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18.02.1999 14:04

Kreislauf für Elektronik-Gehäuse

Gertraud Pickel Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Kunststoffgehäuse von elektrischen und elektronischen Altgeräten stellen viele Recyclingbetriebe vor Probleme: um die Brandschutznormen zu erfüllen, sind häufig Flammschutzmittel in die Werkstoffe eingearbeitet. Rund 700.000 Tonnen flammhemmend ausgerüstete Kunststoffabfälle, für die keine nachhaltigen Verwertungskonzepte existieren, fallen pro Jahr in Europa an. Der Bayerische Forschungsverbund für Abfallforschung und Reststoffverwertung fördert Untersuchungen zu Verfahren, die es ermöglichen sollen, diese wertvollen Materialien in Stoffkreisläufe zu integrieren. Der Lehrstuhl für Anorganische und Analytische Chemie, der Lehrstuhl für Kunststofftechnik und das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Erlangen-Nürnberg arbeiten an unterschiedlichen Aspekten dieser Problematik; ein weiteres, im selben Zusammenhang stehendes Projekt wird an der TU München durchgeführt.

    Stoffliche Bewertung

    Ein mögliches Verfahren, im Elektronikschrottbereich anfallende, flammgeschützte Kunststoffe einer Wiederverwertung zuzuführen, ist das werkstoffliche Recycling. Dabei werden die Bauteile demontiert, sortiert, zerkleinert und anschließend unter Zugabe von Hilfsstoffen mit einem Extruder aufbereitet. Für nichtflammgeschützte Kunststoffe ist dies bereits eine etablierte Methode; flammgeschützte Materialien müssen, um ein geeignetes Verfahren entwickeln zu können, zunächst umfassend stofflich charakterisiert werden. Eine weitere Voraussetzung für die Bewertung und Optimierung von Recyclingverfahren ist die Untersuchung des Schadstoffbildungspotentials und des Reaktionsverhaltens einer breiten Palette häufig eingesetzter Flammschutzmittel bzw. -systeme.

    Um die Zusammensetzung verschiedener Kunststoffarten zu bestimmen und die Komponenten im Detail zu analysieren, werden am Lehrstuhl für Anorganische und Analytische Chemie vorwiegend Screeningverfahren wie Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie und energiedispersive Röntgenfluoreszenzanalyse sowie chromatographische Methoden wie Flüssigkeitskeitschromatographie, Gaschromatographie und deren Kopplung mit der Massenspektroskopie eingesetzt. Alle über die untersuchten Proben angesammelten Informationen werden in eine Datenbank aufgenommen, die langfristig das Sortieren erleichtert.

    Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: einige Materialfraktionen lassen sich in Verbindung mit Neumaterial recyclieren, andere sind ohne jede Beimischung wiederverwertbar. Nur in seltenen Fällen liegen überhöhte Konzentrationen von Dioxinen und Furanen vor, die vorgeschriebene Grenzwerte überschreiten. Statt mit flammgeschützten Kunststoffen die Abfallberge zu erhöhen, könnte also wertvolles Material zurückgewonnen werden.

    Kontinuierliche Prüfung

    Bei der Herstellung von Rezyklaten aus technischen Kunststoffen wird aufgrund der hohen Kosten oft auf aufwendige Prüfverfahren mit Herstellung von Prüfkörpern und Anwendung von Normprüfverfahren verzichtet. Zudem stellen die Prüfverfahren nur eine Stichprobe aus einer größeren Charge dar, und die Eigenschaften des Rezyklats können nachträglich kaum noch verändert werden. Aufgrund der inhomogenen Zusammensetzung, der schwankenden Eigenschaften und des Wunsches nach möglichst vollständiger Dokumentation der Zusammensetzung der Rezyklate und der Existenz von Schadstoffen sollten für Kunststoffrezyklate Prüfverfahren angewendet werden, die eine kontinuierliche Beschreibung wichtiger Kenngrößen ermöglichen.

