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Wissenschaft
An einer treuen Stammkundschaft ist Händlern ebenso wie Herstellern gelegen. Beide Seiten sind gleichermaßen zufriedengestellt, wenn Kunden immer wieder denselben Laden aufsuchen, um sich Waren der gewohnten Marke zu besorgen. Die Übereinstimmung hat zwar ihre Grenzen: während Markenhersteller beispielsweise ihre Produkte günstig plaziert wissen wollen und das Angebot der Konkurrenz nicht gern in allernächster Nähe sehen, liegt dem Handel eher an einer breiten Palette, an Kontakten zu mehreren Lieferanten oder an niedrigen Einkaufspreisen. Speziell auf dem Konsumgütermarkt verspricht eine abgestimmte Kundenbindungspolitik dennoch ein hohes Synergiepotential, wie eine Dissertation am Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Hermann Diller an der Universität Erlangen-Nürnberg herausarbeitet. In seiner theoretisch fundierten und empirisch gestützten Untersuchung hat Dr. Thomas Goerdt Analyseinstrumente entwickelt, die Ansatzpunkte für eine solche Kooperation aufzeigen. Die Dissertation wurde mit dem Wissenschaftspreis des Deutschen Marketing-Verbandes ausgezeichnet.
Das Verhältnis von Handel und Industrie gestaltet sich zunehmend angespannt; Verteilungskonflikte bis hin zum Verdrängungswettbewerb verleihen der "Jagd nach dem Kunden" eine hektische und aggressive Note. Übergreifende Strategien der Kundenbindung in einem mehrstufigen Marktsystem könnten dazu verhelfen, solche Konflikte zu entschärfen - umso mehr, als treue Kunden jedem Unternehmen Sicherheit, Wachstum und dauerhaften Gewinn sichern können. Den Blick darauf zu richten, wie Kunden auf lange Frist zu gewinnen sind, verspricht zuverlässiger und mehr Erfolg als aufwendige und oft nur kurzfristig wirksame Abwerbungs-Aktionen.
Um gemeinsam vorgehen zu können, muß jedoch zunächst geklärt sein, wo die Interessenssphären sich berühren und welche Maßnahmen angeraten sind. Was ist unter Kundentreue eigentlich zu verstehen, und welches Maß soll dafür gelten? Wie hängen die Wahl der Marke und die Wahl des Ladens zusammen? Ist die Bindung der Konsumenten an den Hersteller oder an den Händler stärker? In welchen Punkten könnte eine verstärkte Zusammenarbeit sich lohnen? Da in bisherigen Studien fast ausschließlich entweder nur Markenpräferenzen oder aber die Entscheidung zwischen verschiedenen Einkaufsstätten aufgegriffen wurde, fehlte der Antwort auf solche Fragen die Basis.
Wechselwirkungen im Absatzkanal
Mit der integrierten Analyse der Marken- und Einkaufsstättentreue und der Ableitung von Folgerungen für eine gemeinsame, mehrstufige Kundenbindungspolitik von Industrie und Handel liegt nun eine Plattform zur wissenschaftlichen Klärung derartiger Fragestellungen vor. Die theoretischen Überlegungen zur Problematik eines vertikalen Beziehungsmarketing konzentrieren sich auf die wechselseitigen Einflüsse im Absatzkanal, in der Kette vom Produzenten über den Einzelhändler zum Endkunden. Aktionen des einen Partners wirken sich hier zwangsläufig auch darauf aus, ob der andere sein Ziel erreicht. Zwei explorative empirische Studien zum Wahl- und Treueverhalten der Konsumenten - einmal anhand von Haushaltspaneldaten in 30 Warengruppen, zum anderen auf Basis einer Adaptiven Conjoint-Analyse mit 500 Probanden - kreisen anschließend die Faktoren ein, die die Bindung an Hersteller und Händler bestimmen.
Kundenbindung ist ein komplexes und vielschichtiges Phänomen, das von einer Vielzahl von Einflußgrößen bestimmt wird. Dennoch lassen sich zahlreiche interessante Einflußgrößen und Wirkungszusammenhänge identifizieren. Zwischen der Marken- und der Einkaufsstättentreue der Konsumenten ergab sich ein enger und hoch signifikanter Zusammenhang. Fast alle untersuchten Einflußfaktoren wirken sich in gleicher Weise auf die Treue gegenüber Herstellern und Händlern aus.
In den meisten Warengruppen ist die Einkaufsstättentreue etwas stärker als die Markentreue ausgeprägt; ein klarer Bindungsvorteil für Hersteller oder Händler ergibt sich jedoch nur selten. Tendenziell bestimmen eher "harte" Faktoren die Wahl des Ladens, etwa dessen Nähe zur Wohnung; der Entschluß, einer Marke treu zu bleiben, ist dagegen mehr auf "weiche" Faktoren - beispielsweise die Zufriedenheit, die Einstellung oder andere psychografische Größen - zurückzuführen. Am Kaufverhalten über einen längeren Zeitraum ist zu beobachten, daß Konsumenten stärker am Gewohnten hängen als erwartet. Dementsprechend stabil ist die Machtverteilung zwischen Industrie und Handel: Intensität und Richtung der Treue verändern sich nur langsam.
Bestehende Effekte verstärken
Die Analyse unterstreicht die Vorteile einer unternehmensübergreifenden, kooperativen Kundenbindungspolitik. Bereits vorhandene Beziehungen und Ausstrahlungseffekte zwischen Marken- und Einkaufsstättentreue lassen sich stärker nutzen. Verbesserungen etwa der Logistik, des Sortiments oder der Verkaufsförderung können auf beiden Seiten Bindungswirkungen erzielen.
Mit dem "Vertical Marketing Evaluation Tool" wird zudem ein computergestütztes Analyseinstrument vorgestellt, das die konkrete Umsetzung der Untersuchungsergebnisse, z. B. im Rahmen von Category Management-Problemen, erleichtert.
Es ermöglicht eine Bindungsdiagnose, ein Treue-Benchmarking, eine Stärken- und Schwächen-Analyse sowie die Simulation der Auswirkung alternativer Bindungsmaßnahmen.
Selbst beim Einsatz aufwendiger und differenzierter Methoden entzogen sich Ursachen und Triebkräfte der Kundentreue jedoch zum Teil der Analyse. Was letzten Endes dazu führt, daß die Hand nach einer Ware im Regal greift, wird wohl kaum jemals vollständig zu ergründen sein.
* Kontakt:
Prof. Dr. Hermann Diller, Lehrstuhl für Marketing
Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Tel.: 0911/53 02 -214, Fax: 0911/53 02 -210
E-mail: Hermann Diller@wiso.uni-erlangen.de
Dr. Thomas Goerdt, BMW AG, Markenstrategie
Petuelring 130, 80788 München, Tel.: 089/382-20674
E-Mail: Thomas.Goerdt@bmw.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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