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10.09.1999 11:31

Opfer, Helden, Einzelschicksale

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Der Holocaust im israelischen und europäischen Dokumentarfilm

    Der israelische Dokumentarfilm über den Holocaust interessiert sich kaum für das Ereignis der Massenvernichtung oder die Unzahl der Opfer. Statt dessen benutzt er dieses Ereignis zur Vermittlung jeweils aktueller Werte, wie der Schaffung nationaler Einheit oder der Unterstützung der Wehrbereitschaft. Erst in jüngster Zeit wendet er sich den individuellen Geschichten Überlebender zu. Der europäische Dokumentarfilm konzentriert sich dagegen auf den Versuch, das Wesen des Holocaust darzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt Gerhard Schick in einer Arbeit über die Darstellung des Holocaust in Dokumentarfilmen, die er am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität zu Köln angefertigt hat.

    Dem israelischen Film ging es in der Frühzeit des Staates Israel auch bei dem Thema Holocaust stets vor allem um Propaganda für die Nation. Das neue "Glück" der Überlebenden in der "Heimat" und die "Rettung" durch die Aufnahme in den Staat Israel sind die Aussagen, deretwegen der Holocaust überhaupt nur angesprochen wird. Dies geht so weit, daß die europäische Kultur der Juden diskreditiert wird. Die weltweite Zerstreuung des Judentums wird als ursächlich für den Völkermord angesehen, als einziger Ausweg gilt die Staatsbildung einer jüdischen Nation.

    Auch zwanzig Jahre später sprechen in dem Film "The 81st Blow" von Haim Gouris, der mit zwei weiteren Filmen eine Trilogie über den Holocaust bildet, Zeitzeugen und es wird historisches Archivmaterial verwendet. Die erste Absicht des Films ist es, dem in der damaligen israelischen Öffentlichkeit völlig verdrängten Ereignis Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es bestand nämlich die Gefahr, daß Berichte über die Greueltaten an Juden von der neuen Generation nicht geglaubt wurden. Die Botschaft, in der dies alles mündet heißt allerdings: nie wieder die Opferrolle, für ein militärisch siegreiches Israel.

    Dagegen konzentriert sich der europäische Dokukmentarfilm darauf, die Natur des Holocaust zu verstehen. Er versucht, die Ursachen und die Natur der Massenvernichtung zu erfassen und damit ein Mahnmal zu setzen. Dies gilt sowohl für den frühesten Film, Alain Resnais' "Nacht und Nebel" (1955), als auch für den neuesten, Claude Lanzmanns "Shoah" (1985). Ersterer führt dem Zuschauer durch Nutzung historischen Filmmaterials das Unvorstellbare vor Augen. Letzterer rekonstruiert das Geschehen durch Interviews. Dabei wird der Schrecken ohne Bilder, dafür aber durch die Erschütterung der Zeugen sichtbar. Bei dieser Konzentration auf die Vernichtung kommt aber auch immer die Frage nach der Darstellbarkeit des Themas auf. Da diese - so Gerhard Schick - nie eine befriedigende Antwort findet, bleibt die Diskussion über die Berechtigung und Wirksamkeit solcher Filme offen.

    Ein Interesse an individuellen Schicksalen wird in verschiedenen israelischen Filmen dieses Jahrzehntes erkennbar. Darin fragen die jungen Filmemacher direkt ihre Eltern und Großeltern nach deren persönlichen Erfahrungen. Doch auch hierbei gilt das Interesse weniger einem Versuch, die Massenvernichtung zu begreifen - dies bleibt dem europäischen Film vorbehalten - sondern vielmehr der Frage nach dem Leben nach dem Holocaust. Dennoch wird - so der Kölner Filmwissenschaftler - in diesen Filmen ein direkter Zugang zum Holocaust eröffnet, wie ihn die europäischen Dokumentationen mit ihrer Fixierung auf die Toten nicht bieten. Erstmals werden die Überlebenden weder als hilflose Opfer noch als Helden des Judentums, sondern als Menschen mit einer erschütternden Lebensgeschichte präsentiert.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Gerhard Schick unter der Telefonnummer 0221/317613 und 0221/254105 und der Email-Adresse a2446243@smail.rrz.uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).

    Für die Übersendung eines Belegexemplares wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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