende Vertreter politischer Stiftungen aus Bund und Land teilnahmen, ging am 29. Oktober das zweitägige VIII. Theodor-Litt-Symposion an der Universität Leipzig zu Ende. In dem Vortrag des Dresdner Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Werner J. Patzelt zum Tagungsthema "Theodor Litt und die politische Bildung im 20. Jahrhundert" zur Eröffnung des Symposions waren für die Diskussion bereits zahlreiche, nicht selten herausfordende, sich um Political Correctness wenig scherende Stichworte gegeben worden.
    Patzelts Ausgangspunkt war, dass Theodor Litts Grundüberzeugung, politische Bildung habe zum richtigen und auch zum akzeptierenden Verstehen der komplizierten Staatsform Demokratie zu führen, auch heute gültig und in Ehren zu halten sei. Mit Blick auf die Demokratiegründung in Ostdeutschland nach 1990 und seine Erfahrungen beim Aufbau der Politikwissenschaft in den neuen Bundesländern teile er auch die Einschätzung Litts, dass es Verständnis und Zuneigung für Demokratie in einer Gesellschaft und mit einer Lehrerschaft zu stiften gilt, bei der gerade nicht auf das Weiterreichen längst besessener demokratischer Erkenntnisse, Haltungen und Einstellungen zu rechnen sei. Gerade hier komme es darauf an, dass auf Selbsterziehung gesetzt und diese gefördert wird. Der Philosoph und Pädagoge Theodor Litt, der an den Universitäten in Leipzig und Bonn gewirkt hat und sich hier weder von den Nazis noch von den SED-Machthabern hatte instrumentalisieren lassen, hatte mit seiner Schrift "Die politische Selbsterziehung des Deutschen Volkes" die öffentliche Debatte in der frühen Bundesrepublik maßgeblich geprägt.
    Politische Bildung, so der Redner, sei immer wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen und habe zeitgenössische Erfahrungen zu berücksichtigen. Krisenstaaten wie Somalia, Irak oder Afghanistan verwiesen auf die tatsächlich zentralen Aufgaben des Staates, Schutz nach außen und Frieden wie Rechtssicherheit im Inneren zu schaffen. Erst später könne hinzutreten, dass der Staat auch die Freiheit seiner Bürger sichert, ihnen wirksame politische Partizipation ermöglicht und gar noch soziale Sicherheit anbietet. "Die Einsicht in genau diese Hierarchie von Staatsaufgaben muss keineswegs Politikwissenschaftlern vorbehalten bleiben. Sehr wohl lässt sie sich auch jungen Leuten und einem breiteren Publikum vermitteln - das dann auch besser verstehen wird, mit welchen Prioritäten es an Herausforderungen politischer Ordnungsbildung heranzutreten gilt." Und er fragte provokativ, welche Rolle denn die politischen Bildner einnehmen sollen, wenn die Bürger die Unfähigkeit ihrer Staaten begreifen, ihren Schutz zu gewährleisten: die der kapitolinischen Gänse oder die einer Bruderschaft von Gesundbetern? - Keine Frage, Werner Patzelt empfahl die erste Rolle.
    Angesichts solcher Grundaufgaben sei es schon fast eine Luxusaufgabe politischer Bildung, die kritische Medienkompetenz der Bürger zu fördern. Dabei gehe es nicht um die Vermittlung von Kompetenz im Umgang mit neueren und neuesten Medien. "Denn wo an den Platz der früheren Erarbeitung politischer Wandzeitungen die Erstellung von Datensammlungen aus dem Internet oder die Produktion von politischen Videos tritt, lugt doch allzu deutlich die traditionelle Bastelpädagogik hervor. Die hat zwar ihre Meriten, sie führt aber nicht weit genug", unterstrich er. Bei der Vermittlung kritischer Medienkompetenz gehe es vielmehr um fundierte Einblicke in die Verfertigungsbedingungen von Medienwirklichkeit, um das Gespür für die typischen Verzerrungen massenmedialer Wirklichkeitsproduktion, um das Verstehen der Wechselwirkungen zwischen Mediensystem und poltischen Eliten, letztlich um "Dekodierungskompetenzen beim Blick auf die massenmediale Berichterstattung und auf das politische Handeln unter den Bedingungen der Mediendemokratie".


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Dieter Schulz
    Telefon: 0341 97-31421
    E-Mail: dschulz@fakerz.uni-leipzig.de
    www.uni-leipzig.de/~erzwiss


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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