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Wissenschaft
Angela Merkel, die Kanzlerkandidatin der Union. In ihrer 15-jährigen politischen Laufbahn, die mit der Wende 1990 begann, hat sie es von der Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs bis an die Spitze der CDU geschafft. Das Institut für Politische Wissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg hat ihre steile Karriere untersucht, mit Lebensläufen anderer Politikerinnen verglichen und dabei Gemeinsamkeiten festgestellt: Die Frauen steigen meist zufällig und unauffällig nach einer unpolitischen Lernphase in die Politik ein. In schweren Krisenzeiten ihres politischen Umfelds kommen sie in höchste politische Ämter. Nach Stabilisierung der Lage müssen sie sich hart gegen männliche Konkurrenz durchsetzen, so ein erstes Zwischenergebnis.
Ihr erstes politisches Amt wurde Angela Merkel 1990 beim Demokratischen Aufbruch zufällig übertragen. Ein wichtiger Pressetermin stand bevor. Auf Zuruf des damaligen Vorsitzenden Wolfgang Schnur wurde sie zur Pressesprecherin der Partei. "Phase eins", erklärt Ludmilla Lennartz, wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt an der Universität Erlangen-Nürnberg. "In der ersten Phase war Frau Merkel ohne jedes politisches Engagement. Viele der betrachteten Politikerinnen waren keine Mitglieder von Jugendorganisationen der Parteien." Unmittelbar nach der Wende lehnte sie einen Eintritt in die CDU aufgrund des "Blockflöten"-Images der Partei noch ab. Nach den ersten freien Wahlen in der DDR wurde sie zur stellvertretenden Sprecherin der Regierung de Maizière. Im ersten gesamtdeutschen Kabinett ernannte sie Bundeskanzler Helmut Kohl zur Frauenministerin. Fortan galt sie als "Kohls Mädchen". Dass Politikerinnen eher bei weichen Themen wie Frauen oder Familie eingesetzt werden, hält die Erlanger Wissenschaftlerin für typisch: "Diese Themen bieten sich als Einstieg in die Politik speziell für Frauen gut an." Die Forscher untersuchen, ob durch dieses Bild die Frauen unterschätzt werden und ihnen aus diesem Grunde der Aufstieg gelungen ist. 1994 wurde Angela Merkel Umweltministerin.
Die verlorene Bundestagswahl 1998 stellte eine Krisensituation dar, in der Angela Merkel unter dem neuen Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble zunächst zur Generalsekretärin aufstieg. Doch die eigentliche Krise der CDU, der Par-
teispendenskandal, sollte dies zehn Monate später bei weitem übertreffen. "Angela Merkels Stern begann nun, noch heller zu leuchten. Es wurde für den Vorsitz eine Person gesucht, die glaubhaft den Eindruck erweckt, mit der Sache nichts zu tun zu haben", erklärt Ludmilla Lennartz. Die Mehrheit der CDU wollte Angela Merkel als Vorsitzende. Am 10. April 2000 wurde sie mit 96 Prozent der Stimmen gewählt. Sie galt als Trümmerfrau, die nach dem Spendenskandal aufräumt und so den Neuanfang vorbereitet. Für die Wissenschaftler Phase zwei: Eine Krise als auslösender Umstand für den Aufstieg in eine Spitzenposition.
Phase drei: die Machtkonsolidierung. Die Politikerin füllt das Amt aus, die Partei findet zur Ruhe, und harte Auseinandersetzungen mit den männlichen Mitstreitern, die sich in der Krise aus verschieden Gründen zurückhielten, beginnen. "Es scheint, als würden ironischerweise gerade die Qualitäten, mit denen sich die Politikerinnen als Krisenmanagerinnen profilierten - Verhandlungsgeschick, Vermittlungsmanagement, Kommunikationsfähigkeiten - in der Konsolidierungsphase zu einem Bumerang. Die Männer, die den Frauen in der Krise den Vortritt gelassen haben, möchten nun wieder politische Verantwortung tragen und entziehen den Frauen nicht nur ihre Unterstützung, sondern beginnen auch, gegen sie zu arbeiten." In dieser Phase setzen Frauen auf Härte. Angela Merkel bewies diese Härte bei vielen Anlässen: Sie forderte Helmut Kohl auf, vom Ehrenvorsitz der CDU zurückzutreten, sie löste Friedrich Merz als Fraktionsvorsitzenden ab und setzte einen eigenen Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl durch. Männliche Kollegen versuchten, ihr die Macht streitig zu machen. Wie zum Beispiel Edmund Stoiber, der es schaffte, ihr die Kanzlerkandidatur 2002 zu nehmen. Angela Merkel, zunächst "Kohls Mädchen", wird als Parteivorsitzende oft mit der ehemaligen englischen Premierministerin Margret Thatcher - der eisernen Lady - verglichen. Nun hat sie die reale Chance, als erste Frau der Bundesrepublik Kanzlerin zu werden.
Auch an anderen Politikerinnen wie Heide Simonis, Renate Schmidt, Claudia Roth, Regine Hildebrand, Rita Süssmuth und Annette Schavan werden die Erlanger Wissenschaftler ihre Thesen genauer überprüfen.
Weitere Informationen
Ludmilla Lennartz
Tel.: 09131/23513
ludmilla.lennartz@phil.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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