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09.11.2004 15:21

Kita für Mama und Papa

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Zur Familienbildung im Sinne Bildung für Familien gibt es in Sachsen ein Modellprojekt ("Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen"), das der Lehrstuhl für Erwachsenenpädagogik der Universität Leipzig über drei Jahre hinweg wissenschaftlich begleitet hat.

    Beim Wort Familienbildung denkt man zuerst an Bildung i. S. einer Familiengründung; doch der Begriff meint anderes: Bildung von Familien i. S. Bildung für Eltern. Das ist ein Bereich, den es öffentlich nicht gibt? Die Aus-Bildung von familiären und erzieherischen Kompetenzen bleibt den Müttern und Vätern überlassen. Und während es früher Unterstützung durch Großeltern oder Nachbarn gab, lösen sich derartige Bindungen im Zuge beruflicher Mobilität zunehmend auf. Doch wie kann Familienbildung funktionieren? Und wo können sich Familien bilden? Und was haben sie davon? Antworten gibt das Modellprojekt "Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen".

    Die Frage nach Familienbildung kennt eine geradezu klassische Antwort: Familien sind in ihrer erzieherischen Instanz zu stützen und zu stärken. Es ist eine ausgreifende Antwort, die das Fußballspiel am Nachmittag und die Fahrt ins Wochenende ebenso einbezieht wie eine Diskussion zu "Kindern Grenzen setzen" oder das Laternchenfest im Kindergarten. Wo fängt man an? Wo hört man auf? "Ich glaube", überlegt Marlen Braun - die junge Erziehungswissenschaftlerin von der Universität Leipzig hat das Projekt über seine Laufzeit hinweg evaluiert -"diese Frage haben wir auch mit diesem Projekt nicht beantwortet." Dafür hat das dreijährige Modellvorhaben "Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen" eine Fülle von Gedanken und Anregungen, von Erkenntnissen und Empfehlungen hervorgebracht. Und tatsächlich ist es gelungen, das angestrebte Ziel - neue Zugänge in die Familienbildung zu öffnen - zu erreichen.
    Mag es auch lapidar klingen, was sich das Landesjugendamt Sachsen und das Felsenweg-Institut der Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie beim Start im September 2001 auf die Fahnen geschrieben hatten. In der Arbeit in den Kindertagesstätten - mit Eltern und Erzieherinnen - hat sich gezeigt, welche Hemmnisse und welche Chancen im Aufeinanderzugehen beider Seiten liegen. Im Kern dreht es sich um eine wechselseitige Akzeptanz: Eltern als "Experten fürs Kind" und Erzieher als "Experten fürs Fachwissen". Das Kind lebt in zwei Systemen - in der Familie und im Kindergarten; wenn beide partnerschaftlich zum Wohle des Kindes interagieren, dann begünstigt das dessen Entwicklung.
    Was einfach und überzeugend ist, stößt im Alltag auf Grenzen: Da informieren Aushänge, die niemand mehr liest; da fehlen Räume für ein ruhiges Gespräch; da sind Stunden für Erzieherinnen gekürzt ... Doch weil es auch einfach und überzeugend scheint, derartige Grenzen zu überschreiten, hat das Projekt zur Familienbildung an den vier Modellstandorten - Leipzig, Markkleeberg, Chemnitz, Hoyerswerda - Türen geöffnet. Nach einigen ersten skeptischen Ablehnungen aus dem Kreis der Erzieherinnen, die sich "davon" nicht viel versprachen oder sich schlichtweg überlastet sahen, wandelte sich das Bild allmählich. Es waren Koordinatoren, denen es gelang, die Zurückhaltung in Interesse zu verwandeln. Letztlich erwiesen sich gerade Angebote wie Feierlichkeiten als "niedrigschwellig" genug, um Erzieherinnen nicht mit noch mehr Arbeit zu belasten und