PRESSE-INFORMATION 56/96
Greifen Kunststoffuellungen den Zahnnerv an?
Komposite koennen Zellgifte freisetzen
Koeln, den 24. Mai 1996 - Zahnfuellungen aus Amalgam sind, wie juengst wieder durch eine Tuebinger Studie gezeigt wurde, wegen ihres Quecksilbergehaltes umstritten. Dass auch die haeufig als Ersatz verwendeten Kunststoffuellungen, die Komposite, unerwuenschte Nebenwirkungen haben koennen, zeigte Dr. Werner Spahl vom Institut fuer Organische Chemie II der Universitaet zu Koeln in einer Untersuchung. Er stellte fest, dass die Komposite vieler Hersteller Zellgifte freisetzen, die die Ursache fuer haeufig beobachtete Entzuendungen des Zahnnervs sein koennen.
Das Grundgeruest der Komposite bilden Kunststoffe, die zu den Polymeren zaehlen. Polymere bestehen aus kleinen Einheiten, den Monomeren, die in einer chemischen Reaktion miteinander verbunden werden. Dadurch bilden sie ein raeumliches Netzwerk. Die Maschen dieses Netzwerks sind z.B. durch feine Quarzpartikel ausgefuellt, die dem Material Haerte verleihen. Die Bildung des Netzwerkes erfolgt im Zahn selber, so dass das Komposit zunaechst noch formbar ist und an das Loch im Zahn angepasst werden kann.
In seiner Untersuchung stellte Dr. Spahl fest, dass nicht alle Monomere in dem Netzwerk gebunden werden und sich auch nach der chemischen Reaktion durch Wasser aus dem Komposit herausloesen lassen. Er bestimmte die Menge dieser Monomere mit Hilfe der Massenspektrometrie, einem gaengigen Analyseverfahren in der Chemie. Im Massenspektrometer werden die zu untersuchenden Substanzen in geladene Teilchen umgewandelt, die sich in elektrischen Feldern - abhaengig auch von ihrer Ladung - der Groesse nach auftrennen lassen. Daneben entstehen ganz charakteristische Fragmente der geladenen Teilchen, die die Identifizierung der Substanz erlauben. Dem Massenspektrometer schaltete Dr. Spahl weitere Auftrennungsmethoden voran, so dass er eine breite Palette der Kunststoff-Monomere erkennen und ihre Menge bestimmen konnte.
Die meisten Monomere, so der Koelner Chemiker, werden aus Kompositen nur in so geringer Menge freigesetzt, dass sie dem darunter liegenden Zahnnerv nicht schaden koennen. Ein wichtiger Bestandteil zahlreicher Komposite jedoch, TEGDMA (chemisch: "Triethylen- glykoldimethacrylat"), tritt in so hohen Konzentrationen aus, dass er fuer Zellen giftig ist. Oft ist zwischen Nerv und Fuellung keine schuetzende Zahnsubstanz mehr vorhanden, so dass die Kunststoffuellung in unmittelbaren Kontakt mit dem Zahnnerv kommt. Es entstehen dann Entzuendungen, die direkt durch TEGDMA verursacht werden koennen. Eine weitere Moeglichkeit zur Schaedigung Zahnnervs sieht Dr. Spahl darin, dass Bakterien, die in einen feinen Spalt zwischen Fuellung und Zahn eindringen, das TEGDMA als Nahrungsquelle nutzen und die ungebundenen Monomere somit mittelbar fuer eine Entzuendung verantwortlich sind. Ein Spalt zwischen Kunststoffuellung und Zahn kann durch eine Schrumpfung der Fuellung auftreten.
Dr. Spahl beobachtete, dass die Hersteller offenbar vermehrt dazu uebergehen, TEGDMA in ihren Kompositen zu verwenden. TEGDMA erleichtert die Formbarem des Komposits und besitzt guenstige optische Eigenschaften: es macht den Fuellstoff transparent und erleichtert so die Einstellung der Farbe. Der Koelner Chemiker empfiehlt daher Zahnaerzten und Patienten, sich genau nach der Zusammensetzung des Komposits zu erkundigen und gegebenenfalls auf solche Komposite zurueckzugreifen, die TEGDMA nicht enthalten bzw. dafuer zu sorgen, dass durch entsprechende Fuell- und Isoliertechniken die schaedigenden Verbindungen nicht an den Nerv gelangen koennen.
Verantwortlich: Markus Bernards
Fuer Rueckfragen steht Ihnen Professor Dr. Budzikiewicz am 24. Mai 1996 unter der Telefonnummer 0221/470-4269 zur Verfuegung.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
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Deutsch
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