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29.09.1999 13:38

Ausbrennen, Veraetzen, Abreißen

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Therapieverfahren der vergangenen Jahrhunderte

    Therapieverfahren der vergangenen Jahrhunderte erscheinen heutzutage roh und lebensgefährlich. Das bekam auch der berühmte Komponist Joseph Haydn zu spüren, der zeitlebens an Nasenpolypen litt. Die Methoden der Mediziner vergangener Zeiten schildert in einer medizinhistorischen Übersicht Dr. Jan Peter Thomas von der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Universität zu Köln.

    Joseph Haydn (1732-1809) hatte eine große Nase. Das kann jeder auf Bildnissen und Büsten des Komponisten sehen. Wenig bekannt hingegen ist, daß dies vermutlich mit den Nasenpolypen zusammenhing, die den Komponisten plagten. Nasenpolypen sind gutartige Wucherungen in der Nase oder ihrer Nebenhöhlen. Am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert verfügte die Medizin bereits über weit fortgeschrittene anatomische Kenntnisse. Oft wurden sogar Therapieverfahren angewendet, die auch heute noch in zum Teil abgewandelter Form in Gebrauch sind. Allerdings fand die erste Operation unter Narkose erst im Jahr 1864 statt. So waren auch kleinere operative Eingriffe oft mit großen Schmerzen verbunden. Dies zeigt die Anekdote, in der Haydn bei einem Arztbesuch von "baumstarken Kerlen" festgehalten wird, um zur Entfernung seiner Polypen gezwungen zu werden. Als Haydn sich massiv wehrt, wundert sich der Arzt nur über den Eigensinn des Komponisten.

    Die Angst Haydns wird bei Betrachtung der damals gängigen Methoden zur Entfernung von Nasenpolypen verständlich. Durch Unterbindung ließen die Ärzte den Polypen in einem tagelangen Prozeß abfaulen. Weitere Methoden waren außerdem neben Ausbrennung und Ausreißen auch das Abreiben mit einem Faden. Nicht beim Ausrotten mittels eines Haarseils, sondern möglicherweise beim Herausreißen oder Abschneiden mit der Zange bzw. einer Schere durch den Chirurgen erlitt Haydn die Einbuße eines Teils seines Nasenbeins, so zumindest laut Aussage des Biographen Dies. Jedoch muß man diese Aussage des Biographen kritisch beurteilen; möglicherweise handelt es sich statt dessen - so der Kölner Mediziner - um eine Schädigung des knorpeligen Nasenskeletts bzw. eine Fraktur einer Nasenmuschel. Bei einem dieser Eingriffe verlor der Komponist dann auch prompt ein Stück seines Nasenbeins. Ebenfalls Aderlässe oder einfaches Wegätzen der Polypen waren gängige Therapieformen, die heute nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Die Abschnürung mit der Schlinge gilt jedoch auch heute noch als übliches Verfahren, allerdings mit der großen Erleichterung einer örtlichen Betäubung. So spart sich der Arzt von heute wenigstens die "baumstarken Kerle", um seine Patienten an der Flucht zu hindern.

    Als weitere Ursache für die Wucherungen in der Nase galt damals Syphilis. Diese früher häufige Geschlechtskrankheit wurde durch Verabreichung hoher Dosen Quecksilbers behandelt. So gelangten Patienten mit Nasenpolypen nicht selten auch noch zu einer Quecksilbervergiftung.

    Zukünftige Erkenntnisse werden die Möglichkeit einer Heilung von Krankheiten bringen, die heute noch operativ behandelt werden. So ist es durchaus möglich, daß die gegenwärtig elegant wirkenden Methoden künftigen Generationen roh und lebensgefährlich erscheinen werden.

    Haydn hatte übrigens auch nach seinem Tod keine Ruhe vor dem Skalpell. Sein Kopf wurde aus dem Wiener Grab gestohlen. Die Grabschänder wollten an der Kopfform Untersuchungen über Begabung und Tonsinn anstellen. Als der Schädelraub elf Jahre später auffliegt, wird auch noch ein fremder Kopf zurückgegeben und beigesetzt. Ruhe findet der Komponist erst 1954, als der echte Schädel mit den Gebeinen vereinigt wird.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Dr. Jan Peter Thomas unter der Telefonnummer 0221/478-4761 oder 478-4471, der Fax-Nummer 0221/478-5864 und der Email-Adresse -Jan_Peter.Thomas@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html.

    Für die Übersendung eines Belegexemplares wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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