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03.01.2005 14:57

Workfare - nicht nur Welfare. Vergleich von Hilfsprogrammen für sozial Schwache in Los Angeles und Berlin

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    In den USA ist spätestens seit der Welfare Reform von 1996 eine strikte Arbeitsverpflichtung ins Zentrum staatlicher Hilfsprogramme für sozial Schwache gerückt. Nun zielen auch in der Bundesrepublik die "Hartz-Gesetze" darauf ab, den Bezug von Transferleistungen an die Bereitschaft von Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehern zu knüpfen, Beschäftigungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen aufzunehmen. Im Rahmen dieser "aktivierenden" Sozialpolitik geraten Nonprofit-Organisationen - also Wohlfahrtsverbände, Stadtteilinitiativen und gemeinnützige Träger, die in beiden Ländern häufig in Opposition zu staatlicher Politik entstanden sind - in der Praxis in eine ambivalente Rolle. Ein mit über 355.000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt hat die lokale Sozial- und Beschäftigungspolitik des Dritten Sektors, eben jener Nonprofit-Organisationen, in den Partnerstädten Berlin und Los Angeles untersucht und jetzt die Ergebnisse vorgelegt.

    Auf der Grundlage empirischer Fallstudien, die zwischen den Jahren 2000 und 2003 durchgeführt wurden, haben sich Politikwissenschaftler kritisch mit dem Beitrag der Nonprofit-Organisationen in den sich neu herausbildenden lokalen Workfare-Systemen auseinandergesetzt und die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Sozial- und Arbeitsmarktintegration von "benachteiligten" Bevölkerungsgruppen in beiden Städten nachgezeichnet. "Uns hat in diesem Zusammenhang die oft bejubelte Innovationsfähigkeit von Nonprofit-Organisationen interessiert, die in den beiden Bewegungsmetropolen seit Ende der 1970er Jahren die lokale Sozial- und Beschäftigungspolitik in Konfrontation zu den Lokalstaaten mitgeprägt haben", sagt die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Margit Mayer vom John F. Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien der Freien Universität Berlin, unter deren Leitung die Studie entstand.

    In Los Angeles hat sich die Zahl der Nonprofits in der lokalen Beschäftigungspolitik seit den Sozialreformen stark erhöht. Dort verfügen neben knapp hundert Einrichtungen, die im Bereich employment / job training tätig waren, etwa 400 Organisationen aus der Jugend-, Sozial- und Stadtteilarbeit über temporäre Verträge mit diversen Verwaltungen und Ministerien zur Betreuung von Erwerbslosen und zur Förderung ihrer Beschäftigungsfähigkeit. Diese Angebote werden von verschiedenen Bundes- und Landesprogrammen finanziert: Temporary Aid for Needy Families (TANF) für Sozialhilfeempfänger mit Kindern, zielgruppenspezifische Förderprogramme des Bundesarbeitsministeriums und diverse Fördertöpfe zur ökonomischen Stärkung innerstädtischer Krisengebiete. "Allerdings erfahren amerikanische Organisationen eine stärkere materielle und ideelle Unterstützung durch private Stiftungen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen als hier in Deutschland", sagt Mayer. "Außerdem gelingt es einigen der Multi-Service-Organisationen im Sozialbereich, über Eigeneinnahmen, wie zum Beispiel Spenden, Gebühren, Immobilienbesitz oder kommerzielle Aktivitäten, eine größere Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen zu erzielen."

    In Berlin nutzten während des Untersuchungszeitraums etwa tausend Nonprofits jährlich öffentliche Mittel zur Beschäftigungsförderung. Hierzu gehörten insbesondere Instrumente und Programme des inzwischen in das Sozialgesetzbuch III integrierten Arbeitsförderungsrechts, des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und des Bundessozialhilfegesetz ("Hilfe zur Arbeit"). Neben Sonderprogrammen des Bundes - etwa JUMP/JUSOPRO oder "Arbeit für Langzeitarbeitlose" - und Eigenmitteln der Länder stellen zahlreiche EU-Förderprogramme (ESF, EQUAL, LEADER) für die Integrationsarbeit von Nonprofits eine wichtige Ressource dar. 1999 waren in Berlin fast 25.000, im Jahr 2003 noch 21.000 (ehemalige) Erwerbslose in Einrichtungen freier Träger und Vereine beschäftigt.

    "Die Forschungsergebnisse für beide Städte zeigen, wie die Nonprofit-Organisationen aufgrund ihrer spezifischen sozialen Kompetenzen von den kommunalen Verwaltungen gezielt in neue Netzwerke und Kooperationsformen eingebunden werden, um zivilgesellschaftliche Strukturen und ökonomische Selbsthilfepotentiale in "benachteiligten" Regionen und Quartieren zu stärken", sagt Margit Mayer. Trotz einer Reihe von US-amerikanischen und deutschen Besonderheiten komme ihnen in beiden Situationen hauptsächlich die Aufgabe zu, schwer in den Arbeitsmarkt zu vermittelnde Personengruppen - zum Beispiel Jugendliche ohne Schulabschluss, Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen oder Obdachlose - zu betreuen, ihre Beschäftigungsfähigkeit (wieder)herzustellen und sie auf die Anforderungen einfacher Tätigkeiten im unteren Dienstleistungssektor vorzubereiten. Während einigen Organisationen damit neue Einsatzfelder - insbesondere beim so genannten Fallmanagement oder in der direkten Arbeitsvermittlung - erwachsen, geraten andere Initiativen mit einem weiter gefassten Verständnis von Beschäftigungsförderung und gesellschaftlicher Integration zunehmend unter Legitimationsdruck bzw. in die zwiespältige Situation, neue Ausgrenzungs- und Selektionsprozesse mittragen und vermitteln zu müssen.

    Studie:
    Volker Eick, Britta Grell, Margit Mayer, Jens Sambale (Hg.), Nonprofit-Organisationen und die Transformation lokaler Beschäftigungspolitik, Münster: Westfälisches Dampfboot, 2004, ISBN 3-89691-564-9

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Prof. Dr. Margit Mayer, John F. Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien der Freien Universität Berlin, Abteilung Politik, Tel.: 030 / 838-52875, E-Mail: mayer@zedat.fu-berlin.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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