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Wissenschaft
Kritik an 630-Mark-Gesetz und Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit
Die Bayerische Rektorenkonferenz forderte auf ihrer Sitzung am 21. Mai 1999 in München eine Änderung der Bestimmungen sowohl für das 630-Mark-Gesetz als auch für die Regelung zur Scheinselbständigkeit. "Bundesregierung und Bundesgesetzgeber müssen", so Prof. Dr. Gotthard Jasper, Vorsitzender der Bayerischen Rektorenkonferenz und Rektor der Universität Erlangen-Nürnberg, "bei der jetzt diskutierten Nachbesserung zu beiden Gesetzen die besondere Situation an den Universitäten berücksichtigen."
Zum 630-Mark-Gesetz:
Ein Großteil der für den Universitätsbetrieb wichtigen Dienstleistungen wird von studentischen Hilfskräften erbracht, die im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse arbeiten. Bisher waren diese Beschäftigungsverhältnisse für die Universitäten als Arbeitgeber mit keinerlei Nebenkosten verbunden. Selbst auf die pauschale Lohnsteuer konnte verzichtet werden, weil annähernd alle Hilfskräfte unterhalb der steuerlichen Freibeträge blieben, was aus den vorgelegten Lohnsteuerkarten ersichtlich wurde.
Seit dem 1.4.1999 müssen die Universitäten jedoch infolge des neuen Gesetzes Renten- (12 Prozent) und Krankenversicherungsbeiträge (10 Prozent) abführen. Die allein vom Arbeitgeber zu tragendern Sozialversicherungsbeiträge wirken sich voll zu Lasten der bereits bisher zu knappen Etatansätze für Hilfskräfte aus. Bei gleichbleibenden Haushaltsansätzen sind die Universitäten gerade im Bereich der Lehre zu massiven Leistungseinschränkungen gezwungen. Die Folge: Bibliotheken, Sprachlabore oder Computerräume müssen früher geschlossen werden, Korrekturarbeiten verzögern sich, die Studienbedingungen verschlechtern sich insgesamt deutlich.
"Die Einbeziehung der studentischen Hilfskräfte in die Sozialversicherung ist in keiner Weise gerechtfertigt," so Prof. Dr. Gotthard Jasper, "denn die Studierenden sind bereits bei ihrer Einschreibung für ein Hochschulstudium verpflichtet, den Abschluß einer Krankenversicherung nachzuweisen. Außerdem wird in der Rentenversicherung ein abgeschlossenes Studium mit sechs Semestern als Ausfallzeit berücksichtigt. Wir fordern deshalb eine Ausnahmeregelung für die studentischen Hilfskräfte."
Zur Scheinselbständigkeit:
Auch die seit 1.1.1999 geltenden Regelungen über die Scheinselbständigkeit haben negative Auswirkungen auf die Universitäten und damit auf die Studierenden: Aufgrund der Gesetzesänderung wurden sehr viele der von den Universitäten abgeschlossenen Werkverträge jetzt sozialversicherungspflichtig. Die Mehrkosten pro Werkvertrag belaufen sich für die Universitäten auf 20 bis 22 Prozent. Bei gleichbleibenden Haushaltsansätzen können daher wesentlich weniger Werkverträge abgeschlossen werden als bisher. Für die Auftragnehmer verringert sich zudem ihre ohnehin knapp bemessene Vergütung um ihren Anteil zur Sozialversicherung.
Werkverträge werden an den Universitäten täglich in allen Bereichen für die Erstellung eng definierter Aufträge abgeschlossen. Beispiele sind etwa die Korrektur von Klausur- und Übungsarbeiten, die Betreuung von Computernetzen oder die Entwicklung von Computerprogrammen. Können weniger Werkverträge vergeben werden, müssen die Studierenden länger auf die Korrektur ihrer Arbeiten warten, Übungsarbeiten entfallen, Computerlösungen verzögern sich. Hinzu kommt, daß Werkverträge oft mit kleinen und jungen Unternehmen abgeschlossen werden, die ihre ersten und oft einzigen Aufträge von Universitäten beziehen. Werden diese als "scheinselbständig" befunden und damit sozialversicherungspflichtig, werden Existenzgründungen, die von der Politik ausdrücklich gewünscht sind, dadurch erheblich erschwert.
Die Bayerische Rektorenkonferenz fordert deshalb, daß nur bei Vorliegen aller vier Kriterien des § 7 Abs. 4 Satz 1 SBG IV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermutet wird. Personen, die bereits in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis stehen oder kurzfristige Aufträge bis zu einem Jahr übernehmen, sollen von dieser Regelung ausgenommen werden.
Auch die Baden-Württembergische Rektorenkonferenz, die ebenfalls am Freitag, 21. Mai 1999, tagte, hat sich mit einem gleichgerichteten Appell an Bonn gewandt.
* Kontakt:
Rektor Prof. Dr. Gotthard Jasper, Kanzler Thomas A.H. Schöck
Schloßplatz 4, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -26605, -26603, Fax: 09131/85 -22188
Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
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Wissenschaftspolitik
Deutsch
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