    Am Beispiel von Kunststoffen aus der Aufbereitung von Elektronikschrott und hierbei insbesondere der bisher nicht werkstofflich verwerteten flammgeschützten Thermoplaste werden am Lehrstuhl für Kunststofftechnik die relevanten Kennwerte der gebrauchten Kunststoffe bestimmt und On-Line-Verfahren zur Messung von Vergleichsgrößen mechanischer Eigenschaften bei der Compoundierung ermittelt. Am Beispiel dieser Werkstoffe wird ein Verfahren entwickelt, mit dem ein Teilstrom aus der Aufbereitung kontinuierlich mechanisch geprüft und z.B. Zähigkeitswerte für das Rezyklat angegeben werden können. Mit Grundlagenversuchen zur Prüfung der Farbe, Zusammensetzung und auf Schadstoffe direkt am Aufbereitungsextruder können In-Line-Verfahren zur kontinuierlichen Prüfung dieser Eigenschaften konzipiert werden.

    Toxische Effekte

    Beim Recycling von flammhemmend ausgerüsteten Kunststoffabfällen können in den Rezyclaten enthaltene Stoffe weiterverarbeitet werden, deren toxikologisches Potential überhaupt nicht bekannt ist. Zu einer sinnvollen Wiederverwertung solcher Kunststoffe muß aber sichergestellt sein, daß bei der Aufbereitung nicht Stoffe mitgeführt werden, die in unbekanntem Maße schädlich wirken können und nach einer erneuten Gebrauchsphase zu einem Risiko für die spätere Abfallbeseitigung oder Deponierung werden.

    Ziel des Projektes am Institut für Experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie ist es, an isolierten Zellen im Reagenzglas toxische Effekte qualitativ und quantitativ zu vergleichen, die von den im Realmaterial nachgewiesenen Flammschutzmitteln und deren Reaktionsprodukten ausgelöst werden können. Die untersuchten Substanzen werden in den oben genannten Projekten analysiert und sind damit vorgegeben.

    Als Zellmodell werden kultivierte Leberzellen von Ratte und Maus eingesetzt. Diese Zellen reagieren über einen Zeitraum bis zu 24 Stunden nach ihrer Kultivierung wie die Zellen einer intakten Leber. Zusätzlich werden auch Untersuchungen mit Zellkompartimenten vorgenommen, an denen die Mechanismen möglicher Schadstoffwirkungen untersucht werden. Gleichzeitig wird die mögliche Immuntoxizität dieser Stoffe untersucht.

    Kooperationen
    Im Rahmen der Projektarbeiten wurden und werden eine Reihe von Diplom- und Doktorarbeiten angefertigt. Auf mehreren internationalen Konferenzen wurden Ergebnisse vorgestellt. Industrielle Kooperationen bestehen mit Schneider Electric S.A. (Frankreich), Great Lakes Europe (Belgien), Landis & Staefa (Schweiz), Siemens AG (Amberg), Alstom Sachsenwerke GmbH (Regensburg) und Motorola (Wiesbaden). Das Projekt am Lehrstuhl von Prof. van Eldik wird in enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz in Wackersdorf durchgeführt.
    * Kontakt:

    Prof. Dr.-Chem. Dr. h.c. Rudi van Eldik, Dipl.-Chem. Michael Rieß
    Lehrstuhl für Anorganische und Analytische Chemie
    Egerlandstraße 1, 91058 Erlangen
    Tel.: 09131/85 -27689, Fax: 09131/85 -27387, E-Mail: riess@anorganik.chemie.uni-erlangen. de

    Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Gottfried W. Ehrenstein, Dipl.-Ing. Thomas Schubert
    Lehrstuhl für Kunststofftechnik
    Am Weichselgarten 9, 91058 Erlangen
    Tel.: 09131/85 -29720, Fax: 09131/85 -29709, E-Mail: schubert@lkt.uni-erlangen.de

    Prof. Dr. Ronald Böcker, Prof. Dr. Gisa Tiegs
    Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie
    Universitätsstraße 22, 91054 Erlangen
    Tel: 09131/85 -22258, Fax: 09131/20 61 19
    E-mail: boe@macpost.pharmakologie.uni-erlangen.de,
    gt@macpost.pharmakologie.uni-erlangen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.lrz-muenchen.de/~bayforrest/Index.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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