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28.01.1999 14:29

Spätfolgen nach Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Gute Chancen bestehen heute für die Überwindung einer lebensbedrohlichen, im Kindesalter relativ häufig auftretenden akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL). Im Durchschnitt sind 3,7 von 100.000 Kindern unter 15 Jahren betroffen. Dreißig Prozent der Krebserkrankungen im Kindesalter entfallen auf diese Blutkrebserkrankung, die größte Gruppe unter allen pädiatrisch-onkologischen Erkrankungen. Der Erfolg beruht nicht zuletzt auf einer wirksamen Prophylaxe, die das Zentralnervensystem (ZNS) frei von Leukämiezellen halten soll. Was als Vorsorge gedacht ist, kann jedoch auch Folgen haben, die die Lebensqualität der jungen Patienten lange nach der Behandlung einschränken können. Der Erforschung, Behandlung und Vermeidung von Spätfolgen der Krebstherapie im Kindesalter widmet sich seit Ende der 80er Jahre eine von Prof. Dr. Jörn-D. Beck geleitete Arbeitsgruppe in der Gesellschaft für Pädiatrische Önkologie und Hämatologie (GPOH). Mit den Spätfolgen der präventiven Behandlung des Zentralnervensystems der an einer akuten lymphoblastischen Leukämie erkrankten Kinder befaßt sich ein von der Erlanger Arbeitsgruppe geleitetes Teilprojekt.

    Effektiv, doch nicht unproblematisch

    Dank der Zusammenarbeit aller pädiatrisch-onkologischen Zentren in interdisziplinären Therapieoptimierungsstudien konnte die Überlebensrate der ALL-Patienten auf fast 80 Prozent erhöht werden. Angesichts dieser Effektivität sollte aber nicht vergessen werden, daß die Grunderkrankung und die vorbeugenden Maßnahmen außer akuten auch langfristige gesundheitliche Belastungen auslösen können, die über den Behandlungszeitraum hinaus andauern oder sich erst später entwickeln. Einige Spätfolgen zeigen sich als morphologische Veränderungen im Gehirn. Daraus können Störungen der Feinmotorik und der Koordination entstehen, aber auch Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, Schulprobleme und Verhaltensauffälligkeiten. Insbesondere jüngere ALL-Patienten, die eine Schädelbestrahlung erhalten hatten, können von Spätschäden besonders betroffen sein. Patienten mit Veränderungen der weißen Substanz haben die ausgeprägtesten Spätfolgen. Außer Nebenwirkungen am Zentralnervensystem muß auf Störungen des Wachstums, der Pubertätsentwicklung und der Herzfunktion geachtet werden. Bei 2 bis 5 Prozent der Geheilten können auch Zweittumore (z. B. Hirntumore) entstehen. Erfreulicherweise kann jedoch festgestellt werden, daß die meisten Patienten nicht nur von ihrer Leukämie geheilt sind, sondern auch eine gute Lebensqualität haben und in unsere Gesellschaft integriert sind.

    In einer Pilotstudie wurde in den Jahren 1992 - 1994 eine multizentrische Querschnittserhebung zur Erfassung der ZNS-Toxizität nach einer ALL-Behandlung durchgeführt. 118 Probanden, deren erfolgreiche Leukämiebehandlung 7 Jahre zurücklag, wurden auf Schädigungen des Gehirns untersucht. Etwa zwei Drittel der Probanden hatten zur ZNS-Prophylaxe eine Bestrahlung des Schädels und eine Chemotherapie (mit MTX-Gabe) erhalten. Beim restlichen Drittel war Chemotherapie, aber keine Bestrahlung eingesetzt worden.

    Die Gruppe mit Bestrahlung und MTX-Gabe zeigte häufigere und stärkere Beeinträchtigungen als diejenigen, deren ZNS-Prophylaxe nur auf Methotrexat-Gaben basierte. Dies betraf neuroradiologisch faßbare Veränderungen der Gehirnstruktur, neurophysiologische Veränderungen, Intelligenz- und Aufmerksamkeitsstörungen. Dem steht jedoch gegenüber, daß die Wahrscheinlichkeit, einen Krankheitsrückfall im Gehirn zu erleiden, nach einer reinen Chemotherapie größer war als nach einer Schädelbestrahlung plus Chemotherapie. Da alle diese Befunde erst nachträglich erhoben wurden, war es in dieser Studie allerdings nicht möglich, festzustellen, zu welchem Zeitpunkt die Spätfolgen auftraten und wie die Störungen verliefen. Die Untersuchungsergebnisse konnten außerdem nicht mit Daten über den Zustand vor Beginn der Behandlung verglichen werden, so daß sich Veränderungen nicht exakt dokumentieren ließen.

    Am 1. Oktober 1997 begann eine prospektive Längsschnittuntersuchung, die auf den Ergebnissen der Pilotstudie aufbaut. 250 neuerkrankte ALL-Patienten in 24 Kinderkliniken in Deutschland und Österreich werden an fünf definierten Erhebungszeitpunkten über einen Zeitraum von acht Jahren klinisch, neuropsychologisch, neurophysiologisch und neuroradiologisch untersucht. Der Schwerpunkt liegt in der Neuropsychologie und der Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mit den Teilbereichen Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit und Ablenkbarkeit, Verhalten und differenzierte Rechen-, Lese- und Rechtschreibleistung, allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit, visuelle Wahrnehmung und visuell-motorische Fähigkeiten sowie Sprachvermögen.

    Größte Studie im deutschen Sprachraum

    Ziel ist es, durch die individuell erfaßten Testwerte zu den fünf Erhebungsterminen den Zeitpunkt des Auftritts und den Verlauf von Teilleistungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten zu erfassen und festzuhalten, ob und wie sich die gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Therapieverlauf ändert. Eine derartig umfassende Untersuchung an einer großen Gruppe neuerkrankter ALL-Patienten wird im deutschen Sprachraum zum ersten Mal durchgeführt. Die Deutsche Leukämie-Forschungshilfe, Aktion für krebskranke Kinder e. V., fördert die Studie mit einer Summe von 450.000 Mark.

    * Kontakt:
    Prof. Dr. Jörn-D. Beck, Dr. Thorsten Langer, Klinik mit Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Abteilung für Immunologie und Onkologie, Loschgestraße 15, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -36227 , Fax: 09131/85 -33133

    FAU-Pressestelle, Redaktion Forschung, Gertraud Pickel M.A., Tel.: 09131/85 -24036, -26167


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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