Eltern über eigene Aktivitäten einzubeziehen. "Die Eltern lernen übers Mitmachen; und das Verhältnis zwischen Erzieherinnen und Eltern wird gelöster", skizziert Marlen Braun von der Universität Leipzig die Effekte. Nach solchen gemeinsamen Festen, sportlichen oder kreativen Aktivitäten ist der Weg für unmittelbare familienbildnerische Angebote geebnet. "Das hat gut funktioniert." Im Ergebnis nutzten Eltern sowohl klassische Bildungsangebote wie Vorträge und Diskussionen als auch informelle Lernsituationen wie Bastelnachmittage oder Grillabende - und wenn im Kindergarten eine Woche spielzeugfreie Zeit auf dem Plan stand, nahmen auch die Elternhäuser eine solche Anregung auf.
    Letztlich läuft Familienbildung in Kindertagesstätten, die sich "als offenes Haus" zeigen. Dann auch kehrt sich die anfängliche Skepsis - "nun sollen wir auch noch die Eltern in Familienfragen bilden" - in Erstaunen und Erleichterung um: Wenn Elterngruppen zum Malern anrücken oder "nur noch" Ort und Zeit fürs nächste Drachenfest abstimmen oder Vorschläge für den nächsten Elternabend machen. So hebt sich mit Abschluss des Projekts ein Fazit heraus, auf das alle Partner gehofft haben. "Familienbildung erbringt einen Zuwachs an Kompetenz. Das konnten wir in der Evaluation nachweisen", so Marlen Braun. Dass es keine Kausalketten zwischen Bildungsangebot und Kompetenzzuwachs gibt, wer wollte das bestreiten. Aber 90 Prozent der 155 befragten Eltern haben die Angebote der Kindertagesstätten als "persönlich bereichernd" erlebt.
    Nun hofft die Leipziger Erziehungswissenschaftlerin, dass Eltern die drei Jahre im Modellprojekt "Familienbildung" gesteckt haben, ihre Ideen und ihre Stimmung mit in die Grundschulen nehmen. "Die Vision ist: Dass Familienbildung, die in Kitas aufgeht, enorme Auswirkungen auf alle Bildungseinrichtungen hat." Zumindest findet die Vision auch künftig ihren Platz an den vier Modellstandorten - das Projekt wird nicht nach Ende der finanziellen Förderung durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie abgewickelt, sondern fortgeführt. Marlen Braun unterstreicht das Engagement "Aus eigener Kraft ist das durch die Kitas kaum zu leisten. Sie brauchen die professionelle Unterstützung der Träger." Nur unter der Voraussetzung, dass Koordinatoren den Erzieherinnen und Leiterinnen zur Seite stehen - sei es mit Organisation, Austausch oder auch Qualifizierung -, dann bildet Familienbildung nicht nur die Familien, sondern ist auch ein Band zwischen Eltern und Kindern und Erzieherinnen.
    Abschließender Kommentar der wissenschaftlichen Mitarbeiterin im Leipziger Universitätsinstitut für Erwachsenen-, Sozial- und Wirtschaftspädagogik: "Die wesentliche Aussage bei den Eltern ist, dass sie sagen, sie haben ein ganz anderes Selbstwertgefühl. Und mit diesem Selbstwertgefühl verändert sich die Ausstrahlung des ganzen Menschen. Also nehmen sie Kontakt auf, sie sind plötzlich für andere da, wo sonst andere für sie da waren. Und plötzlich können sie mit ihrer Ausstrahlung für andere wieder hilfreich sein. ? Und das macht ganz viel aus. Also es verändert sich ja dann plötzlich das ganze familiäre System. Es wird offener, es wird ganz anders miteinander gesprochen. Und: Wenn es der Mutter gut geht, geht es auch den Kindern gut."

    Daniela Weber


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Jörg Knoll
    Telefon: 0341 97-31470
    E-Mail: knoll@uni-leipzig.de
    www.uni-leipzig.de/~erzwiss


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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